Jahresabschluss / Gelesen 2023

Dafür, dass ich hier wenig gepostet habe, bin ich ganz gut zu Veranstaltungen rumgekommen in 2023. Während es kein Schreibjahr in dem Sinne war, schaue ich doch recht zufrieden auf die politischen Aktivitäten zurück und all die Menschen, die ich dadurch kennenlernen durfte.

Und ich weiß, dass meine links/liberal/grün/woken Bubbles mit einem zuversichtlichen und einem besorgten Auge nach vorn blicken.

Privat war auch in bisschen Nerverei.

Und ich selbst hatte mit insgesamt fünf Infekten, davon einmal Corona und einmal wahrscheinlich Grippe, zu kämpfen, was die Promo für meine einzige Neuerscheinung, nämlich das zweite Beweisstück, sehr beeinträchtigte. Zumal das mitherausgebende Tenna zu dem Punkt ebenfalls aus anderen Gründen indisponiert war. (Da weiter gute Besserung den restlichen Zipperlein, mein Liebes.)

Meine Frau Mama allerdings hatte es geschafft, sich dieses Jahr einen Posteriorinfarkt (einen Schlaganfall) zuzulegen, was ihre Sehkraft zunächst massiv beeinträchtigte. Sie durfte einige Monate nicht Auto fahren, weshalb ich gelegentlich Taxi spielte. Ich weiß jetzt, dass ich den zu spät erkannten Risikofaktor geerbt habe. So die Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahrzehnten noch einigermaßen funktiniert, werde ich wohl relativ früh relativ hohe Dosen Cholesterinsenker brauchen.

Nu ja. Aber immerhin sind sie, bis auf eine zu beerdigende Katze (nicht meine), alle noch da.

Damit wünsche ich allen einen guten Jahresanfang 2024.

Und nun zur klassischen Leseliste, die dieses Jahr eher kurz ausfiel, da ich noch mehr Fanfiction gesuchtet habe als üblich. Was mit dem besorgten Auge von oben zu tun haben dürfte. (Die besten Transformers-Fanfics sind immerhin diejenigen, in denen ein Krieg auf überzeugende Art endet oder abgewendet wird.)

Christian von Aster: Bromley. Ein metafiktionaler, äußerst amüsanter Agentenroman. Der Autor eines Thrillers wird entführt, und es liegt an der Hauptfigur Bromley, seinen Schöpfer zu retten. Ein aberwitziges Abenteuer zwischen den Zeilen und unter Fußnotenluken entspinnt sich.

Leigh Bardugo: Das Gold der Krähen. Dies ist die Fortsetzung von Das Lied der Krähen. Wo der erste Band vordergründig ein klassischer Heist war, haben wir es hier eher mit einem Fantasy-A-Team zu tun. Diesmal gilt es weniger, etwas zu stehlen, als die komplette Zunft der Grisha in Ketterdam und anderswo zu retten.

Duke Meyer: Küss die Hand, Gnä‘ Sau. Duke Meyer wirft einen ganz persönlichen Blick auf nordische und altgermanische Gottheiten. Seitdem schaue ich Sigyn anders an und Lokis Fesseln wäre wahrscheinlich ein bisschen anders verlaufen, wenn ich das Buch vorher gelesen hätte (aber anno 2019 war es noch nicht erhältlich).

Heike Schrapper: Der Prinz und sein Monster. Ein Märchen vom Loswerden. Liebevoll illustriertes Märchen von einem Prinzen, der plötzlich ein Monster auf seinem Rücken sitzen hat. Ob es sich hier um eine Parabel über Depressionen oder vielleicht chronische Schmerzerkrankungen oder etwas anderes handelt, mögen die geneigten Lesenden selbst entscheiden.

Holger Much und Florentine Joop: Und wenn wir nicht gestorben sind … (Bruderherz). Ein Mix aus Briefwechsel und gemeinsam verfasstem Märchen mit Illustrationen. Das Märchen ist das, was ich vermute, das Märchen ursprünglich mal waren: Gruselgeschichten für Erwachsene, in diesem Fall mit philosophischem Extra. Die umrahmenden Briefe geben dem Ganzen eine persönliche Note, mal nachdenklich, mal amüsant.

MaroHeft #8, Anna Lühmann und Anna Geselle: Know Your Enemies. Neue alte Rechte Denker. Die Autorin knöpft sich Vordenker der rechten Szene vor, während sich die Illustratorin mit unserem rechten Erbe aus Kolonial- und Nazizeit beschäftigt. Empfehlenswerter Einstieg ins Thema.

Hannah McCann: Queer Theory Now. Der Text liefert (auf Englisch) einen Schweinsgalopp durch die Queer Theory, von ihren Wurzeln in der feministischen, antirassistischen und Schwulen- und Lesben-Bewegungen zu dem, was heute so veröffentlicht wird. Dabei zeigt sie angenehm entspannt Zusammenhänge auf und spart auch die Fallstricke mancher Denkweisen nicht aus.

Germaine Paulus: Und die Moral. Ein Thriller. Der erste Band, Pfuhl, um den Ermittler Gerd Wegmann ist ein absichtlicher Schundroman. Und die Moral ist ein bisschen ernsthafter in seinem Blick auf die sexuellen Befindlichkeiten und dazugehörigen moralischen Urteile der Bundesdeutschen, und dazu noch sauspannend.

Benno Gammerl: Queer. Eine deutsche Geschichte vom Kaisserreich bis heute. Auch hier ein Schweinsgalopp, diesmal durch die deutsche Geschichte. Benno Gammerl zeigt langfristige Entwicklungen, Erfolge und Niederlagen der queeren Bewegung in Deutschland auf, hauptsächlich allerdings die der Schwulen- und Lesben-Community, da diese immer stärker im Fokus der Rechtssprechung standen. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine vollständige Betrachtung, aber es gibt auf jeden Fall was dazuzulernen – vor allem in Sachen: „Wie alt ist diese Rhetorik eigentlich?“

Dorothe Reimann: Mannaz – Die Sippe. Roman. Richtige „Fantasy“ ist die Geschichte noch nicht, ich würde es eher in den magischen Realismus oder gegebenenfalls nach Mystery einsortieren. — Eine alleinstehende Kunstschmiedin und ihre lernbehinderte Schwester müssen aus ihrer alten Bude raus und gründen mit ein paar anderen Gleichgesinnten eine Kommune. Dass es dabei ab und zu menschlich hakt, ist klar. Aber die frisch gegründete „Mannaz-Sippe“ scheint auch einen übersinnlichen Gegenspieler zu haben … Wie immer spannend, auch wenn Dorothe Reimanns reduzierter Stil für manche Fantasy-Fans wahrscheinlich etwas gewöhnungsbedürftig ist.

Christian von Aster: Harem der verschleierten Geschichten. Orientalisches oder orientalistisches Märchen? Eigentlich will ich ja alles vom Herrn von Aster gut finden. Zu meinem Zwiespalt gibt es einen eigenen Blogeintrag.

Tommy Krappweis: Mara und der Feuerbringer (alle drei Bände). All-age-Fantasy. Teenie Mara Lorbeer begegnet einem sprechenden Zweig: Sie sei eine Seherin und nur sie könne verhindern, dass Loki sich von seinen Fesseln losreißt und den Weltenbrand, Ragnarök, auslöst. Ein sehr amüsantes, schön recherchiertes und saumäßig spannendes Abenteuer.

Lisa Jaspers, Naomi Ryland und Silvie Horch (Hrsg.): Unlearn Patriarchy. Eine Aufsatzsammlung. Machthierarchien begegnen uns offensichtlich in Sprache, in Rassismen, in Behindertenfeindlichkeit, im Bildungssystem, beim Geld. Aber auch beim Sex und in der Familie, dem angeblich zuverlässigen Rückzugsort. Und wie kann ich Macht verlernen? Die einzelnen Texte werfen je einen Blick auf ein Thema, sind sich dabei nicht immer einig, geben immer Denkanstöße und brauchen auf jeden Fall einen Re-Read, sobald die erste Person damit durch ist, der ich den Band ausgeliehen habe.

Fabian Sommavilla: 55 kuriose Grenzen und 5 bescheuerte Nachbarn. Der Autor wirft einen Blick auf Grenzen und deren Historizität. Grenzen und ihre Verläufe sind das Produkt von Kriegen und Verträgen und keinesfalls eben „schon immer so gewesen“. Ein Sachbuch für Menschen, die Geographie mit der zugehörigen Historie mögen.