Es war 2014, als ich über eine ziemlich geile Idee stolperte, die Hagen Ulrich, Autor von Vampirromanen, hatte. Wenn in Deutschland alles verwaltet wird, muss es auch Vorschriften für magische Wesen geben. Und ein Amt, das sich um alles kümmert. Also, das Bundesamt für magische Wesen: Platz für gehobenen Nonsens und Satire.
Nicht nur ich fand die Idee anfangs sehr klasse, es entstanden bis 2016 zwei kleine Anthologien, ich schrieb einige Blogbeiträge für die zugehörige Internetseite. Ich half einmal beim Verkaufsstand bei der RingCon und beim CSD Köln aus.
Finanziell gelohnt hat sich das nie, aber ich hatte, als so langsam die Begeisterung in der restlichen Fantasy-Schreib-Szene nachließ und ein Verlag gegründet wurde, ein paar Aufträge für Lektorate.
Aber gleichzeitig fing es an zu knirschen.
Strike 1: Sprachverbote?
Da lieferte sich der Amtsleiter auf Twitter ein Gefecht mit mir lieben Kolleginnen ums Thema rassistische Ausdrücke. Nun bin ich grundsätzlich dagegen, irgendwelche Wörter zu verbieten und weiß durchaus, was Rollenprosa ist. Aber im Alltag tut es echt nicht weh, „Schokokuss“ oder „Schaumkuss“ zu sagen statt rassistische Ausdrücke zu reproduzieren, wenn es nicht absolut nötig ist. Ich kann mich noch lebhaft dran erinnern, dass ich mich als etwa Zwölfjährige über die geänderte Aufschrift auf einer Süßkram-Box wunderte, woraufhin mir meine Mutter erklärte, dass das M-Wort halt in dem Fall eine Beleidigung sei und dass man das nicht mehr sagen sollte. Und damit war die Sache bzw. der Schokokuss für mich gegessen. Damit will ich nicht behaupten, ich hätte keinen Rassismus verinnerlicht, aber zumindest in dem Fall hat’s gewirkt und ich vermisse im Alltag auch nichts.
Ich muss keinesfalls, um mich gegen ein vermeintliches Sprachverbot zu wehren, diverse rassistische Ausdrücke in meine Twitter-Timeline werfen, wie es der Amtsleiter tat. Da sehe ich dann keine Satire mehr, das ist, bestenfalls, Trotz.
Strike 2: Die TERF-Diskussion
Mit einer unreflektierten Verteidigung von J. K. Rowling ging es weiter. Wieder erst mal bei Twitter. Eine geschätzte Kollegin teilte irgendwas über Rowlings Trans-Feindlichkeit, die Amtsleitung widersprach, dass Rowling keineswegs transfeindlich sein, ohne sich um die Fakten zu kümmern. Im Grunde habe ich die Zerlegung ihrer angeblich nicht transfeindlichen Streitschrift nur geschrieben, damit alle (inklusive Amtsleitung) blicken, dass das Traktat transfeindlich ist. Ob das gelungen ist, bleibt dahingestellt. Ich wage es zu bezweifeln.
Strike 3: Sind Content Notes einfach nur Mimimi?
Ich muss gestehen, ich mag Content Notes. Ich lese viel Fanfiction, und sehr gern bei AO3, da dort ausführlich getaggt wird. Ob es um Beziehungskisten oder verschiedene Arten von Gewalt oder anderen Probleme geht: Es gibt halt einfach Tage, an denen ich keinen Bock auf Thema Wasauchimmer habe, und dann kann ich den Text wann anders lesen oder ihn fürderhin gepflegt ignorieren. Ich selbst weiche beispielsweise sehr viel heterosexuellem und heteronormativem Content aus, weil ich das im echten Leben schon genug habe.
Ich kann also verstehen, dass das Menschen auch in Büchern schätzen. Zumal es bei mir „kein Bock auf“ ist und andere vielleicht, sagen wir, tatsächlich schwierige Alkoholiker*innen in der Familie haben und dann nicht unbedingt aus dem toten Winkel mit Alkoholismus konfrontiert werden wollen. Das Leben ist ohnehin schon mies genug. Es ist meiner Meinung nach okay, wenn sich Menschen ihre Freizeitbeschäftigung kuratieren möchten und ebenfalls für sie anstrengenden Themen lieber ausweichen.
Sich dann darüber lustig zu machen, dass manche Leute Content Notes schreiben oder ebensolche ihren Romanen voranstellen und die „Generation Mimimi“ das auch noch gut findet oder gar darum bittet — das finde ich schlechten Stil. Oder vielleicht ist es Neid, weil es das früher nicht gab? (Manchmal hätte ich das als Teenie wohl brauchen können.)
Jedenfalls finde ich diese Art von Spott weniger Satire, als sich Applaus von Rechts einzusammeln, indem auf einer Praxis rumgehackt wird, die a) nicht verpflichtend ist und b) in modern-linker Manier die Zugänglichkeit zu Texten verbessern möchte.
Ähnlich läuft das für mich mit dem Gendern. Tu es oder lass es bleiben, aber wenn du Applaus dafür möchtest, dass du es Scheiße findest: Dann kriegst du kein Geld von mir, wenn ich es vermeiden kann.
Fazit
Die rechte Rhetorik hat da wohl verfangen, wenn sich die Amtsleitung von irgendeiner Sprachpolizei verfolgt fühlt? Alternativ könnte ich als Begründung für das völlig unaltersgemäße Trotzverhalten Neid auf die (jungen) Kolleginnen vermuten, bei dem ein nicht unerhebliches Maß Misogynie mitspielen dürfte.
Jedenfalls gehöre ich nicht mehr zu so einem Amt.
Bildquelle: User:KMJ, CC BY-SA 3.0 http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/, via Wikimedia Commons