Pandemie-Erinnerungen

Oder: Kleine Zeitreise vor die Blogkarriere

Erinnert sich noch wer, dass 2009 schon mal Pandemie war? Schweinegrippe, neues H1N1.

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2009 war keine Reisebeschränkung. Ich und andere Touris bei Regenwetter vor Chicagos Cloud Gate — ein Tor zu den Wolken, an dem Tag mehr als anderen.

Ende Juni 2009 war ich in Chicago. Und wen in Toledo, Ohio, besuchen. Weil der zweite Transformers-Film anlief, und wir zwei Irren beschlossen hatten, am ersten Wochenende gemeinsam ins Kino zu gehen.

Die Freundschaft mit kaydeeblu hat sich mittlerweile verlaufen.

Ich hatte wegen der besorgten Verwandtschaft Tamiflu mitgenommen und nicht gebraucht. Es war dann abgelaufen und entsorgt, bevor ich es anno 2015 gebraucht hätte. (Damals kam ich gar nicht auf die Idee, dass ich das ja nehmen könnte. Ob ich es mit dem Medikament vielleicht doch zur Messe geschafft hätte? Ohne die Bronchitis hinterher?)

Von der ganzen Eierei um die 2009er Grippe-Pandemie war nur in den Kommentaren der Leute hierzulande was zu spüren. Masken und so gab es weder hier wie dort.

Ich habe mich dann im Herbst 2009 mit Pandemrix impfen lassen. Der Arm tat kaum weh, dafür hatte ich etwa 24 Stunden lang etwas wie einen Schwips: leichter Kopf und beim Treppensteigen etwas Schwindel. Bloß ohne das nette Rauschgefühl vom Alkohol dazu.

Ich war trotzdem zehn Stunden damit arbeiten.

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Und Chicago ohne Regenwetter. Downtown hat teilweise sehr hübsche Architektur zu bieten, wenn eins Wolkenkratzern nicht abgeneigt ist.

Ach so: Das hier ist keine Verteidigung oder Verurteilung von Maßnahmen. Dass die 2009er-Influenza recht milde verlaufen sollte, wusste ich bereits, als ich in den Flieger stieg. Menschen mit meinem Jahrgang, die ohne ersichtlichen Grund nach zwei Tagen mit 43°C nicht senkbarem Fieber verstarben, gab es da nicht, und H1N1 hat auch nicht einen der bekanntesten evangelischen Pfarrer meiner Stadt ins Grab gebracht.

Vorankündigung: Expedition Unsichtbar

Expedition Unsichtbar …

Eine Erkundungstour in die Welt des asexuellen Spektrums.

dr dewinter in heroischer pose

In erster Linie ist diese Tour gedacht für die unsichtbaren Menschen aus dem asexuellen Spektrum, die dringend etwas brauchen, um vorzuführen, dass das kein Internethype ist. (…) Ihr seid nicht allein.

Einige interessieren sich vielleicht auch dafür, warum manche Dinge so sind, wie sie sind. Viele Neulinge wissen nicht mehr, woher die Flagge und verschiedene Begriffe kommen, oder warum manche alten Häsinnen bestimmte Ermahnungen wiederholen.

Dieses Buch ist für allosexuelle Menschen – solche, die nicht zum asexuellen Spektrum gehören. Einige von Ihnen haben Angehörige oder Lieblingsmenschen aus dem asexuellen Spektrum, und Sie interessieren sich für deren Lebensrealitäten. Sie sind mit Ihren Fragen, Bedenken und Sorgen ebenfalls nicht allein.

Dieses Buch ist für Menschen, die in der Aufklärungsarbeit und Sichtbarmachung aktiv sind, Menschen, die lieber ein Buch lesen, statt hundert Internetadressen zu wälzen. Abgesehen davon lassen sich Bücher einfach besser zitieren.

Es ist für Menschen, die im Berufsalltag mit Asexualität zu tun haben: Für andere Schreibende als Recherchewerkzeug, für Menschen in der Psychotherapie und anderen Heilberufen als Handreichung für das Basiswissen.

Und zuletzt freue ich mich über alle, die das Buch einfach so lesen, weil sie Interesse am Thema haben.

Ab dem 28.06.2020 im Buchhandel, wenn alles so klappt wie geplant.

Warum kräht die Frau Autorin nicht früher? Bücher schreiben kostet Zeit, ich habe jetzt gewiss nicht dieses Frühjahr 200 Seiten aus dem Ärmel geschüttelt.

Grund: der Aberglaube, dass eins sich nicht zu früh freuen soll. Und ein wenig Skepsis.

Es ist schon eine gute Weile her, da zerbrachen sich der wunderbare T. A. Wegberg und ich den Kopf, welcher Verlag denn eine Übersetzung von „The Invisible Orientation“ machen könnte.

Es nutzte nichts, niemand wollte. „Kein Markt.“ Und eine Übersetzung ist teuer.

Also überlegte ich, dass es billiger ist, was Einheimisches zu verlegen, und fing an zu schreiben. Außerdem war „The Invisible Orientation“ schon ein paar Jahre alt, es hatte sich viel getan seitdem.

Das war im Herbst 2018.  Im Frühsommer 2019 bat ich einige nette Menschen um Rückmeldungen, und dann suchte ich einen Verlag, fand nach einigen Absagen einen …

… Und dann kam der Lockdown. Alles war schon wieder unsicher.

Aber jetzt gibt es einen Termin, und ich bin super gespannt auf das Cover, das ich auch noch nicht kenne.

Hibbel!

Hier sind die wichtigsten Infos bei Marta Press, die übrigens kaum Wünsche offen lassen, wenn es um feministischen und antifaschistische Diskurse und gesellschaftskritische Themen geht.

 

 

 

Maske und Paranoia

(Kontroverse Meinungen ahoi.)

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Wiederverwendbare Maskensammlung. Mamas Selbstgenähte, eine zugekaufte, Edda-inspiriertes Kunsprojekt und Tentakelbart.

Jetzt ist also seit dem 27.04. Maskenpflicht bzw. Mund-Nase-Bedeckungspflicht für (fast alle) in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften.Witzigerweise hatte das RKI zunächst ja verkündet, das sei nicht nötig.

Ich war seitdem an fünf Tagen auf Arbeit.

Teil 1: Maskenbesserwissen

Habe ich mich dadurch im Bus oder in der Apotheke als Personal sicherer gefühlt?

Nicht die Bohne.

Warum?

Da unser Plexiglas-Spuckschutz nicht an den Seiten geschlossen ist, hat die Chefin uns als Personal schon vor zwei Wochen dank ausreichend besorgtem Material Masken verordnet. Das ist an sich eine sinnvolle Sache. Wir hängen ja länger als 15 Minuten am Tag aufeinander und sprechen von Berufs wegen sehr viel. Wenn mit Masken die Quarantäne-Wahrscheinlichkeit verringert ist: Yay!

Auch wenn ich nach einem normalen Arbeitstag mit FFP2 schwere Beine habe wie sonst nur ohne Stützstrümpfe im Hochsommer. Offenbar kommt da unten nicht genug Sauerstoff an?

Ist jedoch verschmerzbar, da ich Teilzeit arbeite.

Dann gucke ich mir an, was die Leute mit den Masken machen. Mit bestenfalls lasch desinfizierten Händen Maske hoch und Maske runter, zwei-, drei-, fünfmal im Gespräch mit mir oder der Bekannten im Bus, nicht über der Nase getragen. Falschrum getragen mit dem Nasenbügel unter dem Kinn.

Häufig mehr Rumgefummel im Gesicht als ohne. Und bewahre, dass das Outfit deswegen praktischer gestaltet wird. Die Frau Apothekerin hier verzichtet schon seit Wochen zwangsweise auf Ringe, Halsketten und größere Ohrgehänge und steckt ihre Haare weg. Eben um das Rumgefummel zu minimieren.

Und trotzdem beschlägt die Brille … (was sie nicht sollte, aber hundert Prozent dicht ist halt was anderes, auch bei FFP2).

Von den Leuten, die so was gar nicht tragen können, weil Asthma usw., reden wir jetzt erst mal nicht, und dann gibt es noch Leute, die verstehen mich nicht mehr, selbst wenn ich hinter der Maske laut spreche. Weil sie schwerhörig sind und ihnen meine Mimik fehlt. Oder ich verstehe die nicht, weil Maske und Stottern oder Heiserkeit ist, sagen wir mal, eher kontraproduktiv.

Um bei uns den Verbrauch zu minimieren, werden die Masken personalisiert und dann laut Politik-Empfehlung in den Trockenschrank getan. (Apotheken haben so was im Labor, im Gegensatz zu Krankenhäusern.) Dreimal kann man sie laut dieser Angabe so behandeln, danach ist Schluss.

Diese Empfehlung geben wir auch an die Kundschaft weiter. Deren Öfen sind aber keine fein justierbaren Trockenschränke und haben ihre Hitzequelle nicht grundsätzlich hinter einer Abschirmung. Da schmelzen die schnell und günstig produzierten Teile auch schon mal an.

Und nun kamen das BfArM  und das ZDF und sagen, dass die Empfehlung mit 70 Grad Celsius für 30 Minuten nicht ausreicht. 90 Grad und 90 Minuten oder gleich in den Autoklaven/Heißdampf? Ob das billige Gummizeug bei Wegwerfartikeln das aushält? (Wenn die Gummis nicht gleich abbrechen.) Die von der Frau Mama selbstgenähte Option habe ich bislang drei Mal ausgekocht (also je 10 Minuten Heißdampf), und selbst diese auf häufige Wäschen ausgelegten Gummibänder für die Ohren sind nicht begeistert.

Das mit der Abstandsregel ist mit und ohne Maske eine Sache des Münzwurfs. In der Apotheke ist aber wenigstens immer wer mit offiziellem Aussehen (weißer Kittel!) da, die die Kundschaft höflich, aber bestimmt an den Sicherheitsabstand erinnern können. Bei üblicherweise mit Sonderangeboten und Extras zugebauten und ohnehin selten mehr als 1,50 Meter breiten Supermarktgängen ist das selbst mit gutem Willen und Wagenpflicht schwierig. Und wen zum Aufpassen gibt es sowieso nicht.

(Die Security vor dem dm Drogeriemarkt war nach einer Woche schon wieder verschwunden. In der Innenstadt führt das dann schon mal zu kichernden Gruppen gelangweilter weiblicher Teenager in den Kosmetikgängen.)

(Der Busdienst wurde bei uns zeitweise auf Samstagsniveau reduziert. Jetzt ist Maskenpflicht und Läden offen, jetzt fahren sie endlich wieder alle, bis auf die Schulbusse. Abstand ist zumindest abends einfacher.)

Also, mir ist Abstandhalten lieber als Maskenpflicht, zumal vor allem (häufig schlecht sitzende) Mehrwegteile bei Leuten ohne Grundkurs in Basis-Maskenhygiene (die ist komplizierter, als eine meinen sollte, laut RKI) meiner Meinung nach nix verloren haben.

Die Einmalteile brauchen Kliniken, Praxen, Pflegedienste. Und Leute, die hustend, niesend und/oder rotzend vor die Tür gehen (müssen).

Um den Noordlander zu bemühen: Ja, wenn wer eine geschlossene Hose trägt und lospinkelt, kriegen andere keine nassen Beine. Wenn die Person nicht pinkelt, kann es mir aber egal sein, ob sie Hose trägt.

Gespräche bei mir in der Apotheke dauern normalerweise unter fünf Minuten (mit Plexiglas), im Supermarkt kürzer (also zwei bis drei Sätze), warum um aller Welt soll ich da eine Maske tragen, wenn ich den Rest der Zeit symptomfrei atme?

(Apropos: Können wir die Fern-Arbeitsunfähigkeits-Erstellung bei Erkältungen behalten?)

Mir wäre es lieber, wir hätten eine auf Dauer andere Erkältungsetikette. Schniefnasen und die obligatorischen (Theater-)Hustenden hinter geeignete Masken, Homeoffice-Lösungen für arbeitsfähige Schniefnasen, damit sie die Viren nicht in den Öffis und im Geschäft streuen, und … ?

Aber es sieht jetzt halt aus, als würde was getan, nicht wahr? Wir erinnern die Leute daran, dass Ausnahmesituation ist.

Und insofern haben diese von symptomfreien Menschen zwangsweise getragenen Masken und Behelfsspuckefilter für mich gefühlt hauptsächlich eine politische Funktion.

Teil 2: Politik und Denunziantentum

Schon vor der Maskenverordnung gab es ja Menschen, die wegen des Coronavirus in anderen vor allem eine Bedrohung für ihr eigenes oder ein fremdes Leben gesehen haben. (Wie, du fährst mit dem Bus auf Arbeit? Hast du keine Angst um … ?)

Jede Handlung erhielt auf einmal einen moralischen Wert. Garantiert habe ich hier auch wieder Reaktionen auf meine Maskenmeinung, dass das ja total verantwortungslos sei und ich wollte, dass meine Oma stirbt, einself!! (Meine Omas sind seit 51 bzw. 22 Jahren tot, vielen Dank.)

Viele Handlungen haben zwar an sich schon einen moralischen Wert, vor allem in Zeiten des Klimawandels, aber da ist es ja so, dass das zur Not geflissentlich ignoriert werden konnte, zumal die eigene Blase ja ähnlich gestrickt war. Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Person, die auf ihren neuen Marken-Hausfrauenpanzer/SUV stolz ist, in meine Facebooktimeline spült, ist relativ gering. Genauso kenne ich wenig Personen, die auf Kreuzfahrt gehen.

Nun habe ich in meiner Blase aber Menschen, die eine allgemeine Maskenpflicht das beste seit geschnitten Brot finden und mich wahrscheinlich nach diesem Posting kloppen, egal wie begründet meine Fragen sind. Dazu kommen Leute, die Masken prinzipiell immer kacke finden und solche, die das halt mitmachen, aber sich mehr als ich um ihre Freiheitsrechte sorgen und …

Vor Corona-Lockdown kam ich mit dieser gemischten Truppe erstaunlich gut aus.

Ich habe mich entschlossen, nur Leute zu entfreunden, die echten Bockmist verzapfen und sich nicht einfach um grundverschiedene Dinge sorgen. Bislang habe ich dieses Instrument noch nicht benutzen müssen.

Und das ist nur die Onlineblase.

Live muss ich zwischen „Ähhh, die trägt aber keine Maske!!! Polizei!! Wieso sagen Sie nichts, Fräulein?!“ (aber gern auch mit schlecht schließender Selbstgenähter) und „Ich habe einen Herzfehler, ich kriege keine Luft“ vermitteln.

Ich muss nunmehr von Berufs wegen alle misstrauisch beäugen, die in den Laden stolpern, und nicht nur die rausfiltern, die Rezepte gefälscht haben/ihr Codein  vermutlich weiterverkaufen/ihre Versicherung betrügen wollen/etc.

Ich mag aber nicht jeder Person, die sich (mal) schlampig an die Regeln oder mit guten Gründen nicht an die Regeln hält, unterstellen, dass sie ein völlig verantwortungsloses Arschloch ist, das meine Oma bzw. anderer Leute Omas und Vorerkrankte umbringen wird.

Ich mag dieses Kontrolldenken nicht. Ich mag nicht, was diese ständige Ermahnerei und dieses Misstrauen mit meinem Hirn machen, und ich mag es nicht, wie es selbsternannte Blockwarte bestärkt, die zwar Menschengruppen auf der Straße melden, aber garantiert niemals das misshandelte Kind aus der Wohnung gegenüber.