Ich hatte ja schon zu verschiedenen Anlässen über Coming-outs geschrieben.
Was ich noch nicht öffentlich getan habe: Mir die Ironie dieses Begriffs bezüglich Asexualität auf der Zunge zergehen zu lassen.

Im Grunde ist das nämlich ein Widerspruch der allerschönsten Sorte, worauf mich Elizabeth Hanna Hansons Arbeit über A_sexuelle Erzählen hinwies.
Was heißt eigentlich „Coming-out“?
Die komplette Phrase auf Englisch heißt „coming out of the closet“ – aus dem Schrank kommen. Es muss sich um denselben Schrank handeln, in dem die Briten ihre Skelette aufbewahren – die lassen nämlich ebenerdig „skeletons in the closet“ statt ihre Leichen wie vernünftige Leute im Keller unterzubringen.
Gemeint ist, dass Leute eine Wahrheit über sich irgendwo in ihrem geistigen Hinterstübchen so tief verstecken, dass sie manchmal nicht wissen, dass sie etwas verstecken. Und wenn sie das realisieren, es erst vor sich selbst und später vor anderen zugeben, dann kriechen sie aus dem Schrank.
Also geht es um Dinge, die versteckt werden müssen. Das wäre in diesem Fall meist das, was als „Schweinekram“ gelistet ist – also Wahrheiten über das eigene Begehren und dessen Auslebung, die gesellschaftlich nicht anerkannt oder geächtet sind.
Im Übrigen scheint die Menschheit seit der Populärwerdung Freud’scher Psychoanalyse davon auszugehen, dass jede*r einen Schrank hat, in dem sich irgendwelcher Schweinekram sexueller Natur versteckt, und dass es sich dabei nicht um eine Wahrheit sondern um Die Wahrheit (TM) über die Person handelt.
Paradox:
Egal in welcher Ausprägung der Definition haben A_sexuelle keine geheimen Wünsche zu beichten. „Kein Verlangen nach sexueller Interaktion“ oder die „Nichterfahrung von sexueller Anziehung“: Wir tun in der Regel nix, wir wollen bloß Kuchen essen/lesen/kuscheln/Serien gucken (Unzutreffendes bitte streichen).
Ich bin, in dieser einen Hinsicht, reine Oberfläche ohne irgendwelche Türen, die zu unentdeckten Schränken führen.
Zu beichten, dass es nichts zu beichten gibt, ist reichlich widersinnig.
Trotzdem angebracht?
Wahrscheinlich werden diese Überlegungen an der Sprache nicht viel ändern. Wir haben zwar keine (oder wenige) Geheimnisse sexueller Natur, aber die Angst, die mit einem Gespräch über den eigenen sexuellen Minderheitenstatus einhergeht, bleibt ähnlich.
Denn zu eröffnen, dass eine*r fundamental anders tickt als die wichtige Person, die zuhört: Das kann durchaus dazu führen, dass Freund*innenschaften zerbröseln oder eine*r ausziehen muss.