Schon wieder ein Jahr rum. Falls irgendwer das heute noch liest: Übersteht die Nacht gut und fangt 2018 gut an. Mögen euch viele gute Geschichten und vielleicht auch ein bisschen Weisheit begegnen.
Dieses Jahr habe ich notiert, was ich gelesen habe, das weder ein Sach- oder Fachtext noch Fanfiction war. (Letzteres hätte den Rahmen gesprengt.) Ich hätte mit weniger gerechnet, muss ich gestehen, aber so ist es im Schnitt alle zwei Wochen ein Roman.
Die Einteilung erfolgt nach der Wichtigkeit, die darin enthaltenen heterosexuellen Beziehungen zukommt. Ich bin sicher nicht die einzige nicht-heterosexuelle Person, die bitte gerne einfach mal in Ruhe lesen möchte, ohne dauernd die vermeintlichen Defizite vorgeführt zu bekommen.
Andere mögen auf der Suche nach ihnen fremden Stimmen, nach Neuem sein. Solche Suchende finden in allen Abteilungen Ideen.
Ob ich einen Text gut oder schlecht fand, ist davon völlig unabhängig, wie das geneigte Publikum gleich feststellen kann.
Eher heterolastig:
Elfendiener von Julia Fränkle – erotiklastige Romantasy. Die Romanze ist für mich unglaubwürdig, da es sich bei der Heldin um eine meine Nerven tötende Mary-Sue handelt. Weltenbau aber interessant.
Das tote Herz von Rainer Würth – Schnell und spannend erzählter Psychothriller, aber im Nachgeschmack irgendwie schal: „Organspende ist böse“, oder so.
Tod in Alepochori – Claudia Konrad – deutsch-griechischer Krimi, schnell und spannend, leider ohne richtige Auflösung.
Der blaue Himmel – Galsan Tschinag. Trotz/wegen seiner Abschweifungen hochinteressante und spannende Erzählung über einen Nomadenjungen in der Mongolei und dessen Hund. Endet leider etwas abrupt.
Die Rückkehr – Galsan Tschinag. Autobiographischer Roman, wieder voller interessanter Abschweifungen, schöne Sprache und diesmal auch mit richtigem Ende.
Träume aus Feuer – Maja Winter. Rache und Intrigen von nibelungemhaften Ausmaßen treffen auf einen hochinteressanten Weltenbau.
Zarin Saltan – Katherina Ushachov. Eine mir etwas zu kurz geratene, feministische Nacherzählung des russischen Märchens „Zar Saltan“. Die Bösewichtinnen könnten eine überzeugendere Motivation brauchen, ansonsten gut zu lesen.
Kriegsklingen – Joe Abercrombie. Eine Ansammlung von Ekelpaketen und Hoffnungslosen. Nicht, dass ich was gegen miese Charaktere hätte, aber diese Kerle fesseln meine Aufmerksamkeit nur bedingt. Nach 30% aufgegeben, weil mir ihr weiteres Schicksal völlig gleichgültig ist.
Henkersmarie – Astrid Fritz. Historischer Roman über eine Henkersfamilie um 1540. Das Endefinde ich ein wenig zuckrig, dafür gibt es hochinteressante Einblicke ins Leben und Denken der frühen Neuzeit.
Nicht so heterolastig:
Lippen abwischen und lächeln – Max Goldt – sporadisch zu lesende, sehr erfreuliche und genau beobachtete Miniaturen.
Nachtschatten: unantastbar – Juliane Seidel. Siehe Rezi. Insgesamt ein Lehrstück darüber, dass mensch keine Romanze einfügen sollte, wenn mensch sich damit unwohl fühlt.
Cynthia Silbersporn – Hexengeschichten für Erwachsense – Fred Keller. Nette Ideen, aber leider haben mir die Figuren zu wenig echte Schwierigkeiten.
The Three Body Problem (auch deutsch „Die Drei Sonnen“) – Liu Cixin – äußerst interessante und hochspannende Variation über „Was, wenn wir nicht allein sind?“, kann aber sein, dass diese chinesische Betrachtung der Menschheit manchen nicht schmeckt.
Existenz – David Brin. Fetter Science-Fiction-Wälzer. Extrem interessante und spannende Meditation darüber, was intelligentes/menschliches Leben ist. Nebenbei spinnt es sowohl den Klimawandel als auch das Internet gekonnt weiter.
The Stone Sky – N.K. Jemisin. Dritter Band der „Broken Earth“-Trilogie. Noch eine Ansammlung von Menschen, die selten nett zueiander sind, sich überwinden müssen, trotzdem mit Mitgefühl zu handeln, aber neben dem Weltenbau zum Niederknien weiß die Geschichte um Essun und ihre verlorene Tochter bis zum Ende Echos zu erzeugen und zu fesseln. Absolute Leseempfehlung, wie für alles von dieser Autorin.
Die Ersatzmuse – Fred Keller. (Der ortsnahe und mir liebe Kollege kauft auch alle meine Texte.) Der Autor schreibt sich noch warm, hat aber im Vergleich zu Cynthia oben schon einiges dazugelernt. Insgesamt geht’s in dieser Sammlung von Kurzgeschichten weniger um Spannung als um Feel-Good-Atmosphäre, was gut funktioniert.
Wodans Fluch – Stephan Grundy. Historische Fantasy/Nibelungenauskopplung über die Blutsbrüderschaft zwischen Hagan (also Hagen von Tronje) und dem fränkischen Prinzen Walthari. Schöne Sprache, überzeugende Recherche zur Spätantike und den Hunnen. Da es im Grunde ein Fanfic ist, verzeihe ich das zum Ende hin holprige Pacing und weiß die nicht gelöste sexuelle Spannung (=UST) zu schätzen.
A Darker Shade of Magic – V.E. Schwab. (Auch deutsch als „Die vier Farben der Magie“). Atemberaubendes Abenteuer zwischen vier Varianten von London (einmal viktorianisch, die anderen sehr anders), das durch Tempo, genaue Beobachtung und originellen Weltenbau besticht.
A Gathering of Shadows (Shades af Magic 2) – V.E. Schwab. Hier merkt eine dann, dass sich die Serie an „Young Adults“ wendet, also Menschen, die gerade erwachsen werden. Ich wollte dementsprechend die komplette Truppe manchmal schütteln, was aber der Unterhaltsamkeit und Spannung keinen Abbruch tat. Fieser Cliffhanger, weshalb ich gleich dranhängte:
A Conjuring of Light (Shades of Magic 3) – V.E. Schwab. Und wir stürzen nach dem Cliffhanger in wörtlich zu nehmende Dunkelheit. Nur zu zwei Dritteln geschafft, bevor dieses Posting zu erledigen war.
Eher verqueer:
Aneiryn von Jona Dreyer – schwule historische Fantasy. Ich kann mit den Figuren nicht genug anfangen, um die Serie weiterlesen zu wollen, qualitativ ist der Text aber völlig in Ordnung. Die Autorin umschifft elegant alle Fallen, die das Arrangierte-Heirat-Trope so mit sich bringt.
Blank Spaces von Cass Lennox – Ein nettes englischsprachiges Häppchen, ace/gay romance, fühlt sich sehr wahr an.
Der Fluch der Herzkönigin – Serena C. Evans – Eine lesbische Variation über Alice im Wunderland. Herzig und originell.
Meine Mutter, sein Exmann und ich – T.A. Wegberg – Ein mir leider etwas zu kurz geratenes Jugendbuch zum Thema „mein einer Elternteil ist trans*. Hilfe!“
Die Akte Daniel – She S. Rutan & Neko Hoshina – Habe ich nicht beendet, denn weder die Figuren noch die unterliegende Weltverschwörung sprechen mich an.
Eine Ahnung von Pan – Jobst Mahrenholz – seufz. Gay Contemporary/Romance. Zarte, zögerliche Annäherung von zwei Männern mit vielen Ecken und Kanten.
Anderswelt – Berlingtons Geisterjäger 1 – Amalia Zeichnerin. Sympathisches Ensemble in einer interessanten steampunkig-fantastischen Welt. Die Autorin schreibt sich offensichtlich noch warm, weshalb weder Stil noch Zeichensetzung durch besondere Eleganz bestechen.