Gelesen: „Ace“ von Angela Chen

Vor einem guten Monat erschien auf Englisch ein Buch von Angela Chen namens „Ace – What Asexuality Reveals About Desire, Society and the Meaning of Sex“ (Beacon Press Boston, ISBN 978-0-8070-1379-3).

Da ich mir ja zur Aufgabe gemacht habe, beim Thema Asexualität wenigstens halbwegs auf de aktuellen Stand zu sein, habe ich es gekauft, und als Abschluss der Ace Week für euch eine Meinung dazu verfasst.

Wobei ich sagen muss, dass mich sonst das Cover mit diesen Flecken (Buntpapierfetzen wie früher im Kunstunterricht?) ein wenig abgeschreckt hätte. Mit dem Inhalt hat es jedenfalls erst nach einer Pause zum Nachdenken zu tun.

Kurze Inhaltsübersicht

Der Text liest sich sehr flüssig. Ausgehend von eigenen Erfahrungen hat Angela Chen einige Dutzend andere Aces interviewt und deren Geschichten in Fragestellungen an die US-Gesellschaft verwandelt:

Schadet die allgemeine Erwartung, dass Männer immer super versessen auf Sex seien, genau dieser Personengruppe?

Hat uns die sexuelle Befreiung uns wirklich freier gemacht?

Inwieweit haben wir Überschneidungen mit Vorurteilen gegenüber rassifizierten Menschen, Menschen mit BeHinderung, und religiösen Stereotypen?

Was bedeutet eigentlich „romantisch“? Wo ist die Grenze zwischen Romanzen und Frenudschaft? Und wieso ist Sex ein Maßstab bei der Bewertung, wie wichtig eine Beziehung sein darf?

Was ist „compulsory sexuality“ (Sexnormativität) und was ist hermeneutische Ungerechtigkeit? Wie verhindern unsere Vorstellungen von Sex und dem, was Menschen wollen, dass Menschen eben nicht das tun (oder lassen), was sie möchten?

Das alles bereitet Chen informativ und verständlich auf.

Sehr tröstlich ist auch die Einflechtung der verschiedenen Lebensgeschichten. Obwohl ich genug Aces kenne, tut es immens gut, ein paar Fragen und Probleme gespiegelt zu sehen, die ich auch schon hatte.

Mehr Kompendium als Erleuchtung

Der Witz ist, dass ich dieses Buch nicht unbedingt gebraucht hätte, und da werden manche ähnlich empfinden. Was Angela Chen zusammengetragen hat, wissen halbwegs aufmerksame Beobachtende der asexy Blogosphäre schon.

Ich selbst fand also in dem Buch sehr wenig neue Anstöße, sondern eher eine Zusammenfassung von klugen Gedanken, die ich bei oder dank der Asexual Agenda schon gelesen habe. Damit will ich Angela Chens Fähigkeit, pointierte Fragen zu stellen und Dinge zu beobachten, gar nicht in Abrede stellen. Es wird Menschen im asexuellen Spektrum geben, die diese Diskussionen nicht so genau mitverfolgt haben oder viel später dazugestoßen sind, und die dieses Buch dann umso mehr schätzen werden. Außerdem hat eine gedruckte, zitierfähige Zusammenfassung von Online-Diskussionen immensen Wert.

Was ist eigentlich die Zielgruppe?

Einerseits steht das erklärte Ziel des Buchs schon auf dem Cover: Wie können die Lebensgeschichten asexueller Menschen helfen, besser zu verstehen, wie die westlichen Gesellschaften in Bezug auf Sex ticken? Was können wir alle gewinnen, wenn wir Dinge aus einer asexuellen Perspektive betrachten?

Das heißt, die Zielgruppe sind vornehmlich Menschen, die sich nicht als ace begreifen.

Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob es gelungen ist, diese Zielgruppe anzusprechen.

Was es aber zu tun scheint, und da sind Sara von the notes which do not fit und ich einer Meinung mit diversen Menschen, die bei Amazon Rezensionen hinterlassen haben: Es ist hilfreich für unentschlossene Menschen und solche, die ein nagendes Unbehagen mit den Erwartungen spüren, die uns die Sexnormativität aufbürdet.

Brauche ich das?

Kommt drauf an.

Wer sowieso schon alles zum Thema gelesen hat und sich mit der eigenen Selbstbeschreibung als ace wohlfühlt, braucht es nicht unbedingt und folge weiterhin den relevanten Blogs.

Wer einen kurzen und knackigen Einstieg in die aktuellen Debatten sucht, ist hier genau richtig.

Ebenfalls sehr sinnvoll erscheint es für jene, die überlegen, ob sie sich ins asexuelle Spektrum verorten sollen oder wollen. Wir finden hier all die Selbstzweifel und Einwände, die in dieser Findungsphase am drängendsten sind.

Insofern hat Angela Chen auf jeden Fall etwas getan, das mich das Hütchen lüpfen lässt: Ein Ratgeberbuch verfasst, ohne einen einzigen Ratschlag zu verteilen.

Eine etwas andere Meinung zum Thema hat Ace Admiral.

Crosspost bei carmilladewinter.com, aktivista.net und Amazon.

Überraschung zur Asexual Awareness Week 2018

Dieses Jahr beginnt die Asexual Awareness Week am Sonntag, den 21. Oktober.

Exakt an dem Tag sollte bei den Kollegen vom Versandhandel (TM) ein farblich und thematisch passendes Schätzchen online gehen:

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Wenn ich präsentieren darf: Die A-Karte. Eine queer-romantische Fantasykomödie nicht nur für Nerds.

Wie soll man als Inkubus einen asexuellen Juristen verführen? Es ist nicht ganz einfach, im Auftrag der höllischen Heerscharen einen Spitzel fürs Bundesverfassungsgericht zu werben, wenn die betreffende Zielperson so gar kein Interesse an den Avancen eines Dämons zeigt. Um diese sprichwörtliche A-Karte in einen Trumpf zu verwandeln, muss der Inkubus Andreas seine Methoden hinterfragen und seine lang verdrängte romantische Ader wieder ausgraben.

Ganz Eilige können schon mal vorbestellen. Menschen, die ein Print haben wollen oder nicht bei den Kollegen vom Versandhandel (TM) lesen möchten, müssen hoffen, dass meine Coverkosten wieder reinkommen und, für den Fall, dass dies eintritt, sich 90 Tage gedulden, danach wird das Schätzchen aus dem Kindle-Select-Programm fallen.

Bei so was fühlt sich eine dann doch, als hätte sie einen Vertrag in Blut unterschreiben … ist halt ein Experiment. Also das mit dem Kindle Select, dem Vertrag mit den Kollegen vom Versandhandel (TM) und dem Inhalt.

Demnächst ist Asexual Awareness Week!

Ungewohnt hierzulande: Die AAW beginnt sonntags.

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Vom 22. bis zum 28. Oktober sind Aces und Organisationen, die sich mit Buchstabensuppen-Menschen beschäftigen, aufgerufen, Dinge zu tun, die die Bekanntheit von A_sexualität steigern und dafür sorgen, dass unsereins mit dem Respekt behandelt wird, den wir verdienen.

Ich liebäugele gerade mit einem Gewinnspiel für Prints von Albenzauber.

Für Menschen, die ebenfalls Lust haben, sich zu beteiligen, aber keine Bücher zu verlosen haben, gibt es ebenfalls Möglichkeiten.

Ihr könntet …

… die Unibliothek Eures Vertrauens um die Anschaffung von Literatur über A_sexualität bitten. “Understanding Asexuality” von Anthony F. Bogaert sollte in keiner Sammlung zu Sexologie fehlen.

… den Link zu dieser Doku über Asexualität verschicken, um Zweifelnde und Kritiker*innen aufzuklären, oder einfach nur auszuloten, was eure Bekannten so über A_sexualität denken.

… euch eine Teerose oder sonst etwas in Flaggenfarben basteln.

… als ganz subtiler Wink AktivistA bei Facebook liken.

… darüber twittern, bloggen, oder in sonst welchen Medien entsprechende Links und Bilder teilen. Optionen finden sich beim Verein eures Vertrauens.