Gelesen 2024

Schon wieder ein Jahr um? Ich fand es gar nicht so kurz, aber an den nicht fanfictionesken gelesenen Werken lässt sich das kaum absehen. (Vielleicht aber an jenen Fanfictions, die ich geschrieben habe, auch wenn noch nicht alle gepostet sind.)

Ich wünsche uns allen jedenfalls, dass es anno 2025 möglichst wenig Grund zum Eskapismus geben möge.

Und damit die Liste:

Isa Theoald: Anouk 3 – Mal wieder ein so amüsanter wie rasanter Ritt, unter anderem durch das Jenseits, verwunschene Gartenfeste und eine Luxusvilla.

Luci van Org: Wir fünf und ich und die Toten. Ein Buch für Kinder von schlechten Eltern, sagt die Autorin. Auch für Kinder von so mittel Eltern bis guten Eltern ist diese gruselige Novelle eine spannende und vielleicht auch herzerweiternde Lektüre.

bell hooks: Ain’t I a Woman. Ein kluges Buch über Schwarze Frauen und ihre Kämpfe mit weißen Feminist*innen. Sicher noch mal zu lesen.

Mirna Funk: Von Juden lernen. Eine kurzer Parforceritt durch die jüdische Philosophie, die teils weit vom abendländischen Entweder-Oder entfernt ist. Ich komme nicht immer bei den gleichen Schlussfolgerungen heraus (in Sachen Wirtschaft neige ich zu weniger Sozialdarwinismus), aber der Weg dorthin ist äußerst lehrreich. Zur Horizonterweiterung von christlich sozialisierten Menschen empfehlenswert.

Alice Hasters: Identitätskrise. Betrachtungen über die Welt nach dem angeblichen Ende der Geschichte. Muss ich wohl auch noch mal lesen, denn außer „yes, baby!“ hab ich derzeit nicht viel zu bieten außer Begeisterung.

Alan Mikhail: God’s Shadow. Eine (englischsprachige) Biographie über Sultan Selim I. (dem Grimmen), der von 1512 bis 1520 über das Osmanische Reich herrschte (und es um Jerusalem und große Teile der arabischen Halbinsel sowie Ägyptens erweiterte). Ein faszinierender Blick in einen Teil der Geschichte, der bei uns wegen Reconquista, Kolumbus und Reformation meist unter den Tisch fällt. Obwohl sich Teile dieser Ereignisse durchaus bedingen.

Janina Ramirez: Femina. Mehr Geschichtliches, in diesem Fall ein Blick auf mittelalterliche Frauen-Biographien, von frühen angelsächsischen Königinnen über Hildegard von Bingen bis zu Königin Jadwiga von Polen und Litauen. Spannend und leicht lesbar erzählt. Als Nerd hätte ich mir noch etwas mehr inhaltliche Tiefe gewünscht.

Karl-Heinz Göttert: Die Sprachreiniger. Es gibt einen Grund, warum die Fahrkarte das Billet ersetzte, nämlich eben die namengebenden „Sprachreiniger“, die seit den 1870ern das Deutsche von „welschen“ Einflüssen zu befreien gedachten – im Echo auf Alice Hasters: Die Deutsche Einheit im neuen Kaiserreich sollte sich auch in der Sprache spiegeln, aber so richtig einig ist eins sich hierzulande ja irgendwie trotzdem nie, trotz Sprache … Ein Blick in die Vorgängerorganisation des Vereins Deutsche Sprache, bei dem das Lachen zu häufig im Halse stecken bleibt.

Florence Brokowski-Shekete: Raus aus den Schubladen! Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen. Die Autorin portraitiert Schwarze Menschen in Deutschland, die sich beruflich an Orten befinden, wo sie das rassistische Stereotyp nicht vermutet. Bei einer äußerst interessanten Lesung gekauft, liest sich dieses Buch mit Interviews flüssig, auch wenn einiges davon zu kauen gibt.

Mithu Sanyal: Antichristie. Am besten wohl als magischer Realismus beschriebener Roman über eine Serienautorin, die eine Reise nach London übernimmt, um mit einem Team Agatha Christie zu dekolonialisieren. Gleichzeitig wacht die Hauptfigur als junger Einwanderer aus Bengalen auf und wird in einen Kreis von indischen Freiheitskämpfern gezogen, die vor dem Ersten Weltkrieg aus dem India House operieren. Oder: Gandhi war nicht der erste, der sich um die Unabhängigkeit Indiens kümmerte. Eine Geschichtsstunde ohne einfache Antworten.

Alfred Bellebaum (Hg.): Glück hat viele Gesichter. Aus Recherchegründen eine Aufsatzsammlung gelesen, die mit ein wenig Glück zu zitieren ist.

Sara Ahmed: Das Glücksversprechen. Eine feministische Kulturkritik, die recht gut zu Alice Hasters passt. Wenn Leute, die auf Missstände hinweisen, als Spaßverderber*innen gelten, dann läuft was schief … Die Autorin analysiert, wie Glück gedacht wird, an welchen Objekten die westliche Gesellschaft dieses Glück festmacht, und fragt sich, was passiert, wenn der einen Glück der anderen Unglück ist.

Cornelia Fleck: Queerfulness. Zum Abschluss ein positiver Rausschmeißer über das „Glück einer solidarischen Protestkultur“, passend zu Sara Ahmed und irgendwie auch zu Alice Hasters. Identität ist ja irgendwie ganz nice, aber nichts, wo wir stehen bleiben sollten (denn Identität ist sowieso immer in Aushandlung und damit fließend). Kurz und motivierend.

2 Gedanken zu „Gelesen 2024

  1. Da fällt mir sofort Isabella von Kastilien ein (Isabel la Católica), die ja „ein Reich, eine Sprache, eine Religion“ wollte, was zwar einerseits eine Aufwertung der Volkssprache, aus der das heutige Spanisch entstand, mit sich brachte, andererseits aber verheerende Auswirkungen auf Kultur und Wirtschaft Spaniens hatte. (All die muslimischen und jüdischen Handwerker, Wissenschaftler, Dichter und Gelehrten, die vertrieben oder ermordet wurden, haben eine noch Jahrhunderte später spürbare Lücke hinterlassen.)

    • Mikhail wirft tatsächlich einen interessanten Blick sowohl auf die Reformation als auch auf die Art und Weise, wie nach der Reconquista die Eroberung Südamerikas ablief.

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