Jahresabschluss / Gelesen 2023

Dafür, dass ich hier wenig gepostet habe, bin ich ganz gut zu Veranstaltungen rumgekommen in 2023. Während es kein Schreibjahr in dem Sinne war, schaue ich doch recht zufrieden auf die politischen Aktivitäten zurück und all die Menschen, die ich dadurch kennenlernen durfte.

Und ich weiß, dass meine links/liberal/grün/woken Bubbles mit einem zuversichtlichen und einem besorgten Auge nach vorn blicken.

Privat war auch in bisschen Nerverei.

Und ich selbst hatte mit insgesamt fünf Infekten, davon einmal Corona und einmal wahrscheinlich Grippe, zu kämpfen, was die Promo für meine einzige Neuerscheinung, nämlich das zweite Beweisstück, sehr beeinträchtigte. Zumal das mitherausgebende Tenna zu dem Punkt ebenfalls aus anderen Gründen indisponiert war. (Da weiter gute Besserung den restlichen Zipperlein, mein Liebes.)

Meine Frau Mama allerdings hatte es geschafft, sich dieses Jahr einen Posteriorinfarkt (einen Schlaganfall) zuzulegen, was ihre Sehkraft zunächst massiv beeinträchtigte. Sie durfte einige Monate nicht Auto fahren, weshalb ich gelegentlich Taxi spielte. Ich weiß jetzt, dass ich den zu spät erkannten Risikofaktor geerbt habe. So die Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahrzehnten noch einigermaßen funktiniert, werde ich wohl relativ früh relativ hohe Dosen Cholesterinsenker brauchen.

Nu ja. Aber immerhin sind sie, bis auf eine zu beerdigende Katze (nicht meine), alle noch da.

Damit wünsche ich allen einen guten Jahresanfang 2024.

Und nun zur klassischen Leseliste, die dieses Jahr eher kurz ausfiel, da ich noch mehr Fanfiction gesuchtet habe als üblich. Was mit dem besorgten Auge von oben zu tun haben dürfte. (Die besten Transformers-Fanfics sind immerhin diejenigen, in denen ein Krieg auf überzeugende Art endet oder abgewendet wird.)

Christian von Aster: Bromley. Ein metafiktionaler, äußerst amüsanter Agentenroman. Der Autor eines Thrillers wird entführt, und es liegt an der Hauptfigur Bromley, seinen Schöpfer zu retten. Ein aberwitziges Abenteuer zwischen den Zeilen und unter Fußnotenluken entspinnt sich.

Leigh Bardugo: Das Gold der Krähen. Dies ist die Fortsetzung von Das Lied der Krähen. Wo der erste Band vordergründig ein klassischer Heist war, haben wir es hier eher mit einem Fantasy-A-Team zu tun. Diesmal gilt es weniger, etwas zu stehlen, als die komplette Zunft der Grisha in Ketterdam und anderswo zu retten.

Duke Meyer: Küss die Hand, Gnä‘ Sau. Duke Meyer wirft einen ganz persönlichen Blick auf nordische und altgermanische Gottheiten. Seitdem schaue ich Sigyn anders an und Lokis Fesseln wäre wahrscheinlich ein bisschen anders verlaufen, wenn ich das Buch vorher gelesen hätte (aber anno 2019 war es noch nicht erhältlich).

Heike Schrapper: Der Prinz und sein Monster. Ein Märchen vom Loswerden. Liebevoll illustriertes Märchen von einem Prinzen, der plötzlich ein Monster auf seinem Rücken sitzen hat. Ob es sich hier um eine Parabel über Depressionen oder vielleicht chronische Schmerzerkrankungen oder etwas anderes handelt, mögen die geneigten Lesenden selbst entscheiden.

Holger Much und Florentine Joop: Und wenn wir nicht gestorben sind … (Bruderherz). Ein Mix aus Briefwechsel und gemeinsam verfasstem Märchen mit Illustrationen. Das Märchen ist das, was ich vermute, das Märchen ursprünglich mal waren: Gruselgeschichten für Erwachsene, in diesem Fall mit philosophischem Extra. Die umrahmenden Briefe geben dem Ganzen eine persönliche Note, mal nachdenklich, mal amüsant.

MaroHeft #8, Anna Lühmann und Anna Geselle: Know Your Enemies. Neue alte Rechte Denker. Die Autorin knöpft sich Vordenker der rechten Szene vor, während sich die Illustratorin mit unserem rechten Erbe aus Kolonial- und Nazizeit beschäftigt. Empfehlenswerter Einstieg ins Thema.

Hannah McCann: Queer Theory Now. Der Text liefert (auf Englisch) einen Schweinsgalopp durch die Queer Theory, von ihren Wurzeln in der feministischen, antirassistischen und Schwulen- und Lesben-Bewegungen zu dem, was heute so veröffentlicht wird. Dabei zeigt sie angenehm entspannt Zusammenhänge auf und spart auch die Fallstricke mancher Denkweisen nicht aus.

Germaine Paulus: Und die Moral. Ein Thriller. Der erste Band, Pfuhl, um den Ermittler Gerd Wegmann ist ein absichtlicher Schundroman. Und die Moral ist ein bisschen ernsthafter in seinem Blick auf die sexuellen Befindlichkeiten und dazugehörigen moralischen Urteile der Bundesdeutschen, und dazu noch sauspannend.

Benno Gammerl: Queer. Eine deutsche Geschichte vom Kaisserreich bis heute. Auch hier ein Schweinsgalopp, diesmal durch die deutsche Geschichte. Benno Gammerl zeigt langfristige Entwicklungen, Erfolge und Niederlagen der queeren Bewegung in Deutschland auf, hauptsächlich allerdings die der Schwulen- und Lesben-Community, da diese immer stärker im Fokus der Rechtssprechung standen. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine vollständige Betrachtung, aber es gibt auf jeden Fall was dazuzulernen – vor allem in Sachen: „Wie alt ist diese Rhetorik eigentlich?“

Dorothe Reimann: Mannaz – Die Sippe. Roman. Richtige „Fantasy“ ist die Geschichte noch nicht, ich würde es eher in den magischen Realismus oder gegebenenfalls nach Mystery einsortieren. — Eine alleinstehende Kunstschmiedin und ihre lernbehinderte Schwester müssen aus ihrer alten Bude raus und gründen mit ein paar anderen Gleichgesinnten eine Kommune. Dass es dabei ab und zu menschlich hakt, ist klar. Aber die frisch gegründete „Mannaz-Sippe“ scheint auch einen übersinnlichen Gegenspieler zu haben … Wie immer spannend, auch wenn Dorothe Reimanns reduzierter Stil für manche Fantasy-Fans wahrscheinlich etwas gewöhnungsbedürftig ist.

Christian von Aster: Harem der verschleierten Geschichten. Orientalisches oder orientalistisches Märchen? Eigentlich will ich ja alles vom Herrn von Aster gut finden. Zu meinem Zwiespalt gibt es einen eigenen Blogeintrag.

Tommy Krappweis: Mara und der Feuerbringer (alle drei Bände). All-age-Fantasy. Teenie Mara Lorbeer begegnet einem sprechenden Zweig: Sie sei eine Seherin und nur sie könne verhindern, dass Loki sich von seinen Fesseln losreißt und den Weltenbrand, Ragnarök, auslöst. Ein sehr amüsantes, schön recherchiertes und saumäßig spannendes Abenteuer.

Lisa Jaspers, Naomi Ryland und Silvie Horch (Hrsg.): Unlearn Patriarchy. Eine Aufsatzsammlung. Machthierarchien begegnen uns offensichtlich in Sprache, in Rassismen, in Behindertenfeindlichkeit, im Bildungssystem, beim Geld. Aber auch beim Sex und in der Familie, dem angeblich zuverlässigen Rückzugsort. Und wie kann ich Macht verlernen? Die einzelnen Texte werfen je einen Blick auf ein Thema, sind sich dabei nicht immer einig, geben immer Denkanstöße und brauchen auf jeden Fall einen Re-Read, sobald die erste Person damit durch ist, der ich den Band ausgeliehen habe.

Fabian Sommavilla: 55 kuriose Grenzen und 5 bescheuerte Nachbarn. Der Autor wirft einen Blick auf Grenzen und deren Historizität. Grenzen und ihre Verläufe sind das Produkt von Kriegen und Verträgen und keinesfalls eben „schon immer so gewesen“. Ein Sachbuch für Menschen, die Geographie mit der zugehörigen Historie mögen.

Gelesen 2022

So. Wieder ein Jahr rum. Vom Blog aus gesehen nicht sehr bewegt, aber trotzdem hat es sich verhältnismäßig lang angefühlt: Ich hatte dann doch einen Haufen neue Sachen getan, was für Menschen über 40 offenbar eine Seltenheit darstellt.

Eins davon war, ein Essay zu schreiben. Damit ich ungefähr wusste, was „Essay & Illustration“ bedeutet, bekam ich vom Verlag die ersten sechs MaroHefte geschenkt. Die lesen sich am Stück innerhalb eines Tages weg, halten aber inhaltlich teils lang vor.

MaroHeft #1: Jörn Schulz und Marcus Gruber: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe das erste Quinoabällchen. Warum nachhaltiger Konsum das Klima nicht rettet. — Was draufsteht. Ohne Politik hilft nun mal auch kein persönlicher Flug- & Fleischverzicht.

MaroHeft #2: Oliwia Hälterlein und Aisha Franz: Das Jungfernhäutchen gibt es nicht. — Mein Biologiebuch, und sicher nicht nur meins, hat doch auf einigen Ebenen gelogen. Oder: Wie Sie mit Pseudowissenschaft Macht über Menschen ausüben.

MaroHeft #3: Felix Bork: Aus den Ärschen, aus dem Sinn. Eine Odyssee durch Körper, Klo, Kanalisation, Kläranlage und Wolken. — Auf eine unterhaltsame Art sehr lehhrreich.

MaroHeft #4: Peter Bierl und Katharina Kulenkampff: Die Legende von den Strippenziehern. Verschwörungsdenken im Zeitalter des Wassermanns. — Okay, ich habe gelegentlich Kundschaft, die unabhängig aller physikalischen Wahrheiten ihre Homöopathie und Biochemie auspendelt. Da wundert’s dich dann auch nicht, dass solche Leute glauben, Coronaviren wegtrommeln zu können. Mittlerweile hat es unsere hiesige wöchentliche Nazi-Demo dank Reichsbürgern zu weiteren unrühmlichen Schlagzeilen gebracht. Auch kein Wunder. Kreuzverweis an die Talk-Reihe „Ferngespräch“ von Tommy Krappweis und dem Hoaxilla-Podcast.

MaroHeft #5: Bettina Fellmann und Rebekka Weihofen: Zur Verteidigung der Traurigkeit. — Das sperrigste Heft dieser Auswahl: Viele sozialwissenschaftliche und philosophische Anspielungen, die über meinen Kopf hinweggingen, was angesichts des wichtigen Themas doch etwas traurig macht. Wie viel „Depressionen“ sind durch gesellschaftliche Zumutungen hergestellt? Brauchen wir Pillen, weil Trauer nicht verwertbar ist?

MaroHeft #6: Jahn/Schindler/Taleqani u. a. und Riikka Laakso: Talking ‚bout Your Generation: Wie die Welt den Bach runtergeht und dabei das Meer überläuft. — Kurze Beobachtungen zu Kapitalismus und Umweltschutz. Ich hätte, glaube ich, dazu lieber einen zusammenhängenden Text gehabt.

Audre Lorde: Sister Outsider. Essays. Audre Lorde machte sich über Rassismus in der feministischen Bewegung ihrer Zeit genauso Gedanken wie über Sexismus in antirassistischen Communities. Sie stellt sich Fragen darüber, welchen Nutzen Schweigen hat und warum Menschen innerhalb einer Bewegung oft ungerecht zueinander sind. Da alle Texte vor 1992 entstanden, hatte Audre Lorde trans Personen nicht auf dem Schirm. Dennoch könnten sich moderne Internetdebatten von ihrer Scharfsichtigkeit gern eine Scheibe abschneiden. An den unterliegenden, allgemein menschlichen Problemen hat sich nämlich nicht viel geändert. Zum Zweitlesen vorgemerkt.

Hanne Blank: Straight. The Surprisingly Short History of Heterosexuality. Zu Recherchezwecken ein zweites Mal gelesen und wieder ein paar neue Sachen entdeckt. Hanne Blank zeigt in ihrem kurzweilig erzählten Sachbuch auf, wie der Begriff „heterosexuell“ in die Welt kam, und wie sich die Konzeption von dem, was ein „normales Paar“ ist, seit dem 16. Jahrhundert geändert hat. Wobei mensch hinterher hoffentlich gelernt hat, dass „Normalität“ immer von der Zeit und der Gesellschaft abhängt, die sie definiert, und einem dauernden Wandel unterliegt.

Leigh Bardugo: Das Lied der Krähen. Fantasy-Roman. Ein reicher Kaufmann heuert eine Diebesbande an, um den Erfinder einer Wunderwaffe aus einem Hochsicherheitsgefängnis zu stehlen. Zauberei, alte Animositäten und Verrat innerhalb der Truppe machen das Abenteuer zu einem fast unkalkulierbaren Risiko. — Diese Geschichte eines etwas anderen Einbruchs spielt im gleichen Universum wie die letztjährig vorgestellten Grisha-Romane. Ein Technologielevel aus dem 19. Jahrhundert trifft auf Zauberei und Kulturen, die ihren Umgang damit nicht unterschiedlicher handhaben könnten. Die Figuren sind rund, die Geschichte hat mich jedoch nicht ganz so gefesselt wie die Trilogie um Alina. Spannend bleibt der Text trotzdem, und er wartet mit einem fiesen Cliffhanger zum zweiten Teil auf.

JJ Bola: Sei kein Mann. Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist. In seinem kurzen, gut verständlichen Sachbuch zeigt der Autor auf, warum das Patriarchat auch für die meisten Männer Gift ist, und macht Vorschläge, wie aus „Männlichkeit“ „Männlichkeiten“ werden können. Große Teile der Analyse waren mir zwar bekannt, dennoch bot das Buch einige neue Einblicke, sodass es sich nicht nur für Einsteiger*innen ins Thema eignet.

Fabienne Siegmund: Das Mühlenreich (Teil1). Urban Fantasy um Sofia, eine Enddreißigerin, die nach einer Trennung ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern zieht. Sie hat das dringende Gefühl, dort etwas suchen zu müssen. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass sie vergessen hat, dass die jüngste Nachbarstochter einst spurlos verschwand. Was hat das alles mit der Wiese hinter dem Mühlenbach zu tun, vor der sich die gesamte Nachbarschaft gruselt? Sofia überquert die Brücke und gerät auf der Suche nach den verlorenen Erinnerungen an Schmetterlingsfeen, Mäusekönige und vor allem die Spinnenfee, mit der sie als Kind einen folgenschweren Handel einging. — Das Buch verwebt geschickt märchenhafte Motive, ohne zuckersüß zu sein oder nur Bekanntes neu zu mixen. Neben einer ordentlichen Portion Grusel serviert Fabienne Siegmund Spannung und Figuren, die ihre Vorstellung eines Happy Ends regelmäßig in Frage stellen müssen.

Malte Thießen: Auf Abstand. Eine Gesellschaftsgeschichte der Corona-Pandemie. Sachtext, wie der Titel schon sagt, und eine mir fast zu kurz geratene, aber flüssig zu lesende wie sehr aufschlussreiche Analyse der deutschen Befindlichkeiten von Anfang 2020 bis Sommer 2021.

Germaine Paulus: Pfuhl. Ein Pulp-Roman. Der Untertitel ist eine klare Ansage, die die Autorin gnadenlos einhält. Drei Serienmörder, die sich gegenseitig beeinflussen, Drogen, Prostiuierte, Sex und ein Gerichtsmediziner zweifelhafter Moral … und in diesem Pfuhl ermittelt der kettenrauchende und dem Alkohol zugeneigte KHK Gerd Wegmann Anfang der Nullerjahre in einer anonym bleibenden Großstadt. — Wer keine Angst vor Blut und detailliert beschriebener Hirnmasse hat (und wie immer bei spektakulären Serienmorden die Glaubwürdigkeit vernachlässigt), findet hier einen flüssig geschriebenen, absoluten Pageturner.

Uschi Gassler: Ausmanövriert. Psychothriller. Benedict, ein junger Mann aus reichem Hause hat einen One-Night-Stand mit Arlena, einer jungen Frau, die nicht seinem Schönheitsideal entspricht. Nachdem eine seiner Ex-Freundinnen tot aufgefunden wird und er unter Mordverdacht gerät, drängt sich Arlena als einzige Unterstützung auf. — Der Roman macht im Subtext recht schnell klar, was vorgeht, sodass sich die Spannung weniger daraus zieht, wer es war, sondern wann der junge Mann merkt, welches Spiel gespielt wird, und wie er sich aus der Ecke befreit, in die er manövriert wurde. Wie so häufig bei Uschi Gassler ist der Text spannend bis zu letzten Kapitel. Aus Gründen, die zum einen mit dem Milieu wie auch den Beschreibungen der Frauenfiguren zu tun haben, zum anderen mit dem jeweils von den Autorinnen selbst gesetzten Anspruch an Tiefsinnigkeit, fand ich es einfacher, bei Germaine Paulus meinen Wunsch nach Gesellschaftskritik in Krimis abzulegen.

Laura Dümpelfeld: Lemmy Lokowitsch – Das Syrikon-Projekt. Phantastischer Roman, bzw. ein wilder, aber gut funktionierender Mix aus Noir-Detektivroman, Journalismus-Thriller und Völkerfantasy. Der titelgebende Herr Lokowitsch (wobei Heldentum und Sympathiewerte des Ich-Erzählers durchaus diskutabel sind) ist ein alkoholabhängiger, notorisch pleiter Journalist und braucht dringend eine neue Story. Nach einem Tipp seiner Schwägerin stöbert er einem Waffenhersteller hinterher und findet dabei einen Hinweis auf merkwürdige Experimente … — Die Autorin hat hier einen postkolonialen Pageturner geschaffen, der theoretisch auch ohne Fantasy-Elemente funktionieren würde. Diese sind aber eine nette und ausgeklügelte Dreingabe, und als Bonus gibt es weder eine Romanze noch müssen die weiblichen Figuren trotz Petticoats die Damsel in Distress sein.

Tommy Krappweis: Ghostsitter, Band 1 – Geister geerbt. Urbane Fantasy für Menschen ab 8. Ich wollte wissen, was ich dem Pseudoneffen geschenkt hatte, und siehe da: Ich durfte das Buch von ihm ausleihen. Der 14-jährige Tom erbt eine Geisterbahn. Eine mit echten Geistern, bzw. einem Geist, einem Zombie, einer Mumie, einem Vampir und einem Werwolf. Doch kaum tritt Tom das Erbe an, erscheint ein mysteriöser Mensch, der ihm diese Geisterbahn um jeden Preis abspenstig machen will. — Die Romanbearbeitung einer Hörspielreihe hätte ein paar mehr weibliche Sprechrollen vertragen können, aber Tommy Krappweis bringt diese Fast-nur-Männer-WG so sympathisch rüber, dass es einfach ist, ihm den Bechdel-Test-Fail zu verzeihen.

Carsten Steenbergen: Im Reich des toten Königs. Fantasy. Stand Mai 2022: Nicht beendet. War mir zum Zeitpunkt des Lesens irgendwie zu viel des Machismo seitens des Ich-Erzählers.

Tobias Hartmann: Im Dienste der Gerechtigkeit. Krimi-Soap. Die vier einfach gestrickten Fälle sind hier weniger Kaufgrund als die Tatsache, dass die beiden Hauptfiguren regelmäßig die vierte Wand durchbrechen und auch ansonsten sehr witzig sind. Menschen, die sich mit Pforzheimer Lokalpolitik auskennen, werden durch Anspielungen auf selbige noch auf einer zweiten Ebene unterhalten.

Tina Skupin: Valkyrie. Ruf des Schicksals und Valkyrie. Hels Armee. Band 2 und 3 der Reihe um die Walküre Frida, die sich mit neuen und alten Norsen, einem undurchsichtigen Chef namens Loki und der „Odinskirche“ herumschlagen muss, die mit dem Odin, den Frida kennengelernt hat, nicht mehr viel zu tun hat. Wie gewohnt eine temporeiche, gelungene Balance zwischen Witz und Grusel, die sich sehr schnell wegliest.

Ben Aaronovitch: Die Silberkammer in der Chancery Lane. Ein neuer Fall für Peter Grant. Was soll ich sagen? Der Autor weiß, wie Serien funktionieren, schreibt weiterhin spannende Krimis mit interessantem Weltenbau und beginnt im zweiten Band der zweiten Staffel nun einige Fäden zu verknüpfen, von denen zumindest zwei nicht gerade als nebeneinanderliegend erwartet werden.

Malika Mokeddem: Das Geheimnis der Mutter. Zeitgenössischer Roman um die Ärztin Selma, die als junge Frau von Algerien nach Frankreich ausgewandert ist. Nach dem unerwarteten Tod einer Patientin erinnert sie sich daran, dass sie als Kind beobachtete, wie ihre Mutter ein Neugeborenes mit einem Kissen erstickte. Auf einer Reise ins Dorf ihrer Kindheit sucht Selma Antworten und reibt sich wie schon als Kind an dem Schweigen wund, das die dortigen Sitten den Menschen abverlangen.

Claudia Bierschenk: Land ohne Verben. Autobiographie. In zahlreichen lebendigen Miniaturen erzählt die Autorin von ihrer Kindheit in den 1980ern „drüben“ in Thüringen. Die Familie wohnt nicht weit von der innerdeutschen Grenze, „dem Zaun“, und auch hier reibt sich ein Kind an all dem wund, was nicht gesagt werden darf.

Judith Coffey und Vivien Laumann: Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen. Ein Buch, das definitiv einen Re-Read braucht. Deutschsprachige Menschen haben ein etwas merkwürdiges Verhältnis zum Wort „Antisemitismus“ – oftmals wird eher diskutiert, was ein Antisemitismus-Vorwurf bezweckt, als dass über den Inhalt der ursprünglich kritisierten Aussage reflektiert wird. Und das ist, von außen und aus jüdischer Perspektive betrachtet, so symptomatisch wie peinlich. Daher: Lest dieses Buch.

Candice Carty-Williams: Queenie. Gesellschaftsroman. Die titelgebende Queenie lebt in London, ist Schwarz, 25 und wurde von ihrem langjährigen (weißen) Freund auf „Beziehungspause“ gesetzt, weil der sie „zu anstrengend“ findet. Gleich zu Beginn fällt auf, dass sie so anstrengend gar nicht sein kann. Denn als sie per Zufall bei einer gynäkologischen Routinekontrolle erfährt, dass sie vor Monaten eine Fehlgeburt erlitten hat, sagt sie zum Kindsvater: nichts. Stattdessen sucht sie Ablenkung in Sexkapaden, die ihr nicht guttun, und fängt sich auf Arbeit einen hartnäckigen Verehrer ein, der sie am Ende beinahe den Job kostet. Wie sich Queenie aus diesem Schlamassel befreit, ist zwar mit trockenem Humor beschrieben, empowernd und spannend bis zur letzten Seite, aber am Ende bleibt ein tiefgreifendes Unbehagen über den Zustand der Welt allgemein und den weißer Menschen im Besonderen.

Tobias Ginsburg: Die letzten Männer des Westens. Antifeminismus, rechte Männerbünde und die Krieger des Patriarchats. Ein Sachbuch. Der Autor hat zu dem konservativ-rechten-christlichen Filz recherchiert, der am liebsten wieder in den 1950ern leben würde (oder noch früher). Die von ihm beobachteten und undercover interviewten selbsternannten Verteidiger des Abendlands und der echten Männlichkeit sind gleichzeitig bemitleidenswert und saugefährlich.

Olivia Kuderewski: Ha ha Heartbreak. Roman. Das Buch wurde mir vom Verlag zugesandt, da ich mit der Autorin eine gemeinsame Veranstaltung zu wuppen hatte. Wahrscheinlich hätte ich es nicht gekauft, aber es hat sich trotzdem gelohnt, es zu lesen. Die namenlose Ich-Erzählerin hat eine schmerzhafte Trennung (und eine nicht so rosige Beziehung) hinter sich. Wie sie sich neu sortiert und nebenbei ihre Sozialisation überdenkt, überfällt die Lesenden mit einem Stream of Consciousness, der einen nicht zu verachtenden Sog entwickelt.

Christian Meyer: Flecken. Roman. Das Buch wurde mir vom Verlag zusammen mit Olivias Buch zugesandt, weil sie dachten, ein ace Protagonist könnte mich vielleicht interessieren. Und ich fing an zu lesen in der festen Überzeugung, dass ich da nachher eine total ausführliche und wohlwollende Besprechung verfassen würde. Es sollte anders kommen. Obwohl da ein Ace drin ist und ich Sarkasmus üblicherweise zu schätzen weiß, wurde ich mit dem Protagonisten und seiner herablassenden Art nicht warm genug, um mehr als ein Viertel des Textes zu schaffen. Sorry!

Patricia Eckermann: Elektro Krause. Roman. Eine äußerst kurzweilige Geisterjägergeschichte um neue und tote Nazis, mit denen sich eine Afrodeutsche Elektrikerin im Sommer 1989 rumschlagen muss. Mit einem Schuss Queerness. Ja, hier steht nicht viel, weil Elektro Krause halt das ist, was ich unter bester Unterhaltungsliteratur verbuche: Machte sehr viel Spaß, ohne mich gefühlsmäßig oder intellektuell zu überfordern. Könnte einen zweiten Band vertragen.

Plus, wie immer, eine Riesenmenge Fanfiction.

Konjunktive/Jahresrückblick

Eigentlich sollte ich … Ich müsste noch …

So was habe ich im letzten halben Jahr öfter gedacht, aber das Phlegma war dann doch größer als das, was zu dem Konjunktiv gehört. Ich habe diesen Blog samt der Blogroll vernachlässigt, den Blog vom Verein auch, Facebook ebenfalls. (Ich mag gar nicht zählen, wie viele Aktionstage mir durch die Lappen gingen und wie viel Wertvolles von Kolleg*innen ich nicht geteilt habe.)

Nebenbei habe ich wahrscheinlich 130’000 Wörter Corona-Verarbeit-Seifenoper in den Sand gesetzt, weil ich seit 2020 einfach drauflos geschrieben habe und der Plot, na ja, den muss ich nun mit dem Sieb in eben jenem Sand finden. Sobald ich die Energie dazu habe. Vielleicht wird noch eine kurzweilige Polyamorie-Geschichte draus, vielleicht auch nicht.

Zeug, das ich hingekriegt habe, neben einer nicht unbeträchtlichen Menge Überstunden, weil Personalmangel ist wie halt überall und ich daher auch Krankheitsvertretungen für Menschen schob, die nicht meine Berufsgruppe waren, sodass ich mindestens einen 60%- statt einen 40%-Brotberuf zu den Lektoraten und Korrektoraten hatte:

  • den Plot in Lokis Fesseln mit der Lektorin zusammen freigeschürft, Buch ist mit etwas Verzögerung erschienen, aber immerhin;
  • ein Essay geschrieben, aus dem ein saugeiles Heft geworden ist;
  • in dem Zusammenhang einen Haufen Interviews gegeben (Radiobeiträge Deutschlandfunk Nova und Radio Dreyeckland, Youtube-Kanal von Sex- und Paartherapeutin Claudia Elizabeth Huber: Rezension sowie ein Interview, Magdalena Heinzl vom Podcast Sexologisch: Folge 85) und für Lesungen nach Frankfurt, München und Ludwigslust gegurkt;
  • einen Haufen Studien gewälzt, um dann nächstes Jahr hinterher hoffentlich als Autorin 2 von 4 einen Scoping Review zum Thema „Wie viele Buchstaben-Minoritäten-Menschen gibt es eigentlich in Deutschland?“ fertig zu haben;
  • anderen schreiberischen ehrenamtlichen Kram gewuppt;
  • mich von einer total lieben Mail zurück ins Transfandom saugen lassen und 31’000 Wörter Fanfic geschrieben, die hoffentlich bis Ende des Jahres noch ein paar mehr werden und zur Alpha-Leserin gehen können (wer das PDF von Abyssals The World Translated Thus will, bitte melden/unrepentant StarOP shipper here);
  • festgestellt, dass eins meiner Transformer-Fanfics bei TV Tropes empfohlen wird, trotz des nicht so einfallsreichen Titels;
  • mich über ein rares Belegexemplar von „Wie gleich ist gleich? LGBTQIAA – eine Bestandsaufnahme“ gefreut;
  • und drüber gefreut, dass die Kurzgeschichte „Der Schatz des Königs“ auch endlich gedruckt ist, dank dem Machandel-Verlag;
  • eine Ausschreibung für die zweite Beweisstück-A-Anthologie gestartet;
  • immerhin eine Idee für eine andere Anthologie gehabt, die 2024 vom lokalen Schreibvereinchen rausgegeben wird;
  • die Albenbrut für eine digitale Gesamtausgabe überarbeitet, wobei das aber wohl etwas schlechter geklappt hat als geplant, wenn ich die Rezi anschaue, bzw. ich wohl noch mal das fertige Dokument hätte lesen sollen, den „Änderungen übernehmen“ kann manchmal böse enden;
  • Orga-Kram für das andere Vereinchen erledigt, inklusive 2 x CSD-Präsenz und die übliche jährliche Konferenz.
Albenbrut-Neuauflage. Ohne Kerle drauf ist besser.

Insgesamt hätte es also schlimmer laufen können. Aus der Nähe sieht es immer nach weniger aus. Kinners, ich bin platt. Und jetzt geh ich raus für ein Mini-Julfeuer und eine Runde Met.

Da ich hier wahrscheinlich vor Weihnachten nicht mehr so oft reinschaue: Schöne Feiertage allen, egal was ihr feiert.

Mittwinter/Feierdäg/(Zehn-)Jahresrückblende, 2011-2021

Meineeine hatte dieses Jahr im Sommer zehnjährige WordPressanmeldung. Erster Eintrag damals: Mal schauen, wie lange ich durchhalte

Aber selbst so ein seltenes Tier wie ich möchte lieber nicht nur existieren, sondern leben.

(Manchmal schreibt die DeWinter DOch erstaunlich haltbares Zeug)

Damals hatte ich viel Ambition und erst drei Kurzgeschichten unter meinem Klarnamen veröffentlicht.

Die Titel-Eule war jedoch schon ein paar Jahre früher für mein fanfiction.net-Konto in Gebrauch. Aber ich mag diese schlechtgelaunte Eule so sehr, dass ich sie immer noch gern verbreite. Spezies unbekannt, geknipst 2007 im Zoo von Calgary. Carmilla DeWinter wurde übrigens 2005 als Pseudonym für Fanfiction gefunden und ist damit bereits sechzehn.

Eule im Blechrohr, mittäglich mies gelaunt

Ansonsten war 2021 ein Sachbuch zu feiern. Die gesammelte Presselandschaft hat den Verlag, Das asexuelle Spektrum und mich gezielt ignoriert, umso netter ist es natürlich, dass trotzdem Menschen das Buch gelesen und besprochen haben (merci hier an den Blog des Queer-Lexikons, dessen andere Artikel ebenfalls empfehlenswert sind).

Mit der Ko-Konspirantin Carmen Keßler/DasTenna habe ich eine Anthologie herausgegeben. Das Beweisstück A hat gute 700 Exemplare verkauft und für das Projekt 100% Mensch ein hübsches Sümmchen eingespielt.

Außerdem habe ich total verpeilt zu erwähnen (Grund die Wolken von unten), dass da noch eine Kurzgeschichte war, ebenfalls als Benefiz, aber diesmal für die Weissenburg, ein queeres Zentrum in Stuttgart. Nämlich One Track Mind – Immer nur das Eine in Die Melodie zwischen uns. Wer noch ein bisschen Gay-Romanzen für die Feiertage sucht: Es sind ein paar sehr hübsche dabei.

Als ich One Track Mind im letzten Herbst abgeliefert hatte, wollte Svea Lundberg, die Herausgeberin, unbedingt wissen, was weiter passiert. Daraus erwuchsen einige zehntausend Wörter, die noch nicht fertig sind. Es werde Corona-verarbeit-Seifenoper! Diesmal komplett ohne Fantasy.

Ansonsten war das Jahr eben Pandemiejahr zum Zweiten. Irgendwo zwischen medialer Aufregung und dem privaten Gefühl, dass wenig passiert, wenn du deinen Kram (Sachbuch etc.) nicht so recht mit Leuten feiern kannst. Weil online ist zwar nett, aber halt ohne Umarmung. Und Lesungen, so selten ich sie sonst bestreite, haben doch gefehlt.

So gesehen waren die immer mal wieder auftauchenden Depri-Gewitterwolken erstaunlich milde und kurz. Nachdem ich im November die anthologische Ko-Konspirantin nach einem Wochenendbesuch verlassen musste, war dann auch erst mal ein paar Wochen nix mit großen Lichtblicken. (Der Ko-Konspirantin ging es wohl ähnlich, bloß hat sie ein Monster und ich habe Gewitterwolken, die sind nicht ganz gut geeignet, um Leuten Schuldgefühle einzureden.)

Und Migräne war sowieso (und ist heute schon wieder). Wenn das Wetter per Klimawandel so bleibt, kann ich mich zu jedem Jahreszeitenwechsel wohl auf drei bis vier Wochen Naratriptan- und Thomapyrin-Dauerfeuer einstellen. Es sei denn, die Menopause rettet mich rechtzeitig. Klar kann ich mich nun fragen, ob dieses Jahr Depri-Wolken und Migräne miteinander zusammenhängen. Nur, weil die Tablette den Schmerz wegmacht, heißt das ja nicht, dass der Migräneanfall vorbei ist, und Migräneanfälle sind prima Energieräuber. Mit Schmerzen habe ich üblicherweise nicht mal die Energie mich darüber aufzuregen, dass ich Schmerzen habe. Und manchmal schaffe ich es kaum aus dem Bett, um eine Tablette einzuwerfen. Prost!

Mit Triptanen wird dann die Antidepressivasuche auch lustig (nicht), weshalb ich noch nicht so weit bin, die Ärzteschaft damit zu behelligen. Immerhin: Ich schlafe durch, ich kann mich noch über Zeug freuen, ich fange nicht aus Überforderung an zu heulen, und ich kriege mehr als das Nötigste gebacken. Zimmerpflanzen sind auch noch keine gestorben. Also isses zwar nervig, aber nicht lebensbedrohlich.

Jedenfalls. Nein, ich möchte bitte hier nicht über Sinn und Unsinn von manchen Regelungen und die Existenz von Coronaviren diskutieren. Bringt nichts. Eins kann nur hoffen, dass wir beim nächsten Mal klüger sind, und das nächste Mal wird uns garantiert nicht erspart bleiben. 2009 hatten wir halt Glück, dass zwar Pandemie war, aber halt keine, die den hiesigen Stadtrat innerhalb von 18 Monaten gleich um zwei Menschen erleichtert hat.

Ansonsten: Es war immerhin richtig CSD! Bloß ist dank Pandemie die Stammtisch-Infrastruktur zusammengebrochen, weshalb es schwieriger war, Menschen zu rekrutieren.

Juni 2021, CSD Karlsruhe, als das Wägelchen und ich noch trocken waren

Während die Seifenoper noch wächst, wird im Frühjahr bei Edition Roter Drache Lokis Fesseln erscheinen. Cover-Freude dann separat nach den Feiertagen. Ich hoffe, wie die eine oder anderen Blog- und Schreibkollegin, dass 2022 mal wieder Buchmesse Leipzig wird.

Den Rohentwurf für dieses Posting habe ich einen Tag vor Jul / Wintersonnenwende 2021 getippt. Heute ist Jul, und gleich beginnt die längste Nacht des Jahres. Grade bei so Mistwetter im Hirn ist das ein schönes Datum, und irgendwie auch ein bisschen konkretere Hoffnung als so ein Kind, das dich vor einer Hölle rettet, an die du vielleicht Schwierigkeiten zu glauben hast. In meiner Hölle sitzt Hel jedenfalls mit Baldr am Tisch in ihrer Halle und hebt gemütlich einen.

Kürzester Tag des Jahres 2021, Pforzheim, ziemlich genau 12 Uhr mittags.

Wie auch immer, egal, ob und wie und was ihr feiert, ich hoffe, ihr könnt die Feiertage genießen.

Gelesen 2020 – zweites Halbjahr

bucheulen

Weiterhin viel gelesen, da viel weniger Termine. Weil blöderweise das beste Suchtmittel des Jahres von einem Mann stammt (hust, Ben Aaronovitch, hust) war das mit den ausgewogenen Quellen zumindest bei der ernsthaften Literatur nicht zu machen. Glücklicherweise ist ja die meiste Fanfiction von Frauen verursacht und hat einen erhöhten Anteil an Buchstabensuppen-Autor*innen, sodass ich mir ingesamt zumindest im Bereich Gender keine Gedanken machen muss.

Fiktionales

Diverse: Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Apostelgeschichte. Übersetzung von Martin Luther, 1998 sprachlich leicht modernisiert.

Ich hatte einen Rappel und dachte, wenn ich schon am Christentum rumkrittle, dann muss ich auch wissen, was ich da bekrittele. Und nicht nur ausgewählte Zitate. Matthäus wirkt ein wenig konfus. Markus dagegen kommt — bis auf die Sache mit der Auferstehung — sehr journalistisch rüber und ergibt insgesamt mehr Sinn. Anscheinend sind hier alle Widersprüchlichkeiten in Jesu Predigten geschickt rauseditiert worden. (So es diesen Jesus überhaupt gab und da nicht einfach eine Bande Endzeit-Propheten ihren Gründungsmythos in dieser Figur geschaffen hat.) Lukas hat einen Hang zur Fabulierlust, dass es eine Freude ist, wenn eine denn das nicht alles glauben muss, was er schon in der Einleitung an Garn zusammenspinnt über Maria, Elisabeth, Johannes den Täufer und allerlei mehr. Johannes versucht sich in Evangelium und Apostelgeschichte gefühlt an einem stilistischen Mittelding zwischen Markus und Lukas.

Jedenfalls spricht mich diese zweitausend Jahre alte Endzeitstimmung mit ihren für mich teils widersprüchlichen Forderungen nicht so richtig an. Soll ich nun vor allem Gott und meine Nächsten lieben, Gott dienen oder an an ihn glauben? Ist das alles eins, oder wie? Die Annahme, dass der Mensch von Grund auf schlecht ist, das ist auch nicht so mein Ding. Vgl. dazu Good Omens: Menschen sind vor allem von Grund auf Menschen. Ethisch gesehen sind in den Predigten ein paar sinnvolle und nachdenkenswerte Sachen dabei, die den Erfolg der ganzen Angelegenheit erklären (plus die geile Geschichte dazu, die damals in bekannte mythologische Kerben schlug). Nicht zuletzt die wichtigste Sache überhaupt — Nächstenliebe ist, konsequent durchgezogen, wie der Kant’sche Imperativ, extrem schwer umzusetzen. Und am Ende das einzig Wichtige, zumindest was den Rest der Menschheit angeht. Prosozial zu handeln und tatsächlich die gesamte Menschheit als die Sozietät anzuerkennen, für die gehandelt werden muss? Wer kriegt das schon hin? Aber es lohnt den Versuch. Anscheinend gibt es Menschen, die sich das mit der Rücksicht erst überlegen, wenn sie annehmen, dass ihnen irgendwer über die Schulter schaut und sie am Schluss belohnt oder bestraft. (Nennt sich autoritäre Erziehung?)

Dafür, dass das Christentum befreien soll, benutzt der Religionsstifter aber sehr oft Gleichnisse mit „Knechten“ (Sklaven), die offenbar auf ihre Befreiung im Himmelreich warten müssen. Bzw. sind sie dann ja freiwillig Knechte Gottes? Fragen über Fragen.

Jesus war offenbar Kind seiner Zeit. Damals war eine Welt ohne Sklavenhaltung schlicht undenkbar, und die längste Zeit der historischen Aufzeichnungen haben Menschen andere Menschen versklavt.  Einen theologischen Überbau zum Kant’schen Imperativ benötige ich nicht. Typen, die sagen, dass es nur eine Wahrheit und eine Interpretation gibt? Kann ich nicht brauchen. Und Leute, die mir einen Mythos als historische Wahrheit verkaufen wollen, auch nicht.

Stephan Grundy: Attila’s Treasure und Rhinegold — historische Fantasy. Attila’s Treasure ist uns als Wodans Fluch hier bei meinen Zusammenschrieben schon begegnet. Der junge Hagan (später Hagen von Tronje im Nibelungenlied) kommt als Friedgeisel an den Hof von Attila dem Hunnen und schließt eine Freundschaft, die ihn in einen Loyalitätskonflikt treibt. Die queeren Zwischentöne sind eine sehr geile Zugabe. Rhinegold zeichnet den Sagenkreis um das Rheingold und die Wölsungen als Fantasy-Roman nach. Das ist äußerst prächtig erzählt (und sehr lang).

Grundy verdient auch Anerkennung, weil er die gesellschaftlichen Verpflichtungen der Figuren nachvollziehbar macht. Was aus der nordischen und mittelhochdeutschen Dichtung so bei oberflächlichem Medienkonsum hängenbleibt, erlaubt ja kaum, die Motivationen der Figuren zu verstehen. Gebrochene Verlobungen, die aus gekränkter Stammesehre zum Krieg führen könnten? Kämpfe, denen die Helden der Völkerwanderungszeit nicht aus dem Weg gehen, statt Kompromisse zu suchen? Ein Leben, in dem man an einem Tag eine Edelfrau und am nächsten eine Sklavin sein kann, wenn sich das Kriegsglück wendet? Hier wird die vom Tod eines Otters in Gang gesetzte Handlung in all ihrer Unausweichlichkeit verständlich. Die Figuren können nicht aus ihrer Haut und ihrer Kultur, da braucht Wodan/Odin gar nicht so viel zu beeinflussen. Die Geschichte zeigt daher auch, dass jegliche Romantisierung der germanischen Stämme keinerlei historische Grundlage hat, und dass die individuelle Ehre zwar sehr nett sein kann, die Familienehre aber mitunter sehr tödlich.

Ben Aaronovitch: Die Flüsse von London, Schwarzer Mond über Soho, Ein Wispern unter Baker Street, Der böse Ort und Fingerhut-Sommer. Dazu vier ergänzende Graphic Novels — Urban-Fantasy-Krimis. Von der besten Alphaleserin der Welt empfohlen und ausgeliehen bekommen und nunmehr ebenfalls angefixt. Aaronovitch erzählt sehr witzig und mit einem genauen Auge für all die Dinge, über die sich die britische Gesellschaft in die Taschen lügt, von Constable Peter Grant. Der junge Polizist trifft eines Tages einen Geist, der einen Mord beobachtet hat. In der Folge wird Peter dem einzigen bekannten Magie Praktizierenden Englands — Detective Chief Inspector Nightingale — als Zauberlehrling zugeteilt. Wie Peter damit umgeht und dabei sein Noch-Nicht-Können kreativ gegen magische Kriminelle einsicht, ist prachtvoll zu lesen und daher für alle empfehlenswert, die keine Angst vor graphisch beschriebenen Leichen haben. Bonuspunkte für einen angenehm ausgewogenen Cast, was Geschlecht, sexuelle Orientierung und Hautfarben angeht, und für die Übersetzung, der man die englische Satzstrukturen nicht mehr auf den ersten Blick anmerkt.

Jodi Taylor: Doktor Maxwells chaotischer Zeitkompass — Zeitreise-SF. Zweiter Teil der im Frühjahr angefangenen Reihe. Wie immer galoppieren wir in einem Affenzahn die Geschichte rauf und runter und sind dabei nicht besonders tiefschürfend, aber mit viel Action unterhalten.

Akram El-Bahay: Bücherkrieg. Die Bibliothek der flüsternden Schatten 3 — Epic Fantasy nach fast wörtlicher Interpretation. Die ersten beiden Bände habe ich schon 2018 ausgeliehen bekommen, es fehlte noch der dritte und letzte Teil. Die Trilogie hat einen würdigen Abschluss erhalten, der mit dem einen oder anderen schönen Haken aufwartet.

Ben Aaronovitch: Geister auf der Metropolitan Line, Der Galgen von Tyburn, Detective Stories, Cry Fox, Water Weed, Die Glocke von Whitechapel — Krimi-Fantasy als Roman oder Graphic Novel. Mit der Glocke von Whitechapel hat die erste Staffel der Buchserie einen fulminanten Abschluss erhalten. Runtergesuchtet, daher habe ich sicher die meisten Zwischentöne verpasst. Weitergesuchtet habe ich mit Der Oktobermann — m. E. etwas zu kurz geraten, weshalb der neue Ich-Erzähler, Kriminalkommisar Tobias Winter, etwas flach bleibt. Aber in Deutschland wird die magische Verbrecherjagd jedenfalls behördlich besser organisiert als in London. Danach den ersten Band der zweiten Staffel (False Value), in dem Computing und Geister eine unheilige Allianz eingehen, und die Kurzgeschichtensammlung Tales from the Folly.

Ben Aaronovitch hat das Serien-Erzählen an Dr. Who geübt, das merkt das geneigte Publikum, und deswegen habe ich auch von „Staffeln“ geschrieben. Kaum hat eine „Cliffhanger“ gesagt, ist schon der nächste da. Neben äußerst liebenswerten Figuren, die oft nirgends so richtig dazugehören, finden wir eine äußerst reiche Fantasy-Welt, die einige Rätsel übrig lässt. Wieso altert Nightingale rückwärts? Warum zum Henker sind da sprechende Füchse unterwegs? Warum haben die Nazis die Genii Locorum der meisten deutschen Flüsse getötet? Und so weiter.

Luci van Org: Geschichten von Yggdrasil — Nordische Sagen neu erzählt. Und zwar so richtig neu. Keine schwülstige Ausformulierung des eddischen Materials, sondern mit der van Org’schen typischen Herangehensweise, also mit Humor und einem Sinn für Zwischentöne und Hintergründiges. Sodass Odin schon mal auf den Deckel bekommt, wenn er Freya Vorschriften machen will. Das ist oft liebenswert und eröffnet auf jeden Fall neue Blickwinkel, statt die x-te „Odin ist weise, Loki ist boshaft und Frigg eine duldsame Ehefrau“-Version zu bieten. Nicht alle van Org’schen Interpretationen decken sich mit meinen Eindrücken des Materials. Aber das ist halt mit guter Dichtung so: Hält ewig und bedeutet für alle ein bisschen was Unterschiedliches. Und das geilste ist: Poesie muss gar nicht nur eine Sache bedeuten! Wenn ich eine andere Meinung über Odin oder eine andere Gottheit habe, oder wenn Mythologie-Noobs Thor tatsächlich für Lokis Bruder halten: Was soll’s? Die halten das aus.

Isa Theobald: Anouk – Ein toter Djinn kommt selten allein — Urban Fantasy um einen schlagkräftigen Sukkubus. Wer Gewalt und expiziten Sex abkann, ist mit dieser Mischung aus Buffy, Lucifer und Dresden Files sehr rasant unterhalten, und dass hier weibliche Selbstbestimmung und Freundschaft statt der ewigen romantischen Liebe gefeiert wird, tut nebenbei auch gut.

Tracey Lindberg: Birdie — Zeitgenössischer Roman mit etwas magischem Realismus. (Was nur beweist, dass die Linie zwischen Gerne-Literatur und dem, das der Feuilleton feiert, sehr schmal sein kann.) Birdie ist eine junge Frau von der Kelly Lake Cree Nation in Kanada. Wir treffen sie zuerst, als sie in Lolas Bäckerei anheuert, nachdem sie sich selbst aus „der Anstalt“ entlassen hat. Nach und nach offenbaren sich dem Publikum ihre zahlreichen Verletzungen. Als sie selbst begreift, wie innerlich zerrissen sie ist, legt sie sich ins Bett, um eine Seelenreise durch ihr Leben zu beginnen. Begleitet wird sie in diesen schwierigen Wochen von Lola, ihrer Tante Val und ihrer Cousine Freda.

Der Roman erfordert auf dem ersten Drittel durch die zahlreichen Zeitsprünge ein bisschen Aufmerksamkeit. Eine auffindbare Content Notice würde manchen Menschen wahrscheinlich etwas Sicherheit geben. Gelohnt hat sich das Lesen auf jeden Fall. Lindberg erzählt spannend, obwohl an äußerer Handlung kaum etwas passiert, und sie lotet mit viel Mitgefühl Macht und Grenzen weiblicher Solidarität aus.

Die Fanfiction war wie immer sehr zahlreich. Fandoms: eine Prise Lucifer (TV-Serie), ein bisschen Jonathan Strange & Mr. Norrell (angefixt von der Serie, ich fand das Buch wesentlich weniger mitreißend), einiges an Rivers of London, und Unmengen Good Omens jeglichen Mediums. Die eigene Kontribution beschränkt sich auf eine kurze Good-Omens-Fiktion und etwa 5000 Wörter im James-Bond-Universum, die seit fast dreit Jahren auf der Festplatte lagerten.

Sachtext(e)

Angela Chen: Ace. Ausführliche Besprechung ist bereits erschienen.

Für den Beruf gelesen (Auswahl):

Martina Bilke: Auf einem Baum ein Kuckuck — Zeitgenössischer Roman. Habe nur die Korrektur gemacht, aber diese Geschichte der deutschstämmigen Ánaca aus Caracas, die ihrer früh verstorbenen Mutter und den Lücken in der Biographie der Großmutter hinterherforscht, ist eine Wucht zu lesen und kommt daher mit Empfehlung.

2020. Feierdäg/Habe fertig.

Oder: Der DeWinter’sche Rant zum Jahresende. Damit es nicht zu aufregend wird, habe ich hier ein sehr kurzes Stück entspannte Musik zum kürzesten Tag des Jahres: Lux Refulget.

Mal gucken, was der Impfstoff macht.

Also, das Jahr ist fast um, angeblich sollen nach den Feiertagen die ersten Impfungen mit dem RNA-Impfstoff starten und ich bin in der dritten Welle der Priorität.

Und ja, ich lasse mich piksen, weil die Statistik in unserem Apotheken-Filialverbund sieht derzeit so aus:

Bei uns arbeiten etwa 65 Frauen zwischen 18 und 67 Jahren. Wir haben 5 positive Corona-Nachweise und 4 Fragezeichen. (Eine davon ich, und ich habe eine Person angesteckt, die zwei Wochen flachlag, siehe Frühjahrs-Gebruddel. Kann sein, dass es ne Grippe war, immerhin bin ich die einzige, die sich regelmäßig ihren Piks abholt und die es nach fünf Tagen abgefrühstückt hatte. Aber bei Grippe bin ich normalerweise von den ersten Anzeichen bis nominell arbeitsunfähig durch Kreislaufstörungen in vier Stunden, hier habe ich drei Tage bis zum Fieber gebraucht und dem Kreislauf ging’s prima.)

Von den fünf positiven Nachweisen ist:

1 x asymptomatisch

1 x leichte Symptome

1 x Krankenhaus und Reha wegen Lungenschaden

1 x Verlauf mit mehren Tagen hohem Fieber, seit neun Monaten mit Geruchsstörung und Psychotherapie

1 x Verlauf mit mehreren Tagen hohem Fieber, Nachwirkungen noch unbekannt.

Klar, kann sein, dass ich (beim nächsten Mal wieder) mit ein, zwei Tagen Fieber und Husten davonkomme. Kann aber auch nicht sein. 40 Prozent Langzeitschaden bei nachgewiesener Infektion innerhalb von drei Monaten versus unter 0,001 Prozent Langzeitschaden innerhalb der gleichen Zeit? Die Wahrscheinlichkeiten finde ich jetzt nicht so schlecht. Von Grippe müssen nur wenige vorher gesunde Mittdreißigerinnen in Psychotherapie, ne?

Übrigens wäre das nicht der erste Impfstoff, der auf den Markt kommt, ohne dass wer weiß, wie lange das eigentlich vorhält.

Außerdem: Reise-Neid und Kopfkratz.

Mein Vater ist vor zwei Jahren nach Spanien gezogen, und ich habe nie in den Schulferien Urlaub, weil ich halt nach einem emotionalen Kassensturz vor zehn Jahren beschlossen habe, dass ich keine Kinder haben möchte. Ich kriege mich grade so auf die Reihe, ich will da nicht noch ein Kind an der Backe haben. Vor allem nicht an Tagen, wo ich mich eben nicht auf der Reihe habe. Und mein Mutterinstinkt ist eh nicht vorhanden, ich habe schon als Jugendliche nur über eigene Kinder nachgedacht, weil sich das so gehörte, und nicht weil ich eins wollte.

Daher habe ich meinen Herrn Papa seit letztes Jahr im Oktober nicht mehr getroffen. Ich habe ein wenig Neid auf all diejenigen, die in den Schulferien sonst wo waren, während ich schön brav meinen Urlaub daheim oder bei Freundinnen begangen habe, als die Weitverreisten und Familenfeierndem ihre Viren überall schon wieder verteilt hatten.

Ich habe eine Bekannte in Facebook nicht entfreundet, obwohl sie manchmal etwas seltsame Ansichten hat, warum Leute Maske tragen und das mit dem Abstandhalten ernst nehmen. Keine Ahnung, was sie eigentlich mit ihren Wut-Posts seit März mitteilen will. Dass hier in Deutschland und in der Wissenschafts-Blase auf einmal zu 98 Prozent Faschos und doofe Nüsse rumspringen sollen, finde ich jedenfalls unwahrscheinlich. Irgendwie tut es mir leid, dass eine von mir geschätzte, kluge Person keinen Weg findet, mit der Situation konstruktiv umzugehen.

Jedenfalls ist weniger Social Media besser für’s Gemüt.

Dafür hätte ich gern mehr langfristig denkende Politicos.

Ich mein, ja, es die ganze Situation ist Scheiße. Passenderweise hat die Politik über den Sommer lieber den Kopf in den Sand gesteckt, als an Konzepten für einen zweiten Lockdown zu feilen. Schulen bleiben offen! Egal, ob das von einem epidemiologischen oder psychologischen Standpunkt aus klug ist oder nicht. Gleich für Wechsel-/Hybridunterricht und sinnvolle Betreuung vorplanen? Wir doch nicht.

Und außer, dass die Krankenhäuser vor Überlastung geschützt werden müssen, ist eine langfristige Linie der Maßnahmen auch nicht zu erkennen. Was draus gelernt? Allgemeine Ziele für die nächsten paar Jahre? Nee, bedingungsloses Grundeinkommen geht mal gar nicht, lieber lassen wir am Ende die komplette Kunstbranche ALGII beantragen.

Mal über Donuts statt Wachstumskurven nachdenken? Ist das Wirtschaftsschädigung, wenn wir darauf hinweisen, dass zu viele in diesem Staat zu viel Raum und Ressourcen verbrauchen? Und dass die meisten von uns deswegen zu viel Kram haben? (Und dann muss ich hinterher vielleicht mit den Zug zum Papa und nicht mehr mit dem Flieger. Dann isses halt nicht so bequem und dauert wirklich den ganzen Tag statt nur gefühlt den ganzen Tag. So what.)

Und können wir bitte mal darüber reden, dass Fallpauschalen und AGs den Krankenhäusern und vor allem deren Personalschlüssel nicht besonders gut tun?

Nebenbei erdreistet sich die Politik zu behaupten, dass eine Theateraufführung oder eine Lesung eine „Unterhaltungsveranstaltung“ wäre. (Wir können auch poltische Meinungsbildung, erstaunlicherweise, sogar wenn Vampire oder so was drin vorkommen.)

So ein paar Schuldige, das wär’s jetzt.

Bloß: Das kollektive Unvermögen, mit neuartigen Bedrohungen halbwegs sinnvoll umzugehen, das ist schuld. Und da hängt’s überall, weil die wenigsten Menschen halt Wahrscheinlichkeitsrechnung können, zumal eine solche am Anfang kaum möglich war. Deswegen rudern die Landesregierungen hin und her, versprechen mal dies, mal das, und halsen uns alle drei Tage neue Regelungen auf. Die anderen halten sich lieber ein Kissen über den Kopf und singen „es gibt keine Pandemie, lalalala, das hat sich (Lieblingsschurke hier einfügen) ausgedacht, um uns alle gefügig zu machen.“

Määhh von diesem Schlafschaf hier, ich verweise auf oben. Corona ist auch ohne Tote Kacke.

Konstruktiver trotz völlig hirnrissiger Schließungen von Orten, die sich an die Spielregeln halten, sind meine CSD- und Schreibblasen. Podcasts, Livestreams, Online-Messen und -Konferenzen? Ja, ist anstrengend und Kuscheln macht mehr Spaß und tut der Psyche gut, aber mensch lernt dazu und neue Verbündete kennen. Mein Vereinchen wird seine jährlichen Versammlungen von jetzt an nur noch online halten, da wir über die komplette Rebublik verteilt sind.

Was lernen wir aus diesem Mist?

Außer, dass Menschen nicht blicken, dass sie mit Face Shields zwar geil Luft bekommen, aber einer stehende Aerosolwolke natürlich sowohl einatmen als auch produzieren können? Und dass sie lieber OP-Masken waschen als welche aus zwei Lagen Jersey, was im Endeffekt wohl auf schlechtere Filtergrößen rausläuft? Und dass … lassen wir’s. Das menschliche Unvermögen, das Prinzip „Infektionskrankheit“ zu verstehen, sollte mich nicht mehr wundern, wenn früher selbst Kolleginnen mit ihren ungewaschenen Geldfingern in die Keksdose gegriffen haben.

Was lernen wir also draus? Wenn ich das wüsste. Dazu brauchen wir noch ein bisschen, denke ich. Bis dahin habe ich mal einen völlig unfantastischen Roman über queere Singles in der Pandemie angefangen.

Und sonst? Irgendwas, das gar nichts mit Viren zu tun hat? Wenigstens eine Sache?

Der Blockeditor von WordPress nervt mich. Und ich könnte mich darüber echauffieren, dass Microsoft Word nicht in der Lage ist, mit ODT-Dokumenten anständig umzugehen, während Open Office mit DOCX super zurande kommt. Ich lasse diesen spezeiellen Rant aber. Für Microsoft Office gebe ich so lange kein Geld aus, bis das klappt, hörst du, Bill Gates?

Ach ja, und #BlackLivesMatter. Dass auch die deutsche Polizei Racial Profiling betreibt, dazu muss ich eigentlich nur meine Kollegin mit dem türkischen Nachnamen fragen, wie oft ihr Bruder schon kontrolliert wurde. Da bleibt hoffentlich was in den meisten Köpfen hängen. Wenigstens ist der Haupthandlungsort in den Albenbrut-Bänden so latent rassistisch, dass die Bezeichung „Schwarzkünstler“ dafür ein Beleg ist und ich das nach derzeitigem Stand der Überlegungen nicht ändern würde — dafür aber an anderen Stellen nachschärfen müsste, falls es je eine Neubearbeitung geben sollte.

Und jetzt?

Ich wünsche schöne Feiertage, ob Jul oder mehr oder weniger religiöse Weihnachten oder was auch immer. Wir sehen uns wahrscheilich erst nach den Feiertagen für die gewohnte Jahresend-Buchabrechnung.