https://www.startnext.com/ace-up-my-sleeve-nachdreh
Es wird Geld gesammelt, um einen asexy Kurzfilm fertigzustellen.
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Vor einiger Zeit hatte also mehr als eine Person in meiner Facebook-Bubble ein Interview mit dem Linguisten Peter Eisenberg in der Berliner Zeitung geteilt. Peter Eisenberg steht dem Gendern sehr skeptisch gegenüber — angeblich verachten Menschen wie ich die deutsche Sprache, wenn sie ab und an ein Sternchen setzen oder über neue Wortformen und Grammatikdehnungen nachdenken und das dann auch noch ausprobieren.
In dem Interview sagt er aber etwas Hochinteressantes:
„Das Femininum bezeichnet bei Personenbezeichnungen Frauen, aber das Maskulinum hat die Möglichkeit einer sexusunabhängigen Verwendung. Wir brauchen so eine unmarkierte Kategorie unbedingt.“
Kein Widerspruch, dass unmarkierte Kategorien nützlich sind.
„(…) Jakobson hat die Markiertheitstheorie entwickelt und gezeigt, dass wir in natürlichen Sprachen keine gleichgeordneten Kategorien haben, sondern immer so etwas wie einen unspezifischen Hintergrund und ein Bild. Das Femininum ist das Bild, es ist markiert, es bezieht sich immer auf Frauen. Das Maskulinum bezieht sich dagegen nicht immer auf Männer. (…) Die Genderkolleginnen meiden die Markiertheitstheorie wie der Teufel das Weihwasser.“
Das sagt sich so leicht. Ich paraphrasiere: „Die sind doof, weil sie das generische Maskulinum damit verwechseln, dass etwas als männlich markiert ist!“
Da möchte ich wiedersprechen.
Der Witz ist ja: Wenn das nur die Sprache wäre? Geschenkt.
Aber Männer sind halt der gedankliche Maßstab für alles, und Frauen sind mitgemeint, bestenfalls. Und Menschen, die weder noch sind, kommen selten auch im Mitgemeinten vor.
Wer jedoch schon mal am falschen Ende von „Für eine Frau können Sie aber gut …“ gesessen hat (und noch an anderen falschen Enden), weiß, wie sich Markiertsein anfühlt: Ziemlich beschissen. Immer der Sonderfall, immer extra.
Ach, Sie brauchen einen Mülleimer in der Toilette? — Ich finde es ja so geil, wenn Frauen an ihren Autos mal was selbst reparieren. — Lächeln Sie mal für das Foto und halten Sie den Kopf ein bisschen schräg (damit sich die männliche Kundschaft nicht bedroht fühlt). — Wieso finden Sie meinen (sexistischen) Witz nicht lustig (– Frauen haben gefälligst verlegen zu kichern, wenn ich den Spruch bringe). — Die meisten FFP2-Masken sind für Männerhutgrößen standardisiert, als würden Frauen nie mit Staub arbeiten. — Die meisten erwachsenen Frauen haben Hormonschwankungen, also nehmen wir besser nur Männer für medizinische Studien und verallgemeinern dann. Bla bla bla.
Über Markierungen habe ich anhand von Julia Serano schon geschrieben.
Jedenfalls: Mit der Übung der Gendergerechten Sprache geht es auch darum, diese gedankliche Maßstab-Sonderfall-Dichotomie aufzubrechen. Zu fragen, warum ausgerechnet das grammatisch Männliche der Maßstab ist, und warum es keine echt neutrale Kategorie gibt.
Ob manche Versuche dann so sinnvoll sind, darüber lässt sich streiten. Machen Unterstriche oder Sternchen ein Spektrum auf oder vertiefen sie den Graben? Was ist mit neuen Endungen? Warum spielen wir Sternchen und Doppelpunkte gegeneinander aus? Etc. Auf dem Niveau bin ich bereit, zuzuhören. Und meine Meinungsbildung ist nur insoweit abgeschlossen, als ich Vorschriften diesbezüglich nicht gut finde, da nicht nur meine Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen ist. (Entsprechend finden sich in meinen Texten seit 2012 Unterstriche, Sternchen, Doppelpunkte, der Versuch, den they-Singular ins Deutsche zu übertragen, und allerlei mehr.)
Dass das Deutsche noch niemals nicht von der Politik beeinflusst wurde, ist auch eine Illusion. Ich verweise auf den Sprachpurismus, der uns beinahe den Meuchelpuffer statt der Pistole eingebracht hätte, und der uns die Fahrkarte statt des Billets bescherte.
Diskussionen auf diesem Level finde ich aber selten.
Zumeist beschränkt sich der Widerspruch auf Aufrege-Postings und nicht so lustige Satireversuche. Was wohl daran liegt, dass Männer sich auf einmal markiert fühlen und merken, wie grauenvoll das sein kann — und das selbst dann, wenn es nur auf der sprachlichen und nicht auf der gesellschaftlichen Ebene stattfindet.
Insofern: Gebt mir die völlige gesellschaftliche Gleichstellung aller Geschlechter, dann klappt’s auch mit dem generischen Maskulinum.
—
Edit: https://herzbruch.blogger.de/stories/2811061/ hat eine andere linguistische Sicht auf die Dinge und kommt zum Fazit: „Ignorieren zu wollen, dass große Gruppen der Bevölkerung sich benachteiligt oder eben genau nicht mitgemeint fühlen, ist ebenso keine Frage der Grammatik, sondern eine des schlechten Stils.“
Bildchen: Poetin von Pompeji via WikiCommons, CC0.