Gelesen 2022

So. Wieder ein Jahr rum. Vom Blog aus gesehen nicht sehr bewegt, aber trotzdem hat es sich verhältnismäßig lang angefühlt: Ich hatte dann doch einen Haufen neue Sachen getan, was für Menschen über 40 offenbar eine Seltenheit darstellt.

Eins davon war, ein Essay zu schreiben. Damit ich ungefähr wusste, was „Essay & Illustration“ bedeutet, bekam ich vom Verlag die ersten sechs MaroHefte geschenkt. Die lesen sich am Stück innerhalb eines Tages weg, halten aber inhaltlich teils lang vor.

MaroHeft #1: Jörn Schulz und Marcus Gruber: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe das erste Quinoabällchen. Warum nachhaltiger Konsum das Klima nicht rettet. — Was draufsteht. Ohne Politik hilft nun mal auch kein persönlicher Flug- & Fleischverzicht.

MaroHeft #2: Oliwia Hälterlein und Aisha Franz: Das Jungfernhäutchen gibt es nicht. — Mein Biologiebuch, und sicher nicht nur meins, hat doch auf einigen Ebenen gelogen. Oder: Wie Sie mit Pseudowissenschaft Macht über Menschen ausüben.

MaroHeft #3: Felix Bork: Aus den Ärschen, aus dem Sinn. Eine Odyssee durch Körper, Klo, Kanalisation, Kläranlage und Wolken. — Auf eine unterhaltsame Art sehr lehhrreich.

MaroHeft #4: Peter Bierl und Katharina Kulenkampff: Die Legende von den Strippenziehern. Verschwörungsdenken im Zeitalter des Wassermanns. — Okay, ich habe gelegentlich Kundschaft, die unabhängig aller physikalischen Wahrheiten ihre Homöopathie und Biochemie auspendelt. Da wundert’s dich dann auch nicht, dass solche Leute glauben, Coronaviren wegtrommeln zu können. Mittlerweile hat es unsere hiesige wöchentliche Nazi-Demo dank Reichsbürgern zu weiteren unrühmlichen Schlagzeilen gebracht. Auch kein Wunder. Kreuzverweis an die Talk-Reihe „Ferngespräch“ von Tommy Krappweis und dem Hoaxilla-Podcast.

MaroHeft #5: Bettina Fellmann und Rebekka Weihofen: Zur Verteidigung der Traurigkeit. — Das sperrigste Heft dieser Auswahl: Viele sozialwissenschaftliche und philosophische Anspielungen, die über meinen Kopf hinweggingen, was angesichts des wichtigen Themas doch etwas traurig macht. Wie viel „Depressionen“ sind durch gesellschaftliche Zumutungen hergestellt? Brauchen wir Pillen, weil Trauer nicht verwertbar ist?

MaroHeft #6: Jahn/Schindler/Taleqani u. a. und Riikka Laakso: Talking ‚bout Your Generation: Wie die Welt den Bach runtergeht und dabei das Meer überläuft. — Kurze Beobachtungen zu Kapitalismus und Umweltschutz. Ich hätte, glaube ich, dazu lieber einen zusammenhängenden Text gehabt.

Audre Lorde: Sister Outsider. Essays. Audre Lorde machte sich über Rassismus in der feministischen Bewegung ihrer Zeit genauso Gedanken wie über Sexismus in antirassistischen Communities. Sie stellt sich Fragen darüber, welchen Nutzen Schweigen hat und warum Menschen innerhalb einer Bewegung oft ungerecht zueinander sind. Da alle Texte vor 1992 entstanden, hatte Audre Lorde trans Personen nicht auf dem Schirm. Dennoch könnten sich moderne Internetdebatten von ihrer Scharfsichtigkeit gern eine Scheibe abschneiden. An den unterliegenden, allgemein menschlichen Problemen hat sich nämlich nicht viel geändert. Zum Zweitlesen vorgemerkt.

Hanne Blank: Straight. The Surprisingly Short History of Heterosexuality. Zu Recherchezwecken ein zweites Mal gelesen und wieder ein paar neue Sachen entdeckt. Hanne Blank zeigt in ihrem kurzweilig erzählten Sachbuch auf, wie der Begriff „heterosexuell“ in die Welt kam, und wie sich die Konzeption von dem, was ein „normales Paar“ ist, seit dem 16. Jahrhundert geändert hat. Wobei mensch hinterher hoffentlich gelernt hat, dass „Normalität“ immer von der Zeit und der Gesellschaft abhängt, die sie definiert, und einem dauernden Wandel unterliegt.

Leigh Bardugo: Das Lied der Krähen. Fantasy-Roman. Ein reicher Kaufmann heuert eine Diebesbande an, um den Erfinder einer Wunderwaffe aus einem Hochsicherheitsgefängnis zu stehlen. Zauberei, alte Animositäten und Verrat innerhalb der Truppe machen das Abenteuer zu einem fast unkalkulierbaren Risiko. — Diese Geschichte eines etwas anderen Einbruchs spielt im gleichen Universum wie die letztjährig vorgestellten Grisha-Romane. Ein Technologielevel aus dem 19. Jahrhundert trifft auf Zauberei und Kulturen, die ihren Umgang damit nicht unterschiedlicher handhaben könnten. Die Figuren sind rund, die Geschichte hat mich jedoch nicht ganz so gefesselt wie die Trilogie um Alina. Spannend bleibt der Text trotzdem, und er wartet mit einem fiesen Cliffhanger zum zweiten Teil auf.

JJ Bola: Sei kein Mann. Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist. In seinem kurzen, gut verständlichen Sachbuch zeigt der Autor auf, warum das Patriarchat auch für die meisten Männer Gift ist, und macht Vorschläge, wie aus „Männlichkeit“ „Männlichkeiten“ werden können. Große Teile der Analyse waren mir zwar bekannt, dennoch bot das Buch einige neue Einblicke, sodass es sich nicht nur für Einsteiger*innen ins Thema eignet.

Fabienne Siegmund: Das Mühlenreich (Teil1). Urban Fantasy um Sofia, eine Enddreißigerin, die nach einer Trennung ins Haus ihrer verstorbenen Großeltern zieht. Sie hat das dringende Gefühl, dort etwas suchen zu müssen. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass sie vergessen hat, dass die jüngste Nachbarstochter einst spurlos verschwand. Was hat das alles mit der Wiese hinter dem Mühlenbach zu tun, vor der sich die gesamte Nachbarschaft gruselt? Sofia überquert die Brücke und gerät auf der Suche nach den verlorenen Erinnerungen an Schmetterlingsfeen, Mäusekönige und vor allem die Spinnenfee, mit der sie als Kind einen folgenschweren Handel einging. — Das Buch verwebt geschickt märchenhafte Motive, ohne zuckersüß zu sein oder nur Bekanntes neu zu mixen. Neben einer ordentlichen Portion Grusel serviert Fabienne Siegmund Spannung und Figuren, die ihre Vorstellung eines Happy Ends regelmäßig in Frage stellen müssen.

Malte Thießen: Auf Abstand. Eine Gesellschaftsgeschichte der Corona-Pandemie. Sachtext, wie der Titel schon sagt, und eine mir fast zu kurz geratene, aber flüssig zu lesende wie sehr aufschlussreiche Analyse der deutschen Befindlichkeiten von Anfang 2020 bis Sommer 2021.

Germaine Paulus: Pfuhl. Ein Pulp-Roman. Der Untertitel ist eine klare Ansage, die die Autorin gnadenlos einhält. Drei Serienmörder, die sich gegenseitig beeinflussen, Drogen, Prostiuierte, Sex und ein Gerichtsmediziner zweifelhafter Moral … und in diesem Pfuhl ermittelt der kettenrauchende und dem Alkohol zugeneigte KHK Gerd Wegmann Anfang der Nullerjahre in einer anonym bleibenden Großstadt. — Wer keine Angst vor Blut und detailliert beschriebener Hirnmasse hat (und wie immer bei spektakulären Serienmorden die Glaubwürdigkeit vernachlässigt), findet hier einen flüssig geschriebenen, absoluten Pageturner.

Uschi Gassler: Ausmanövriert. Psychothriller. Benedict, ein junger Mann aus reichem Hause hat einen One-Night-Stand mit Arlena, einer jungen Frau, die nicht seinem Schönheitsideal entspricht. Nachdem eine seiner Ex-Freundinnen tot aufgefunden wird und er unter Mordverdacht gerät, drängt sich Arlena als einzige Unterstützung auf. — Der Roman macht im Subtext recht schnell klar, was vorgeht, sodass sich die Spannung weniger daraus zieht, wer es war, sondern wann der junge Mann merkt, welches Spiel gespielt wird, und wie er sich aus der Ecke befreit, in die er manövriert wurde. Wie so häufig bei Uschi Gassler ist der Text spannend bis zu letzten Kapitel. Aus Gründen, die zum einen mit dem Milieu wie auch den Beschreibungen der Frauenfiguren zu tun haben, zum anderen mit dem jeweils von den Autorinnen selbst gesetzten Anspruch an Tiefsinnigkeit, fand ich es einfacher, bei Germaine Paulus meinen Wunsch nach Gesellschaftskritik in Krimis abzulegen.

Laura Dümpelfeld: Lemmy Lokowitsch – Das Syrikon-Projekt. Phantastischer Roman, bzw. ein wilder, aber gut funktionierender Mix aus Noir-Detektivroman, Journalismus-Thriller und Völkerfantasy. Der titelgebende Herr Lokowitsch (wobei Heldentum und Sympathiewerte des Ich-Erzählers durchaus diskutabel sind) ist ein alkoholabhängiger, notorisch pleiter Journalist und braucht dringend eine neue Story. Nach einem Tipp seiner Schwägerin stöbert er einem Waffenhersteller hinterher und findet dabei einen Hinweis auf merkwürdige Experimente … — Die Autorin hat hier einen postkolonialen Pageturner geschaffen, der theoretisch auch ohne Fantasy-Elemente funktionieren würde. Diese sind aber eine nette und ausgeklügelte Dreingabe, und als Bonus gibt es weder eine Romanze noch müssen die weiblichen Figuren trotz Petticoats die Damsel in Distress sein.

Tommy Krappweis: Ghostsitter, Band 1 – Geister geerbt. Urbane Fantasy für Menschen ab 8. Ich wollte wissen, was ich dem Pseudoneffen geschenkt hatte, und siehe da: Ich durfte das Buch von ihm ausleihen. Der 14-jährige Tom erbt eine Geisterbahn. Eine mit echten Geistern, bzw. einem Geist, einem Zombie, einer Mumie, einem Vampir und einem Werwolf. Doch kaum tritt Tom das Erbe an, erscheint ein mysteriöser Mensch, der ihm diese Geisterbahn um jeden Preis abspenstig machen will. — Die Romanbearbeitung einer Hörspielreihe hätte ein paar mehr weibliche Sprechrollen vertragen können, aber Tommy Krappweis bringt diese Fast-nur-Männer-WG so sympathisch rüber, dass es einfach ist, ihm den Bechdel-Test-Fail zu verzeihen.

Carsten Steenbergen: Im Reich des toten Königs. Fantasy. Stand Mai 2022: Nicht beendet. War mir zum Zeitpunkt des Lesens irgendwie zu viel des Machismo seitens des Ich-Erzählers.

Tobias Hartmann: Im Dienste der Gerechtigkeit. Krimi-Soap. Die vier einfach gestrickten Fälle sind hier weniger Kaufgrund als die Tatsache, dass die beiden Hauptfiguren regelmäßig die vierte Wand durchbrechen und auch ansonsten sehr witzig sind. Menschen, die sich mit Pforzheimer Lokalpolitik auskennen, werden durch Anspielungen auf selbige noch auf einer zweiten Ebene unterhalten.

Tina Skupin: Valkyrie. Ruf des Schicksals und Valkyrie. Hels Armee. Band 2 und 3 der Reihe um die Walküre Frida, die sich mit neuen und alten Norsen, einem undurchsichtigen Chef namens Loki und der „Odinskirche“ herumschlagen muss, die mit dem Odin, den Frida kennengelernt hat, nicht mehr viel zu tun hat. Wie gewohnt eine temporeiche, gelungene Balance zwischen Witz und Grusel, die sich sehr schnell wegliest.

Ben Aaronovitch: Die Silberkammer in der Chancery Lane. Ein neuer Fall für Peter Grant. Was soll ich sagen? Der Autor weiß, wie Serien funktionieren, schreibt weiterhin spannende Krimis mit interessantem Weltenbau und beginnt im zweiten Band der zweiten Staffel nun einige Fäden zu verknüpfen, von denen zumindest zwei nicht gerade als nebeneinanderliegend erwartet werden.

Malika Mokeddem: Das Geheimnis der Mutter. Zeitgenössischer Roman um die Ärztin Selma, die als junge Frau von Algerien nach Frankreich ausgewandert ist. Nach dem unerwarteten Tod einer Patientin erinnert sie sich daran, dass sie als Kind beobachtete, wie ihre Mutter ein Neugeborenes mit einem Kissen erstickte. Auf einer Reise ins Dorf ihrer Kindheit sucht Selma Antworten und reibt sich wie schon als Kind an dem Schweigen wund, das die dortigen Sitten den Menschen abverlangen.

Claudia Bierschenk: Land ohne Verben. Autobiographie. In zahlreichen lebendigen Miniaturen erzählt die Autorin von ihrer Kindheit in den 1980ern „drüben“ in Thüringen. Die Familie wohnt nicht weit von der innerdeutschen Grenze, „dem Zaun“, und auch hier reibt sich ein Kind an all dem wund, was nicht gesagt werden darf.

Judith Coffey und Vivien Laumann: Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen. Ein Buch, das definitiv einen Re-Read braucht. Deutschsprachige Menschen haben ein etwas merkwürdiges Verhältnis zum Wort „Antisemitismus“ – oftmals wird eher diskutiert, was ein Antisemitismus-Vorwurf bezweckt, als dass über den Inhalt der ursprünglich kritisierten Aussage reflektiert wird. Und das ist, von außen und aus jüdischer Perspektive betrachtet, so symptomatisch wie peinlich. Daher: Lest dieses Buch.

Candice Carty-Williams: Queenie. Gesellschaftsroman. Die titelgebende Queenie lebt in London, ist Schwarz, 25 und wurde von ihrem langjährigen (weißen) Freund auf „Beziehungspause“ gesetzt, weil der sie „zu anstrengend“ findet. Gleich zu Beginn fällt auf, dass sie so anstrengend gar nicht sein kann. Denn als sie per Zufall bei einer gynäkologischen Routinekontrolle erfährt, dass sie vor Monaten eine Fehlgeburt erlitten hat, sagt sie zum Kindsvater: nichts. Stattdessen sucht sie Ablenkung in Sexkapaden, die ihr nicht guttun, und fängt sich auf Arbeit einen hartnäckigen Verehrer ein, der sie am Ende beinahe den Job kostet. Wie sich Queenie aus diesem Schlamassel befreit, ist zwar mit trockenem Humor beschrieben, empowernd und spannend bis zur letzten Seite, aber am Ende bleibt ein tiefgreifendes Unbehagen über den Zustand der Welt allgemein und den weißer Menschen im Besonderen.

Tobias Ginsburg: Die letzten Männer des Westens. Antifeminismus, rechte Männerbünde und die Krieger des Patriarchats. Ein Sachbuch. Der Autor hat zu dem konservativ-rechten-christlichen Filz recherchiert, der am liebsten wieder in den 1950ern leben würde (oder noch früher). Die von ihm beobachteten und undercover interviewten selbsternannten Verteidiger des Abendlands und der echten Männlichkeit sind gleichzeitig bemitleidenswert und saugefährlich.

Olivia Kuderewski: Ha ha Heartbreak. Roman. Das Buch wurde mir vom Verlag zugesandt, da ich mit der Autorin eine gemeinsame Veranstaltung zu wuppen hatte. Wahrscheinlich hätte ich es nicht gekauft, aber es hat sich trotzdem gelohnt, es zu lesen. Die namenlose Ich-Erzählerin hat eine schmerzhafte Trennung (und eine nicht so rosige Beziehung) hinter sich. Wie sie sich neu sortiert und nebenbei ihre Sozialisation überdenkt, überfällt die Lesenden mit einem Stream of Consciousness, der einen nicht zu verachtenden Sog entwickelt.

Christian Meyer: Flecken. Roman. Das Buch wurde mir vom Verlag zusammen mit Olivias Buch zugesandt, weil sie dachten, ein ace Protagonist könnte mich vielleicht interessieren. Und ich fing an zu lesen in der festen Überzeugung, dass ich da nachher eine total ausführliche und wohlwollende Besprechung verfassen würde. Es sollte anders kommen. Obwohl da ein Ace drin ist und ich Sarkasmus üblicherweise zu schätzen weiß, wurde ich mit dem Protagonisten und seiner herablassenden Art nicht warm genug, um mehr als ein Viertel des Textes zu schaffen. Sorry!

Patricia Eckermann: Elektro Krause. Roman. Eine äußerst kurzweilige Geisterjägergeschichte um neue und tote Nazis, mit denen sich eine Afrodeutsche Elektrikerin im Sommer 1989 rumschlagen muss. Mit einem Schuss Queerness. Ja, hier steht nicht viel, weil Elektro Krause halt das ist, was ich unter bester Unterhaltungsliteratur verbuche: Machte sehr viel Spaß, ohne mich gefühlsmäßig oder intellektuell zu überfordern. Könnte einen zweiten Band vertragen.

Plus, wie immer, eine Riesenmenge Fanfiction.

#Bücherhamstern, zum Zweiten

Neben einer Heft-Edition folgt nun die Edition Rechts der Mitte.

Noch nicht gekauft, da hoffentlich signiert zu erwerben, ist Eine Socke namens Rechts von Christian von Aster und Sabine Klotzsche. (Was soll ich sagen? Ja, schon wieder von Aster. Denn: Asti macht geilen Scheiß.)

Ein Interview in der Siegessäule machte mich auf Tobias Ginsburgs Die letzten Männer des Westens aufmerksam. Auch das werde ich wohl kaufen und dann allen geben, die es brauchen können. Wobei Männlichkeitskult, Heldentum und Faschisten bzw. Diktatoren, die nicht zugeben würden, dass sie Faschisten oder Diktatoren oder sogar beides in Personalunion sind, zumindest für meineeine bereits zusammenhängen — einer von denen hat zwei Grenzen weiter eine Invasion vom Zaun gebrochen, die seine Untertanen nicht „Krieg“ nennen dürfen. (Theoretisch wären es ja russische Staatsbürger*innen, aber Vlad the Bloody II. Putin hätte wahrscheinlich nichts dagegen, zum Zar ernannt zu werden. Ein wenig in die ähnliche Richtung argumentiert das Nollendorfblog: „Warum Europas Freiheit am Tampon-Behälter im Männerklo verteidigt wird“)

Apropos Bücher brauchen.

Der weiße Fleck

Bereits verliehen ist Der weiße Fleck von Mohamed Amjahid, nachdem sich eine Person meines Vertrauens ungläubig zum ZDF-Film über die Wannsee-Konferenz äußerte. Wie Menschen andere so entmenschlichen könnten. Ich hatte mich nicht gewundert, was einerseits einem gewissen Zynismus geschuldet sein dürfte, zum anderen der Tatsache, dass ich den von dieser Person regelmäßig ausgeliehenen FOCUS mehr deswegen lese, um zu wissen, für wie politisch mittig sich der Mainstream hält. (Antwort: Sehr. Aber ist er es auch?)

Ins selbe Horn tuten Anne Ottos Woher kommt der Hass? (sind wir nicht alle ein bisschen autoritär?) und zumindest auch dem Titel nach der leider nicht mehr bespielte Gjallarhorn-Weblog bzw. Odins Auge des Nornirs Aett.

#Bücherhamstern, zum Ersten

Ich bin an diesem Nicht-so-richtig-Buchmesse-Samstag hoffentlich viel unterwegs, daher also ein wenig früher:

Weil ich schon immer Probleme hatte, mich an Vorgaben zu halten (vor allem im Kunstunterricht), geht mein erstes #bücherhamstern-Posting gar nicht zu Büchern, sondern zu Heften.

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MaroHefte Nummern 2 und 1 von links. Freiwillig zensiert, obwohl eigentlich nichts zu sehen wäre, das irgendwie pornös ist.

Der MaroVerlag macht nämlich nicht nur Bücher, sondern seit Kurzem auch zweimal jährlich schicke Hefte mit einem Essay und passender Kunst dazu.

Empfehlen kann ich vor allem die Nummer 2: „Das Jungfernhäutchen gibt es nicht“ und nicht nur wegen des genialen Titels die Nummer 1: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe das erste Quinoa-Bällchen“.

Zwei völlig verschiedene Themen, beide aber zum Nachdenken. In einem Fall über den eigenen Sprachgebrauch — nicht nur über Jungfern und Jungfrauen und angeblich zugehörige Häute, sondern auch über die Frage, wie viel Scham in die Anatomie des menschlichen Schritts gehört.

Im anderen Fall hinterfragt eins hoffentlich später das eigene „ökige“ Konsumverhalten — und den Kapitalismus im Allgemeinen.

Gelesen 2021

Die alljährliche Aufstellung, falls wer noch Impulse abseits der Auslagen in großen Buchläden sucht.

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Pirate Aba: The Wandering Inn 1 & 2The Wandering Inn ist eine Webserie, die noch nicht beendet wurde. Die fertigen Staffeln gibt es auch als E-Bücher, was nett ist, wenn eine nicht am leuchtenden Bildschirm lesen möchte. Die Grundidee ist genial: Eine Gruppe Magier holt Menschen aus der uns bekannten Welt in eine Welt voller Level. Und so wird Erin, die Protagonistin, einfach nur dadurch [Innkeeper Level 1], indem sie in einem verlassenen Wirtshaus die Tische abwischt. Nebenbei gibt es noch Skills/besondere Fähigkeiten zu erwerben. Der erste Teil liest sich locker weg, obwohl er zwischen mehreren Ich-Erzählstandpunkten und mehr oder weniger Allwissender Perspektive hin und her schwankt. Bei Teil 2 stört mich die Serien- und Compterspieltendenz zu noch größeren und gemeineren Schurken/Gefahren, die ohne schönes Foreshadowing auftauchen, außerdem schwankt die Autorin zwischen teilweise extemer Ernsthaftigkeit und dann wieder völliger Albernheit. Nichts gegen Comic Relief, aber so ein bisschen sollte es dann doch zusammenpassen. Daher Teil 2 nicht beendet, obwohl die Antinium das interessanteste „Volk“ sind, das mit seit Langem in der Fantasy begegnet ist.


Diverse/Unbekannt, herausgegeben und übersetzt von Rudolf Simek et al.: Sagas aus der Vorzeit – Von Wikingern, Berserkern, Untoten und Trollen, Band 1: Heldensagas und Band 2: Wikingersagas. — Eine Übersetzung altnordischer Sagas, die vom 12. bis zum 14. Jahrhundert enstanden sind. Mit Unterbrechungen gut lesbar.

Dass altnordische Helden sich einen Namen mit Plünderungen und Kriegen gegen andere Kleinkönige machen und häufig unter dramatischen Umständen sterben, weil sie sich zwischen zwei Verpflichtungen aufreiben, passt nicht zum heutigen Bild von Heldentum. Als Zeitzeugnisse und Hinweise auf die damalige Mentalität (und darauf, was im skandinavischen Hochmittelalter als eine gute Geschichte galt), sind die Heldensagas äußerst interessant. Für Suspense taugen sie in der Postmoderne kaum — am Ende sind alle tot. Diesbezüglich am spannendsten ist die Völsungensaga, und deren Ende war mir leider bereits bekannt. Ansonsten: Hätten Sie’s gewusst? Siegfried der Drachentöter hat dunkle Locken und starke Wangenknochen. Und über Ivar „den Knochenlosen“ darf zumindest als Sagafigur spekuliert werden, ob er ein Ace war.


Jennifer Hauff: Verschnitt — Medizinthriller. Ein alternder Medizinprofessor leidet unter seltsamen Krankheitszeichen. Ein Grund für ihn, seine Forschungen weiter zu forcieren: Geschlecht sei reine Erziehungssache. Das will er mit „Vereindeutigungs“-Operationen und Hormongaben an Kindern mit Intersexualität beweisen. Eine OP-Assistentin kreidet ihm den Verlust ihrer geliebten Schwester an — vergiftet sie ihn? Und wieso hat der Bruder der OP-Assistentin noch eine Rechnung mit ihr und dem Prof offen? Die drei Fäden sind dicht verwoben, bis zum spannenden und nicht vorhersehbaren Schluss.


Wendelgard von Staden: Nacht über dem Tal. Eine Jugend in Deutschland — Autobiographie einer Landadeligen von quasi gleich um die Ecke, oder, um mit den Worten meiner Mutter zu sprechen: „Hast du gewusst, dass in Vaihingen ein KZ war?“ (Vahingen/Enz, und ja, das wusste ich schon vorher, man begegnet auf dem Weg zum Bahnhof den Wegweisern zur Gedenkstätte). Sprachlich schlicht, aber nachdrücklich berichtet die Autorin von 1940 bis 1946. (Siehe auch zugehöriger Blogpost.)


Mithu Sanyal: Identitti — ein Roman über Identitäten und Rassismus mit einem Klecks Phantastik. So saugeil, dass ich nur wortlos und begeistert mit den Armen rudern kann. Das Buch ist mit Post-its versorgt und wird sicher noch einmal gelesen — wozu ich als Erwachsene sonst selten den Drang verspüre.


Christian von Aster: Die wahrhaft unglaublichen Abenteuer des jüdischen Meisterdetektivs Shylock Holmes und seines Assistenden Dr. Wa’tsun — eine Conan-Doyle-Pastiche, die es nur für die Startnext-Finanzierenden gab. Äußerst unterhaltsam, dabei lebensklug und mit mehr Überraschungen, als ein Kampfkrake Arme hat.


Saxo Grammaticus: Gesta danorum/Die Geschichte der Dänen — was auf dem Titel steht. Übersetzt von Paul Herrmann und Carl Knabe. Im zweiten Anlauf diesen eher unübersichtlichen und schwerfällig erzählten Mix aus Mythologie, Sagastoffen und etwas echter Geschichtsschreibung geschafft. Aber was will eine von einem mittelalterlichen Mönch, der schon in der Einleitung schreibt, dass er eigentlich keinen Bock drauf hat, weil er so was nicht kann? Notiert unter Zeugs, das der damalige Bischof wohl besser an wen anders delegiert hätte.


Joanne M. Harris: Runemarks — dystopische Fantasy. Wir sind in England, fünfhundert Jahre nach Ragnarök. Eine neue Gesellschaft hat sich aus den Ruinen der Neuzeit erhoben, das Technologielevel ist etwa auf dem Stand unseres 17. Jahrhunderts. Die vierzehnjährige Maddy ist mit einer „Runemark“ geboren und hat einen guten Draht zu Magie und Übernatürlichem, weshalb sie den restlichen Dorfbewohnenden suspekt ist. Und dem „Order“ sowieso. Dessen nummerierte Agenten vertreten die neue Staatsreligion. Dazu noch ist Maddy mit dem Landstreicher Old One-Eye befreundet. Als der beschließt, mit Maddys Hilfe den Schatz unter einem Hügel im Umkreis des Dorfes zu heben, kommt es zu einer Konfrontation zwischen alten und neuen Gottheiten — Ragnarök ist vielleicht noch lange nicht zu Ende.

Spannend und wendungsreich nutzt die Autorin Ideen aus der nordischen Mythologie. Gute Unterhaltung, die aber bei mir keinen nachhaltigen philosophischen Eindruck hinterließ.


Patrick Geary: Europäische Völker im Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen — ein Sachbuch, das enthält, was draufsteht. Der Autor, ein Historiker für Spätantike und frühes Mittelalter, untersucht den Begriff des „Volks“ von Herodot bis Karl dem Großen. Und stellt fest, dass sich unter dem gleichen Namen (wie „Franken“) über die Zeit verschiedenste Konzepte und Menschen verbergen. Falls also wieder irgendwer behauptet, dass „die Deutschen“ seit Jahrhunderten, wenn nicht seit der Antike irgendwie die gleichen Menschen mit den gleichen Idealen sind: Dieser Text beweist das Gegenteil.

Bevor die Quellen editiert werden konnten, musste man einen Kanon jener überlieferten Aufzeichnungen erstellen, die tatsächlich als Quellen deutscher Geschichte gelten konnten. Das heißt, man musste definieren, was „Deutschland“ in der Vergangenheit bedeutete, und diese Vergangenheit als Vor- und Frühgeschichte deklarieren. Die Herausgeber der Monumenta erfüllten diese Aufgabe, indem sie sämtliche Texte aus oder über Regionen erfassten, in denen germanisch sprechende Völker gesiedelt oder geherrscht hatten.

Es hätte somit auch anders ausgehen können mit dem Deutschtum …


Ben Aaronovitch: What Abigail Did That Summer — Urbane Fantasy, Kurzroman. Hier channelt der Autor auf sehr sympathische Weise eine dreizehnjährige, nerdige „mixed-race“ Besserwisserin und schickt sie mit sprechenden Füchsen auf die Suche nach einigen vermissten Teenagern. Wie alles von Ben Aaronovitch spannend, unterhaltsam, mit unaufgeregter LGBTIA+-Repräsentation und auf eine angenehme Weise die Sehgewohnheiten hinterfragend.


Johannes Kram: Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber … — das Sachbuch beschäftigt sich damit, wie Schwulen- und Homosexuellenfeindlichkeit im 21. Jahrhundert aussieht, und wie sie sich in der Frage „Was wollt ihr denn noch alles?“ manifestiert. Als sei es der Job sexueller Minderheiten, für jeden Klecks menschenwürdiger Behandlung dankbar zu sein.


Anja Bagus: Die Zeitarbeiterin — episodenhaft erzählter Roman um eine Studentin, die aus Geldnot bei einer Zeitarbeitsfirma anheuert und dadurch den merkwürdigsten Menschen begegnet. Außer ihrem einen Kollegen, den findet sie vielleicht etwas zu gut.

Diese autobiographisch angehauchte Erzählung ist leider viel zu schnell rum, denn Mia und ihre Kolleg*innen sind zumindest mir sehr ans Herz gewachsen, von denen hätte ich noch fünfzig Seiten mehr vertragen.


Isa Theobald: Anouk 2 – Sterben bringt Glück. — Zweiter Teil der Urban-Fantasy-Serie um Anouk, Sukkubus und Vollstreckerin des Kuratoriums. Zwischen dem unvermeidbaren Haufen Sexszenen drückt Isa Theobald gehörig aufs Tempo und schafft einen Pageturner mit interessantem Weltenbau und einem Haufen sympathischer, aber teilweise undurchsichtiger Figuren. Es lohnt also, den etwas holprigeren ersten Teil der Serie zu lesen. Der ist, wie bereits erwähnt, ebenfalls zum Wegsuchten, aber die Exposition hat eine kleine Lücke.


Bernhard Stäber: Wächter der Weltenschlange – Midgards Schild. — Zweiter Teil der letztes Jahr begonnenen Urban-Fantasy-Duologie. Wir folgen Malin und Rune, die den letzten Nachkommen der Weltenschlangen zum Nordkap bringen müssen. Dabei werden sie weiterhin von drei Disen verfolgt, die den Weltenbrand zu verhindern suchen. Außerdem ist noch mindestens eine weitere Partei an dieser Reise interessiert.

Mit diesem Buch hat die Duologie einen würdigen und sehr stäber-esken Abschluss bekommen: Wer offene Fragen nicht mag und gern romantische Klischees bedient sieht, wird mit dem Text nicht glücklich. Alle anderen erleben einen zauberhaften Streifzug durch die Mythen und Sagen der Norweger und Saami und müssen sich Fragen nach Schicksal, Vorbestimmung und freien Entscheidungen stellen.


Anette Juretzki: Sternenbrand (1: Blind und 2: Blau) — Space Opera in zwei Teilen. Dass mir Deutschsprachiges begegnet, das wie Albenbrut aus Platznot in zwei Teilen erscheint, kommt auch selten vor. In Sternenbrand treffen wir eine Söldnercrew auf der Suche nach Hinweisen auf den Verbleib der rätselhaften „Phantome“, die vor hundertfünfzig Jahren beinahe die Galaxis verwüstet hätten.

Neben einer verwickelten Liebes-Dreiecksgeschichte um drei männliche Wesen serviert die Autorin einen schönen Weltenbau und einige Wendungen, die ich so nicht erwartet hätte. Grundsätzlich ist es aber noch M/M bzw. „Gay“, daher für Menschen nicht zu empfehlen, die ihre SF lieber ohne viel Liebesgeschichte haben.


N. K. Jemisin: The City We Became — der Auftakt zu einer neuen phantastischen Serie, wobei ein Argument zu führen wäre, dass es sich um Horrorliteratur im besten Sinne handelt. Diesmal entführt uns N. K. Jemisin ins heutige New York City. Das wird gerade zu einer eigenständigen Entität und sucht Avatare. Doch eigenständige Städte bedrohen ihre Gegenstücke in den Paralleluniversen, daher fährt die „Frau in Weiß“ ihre Tentakel aus, um die Stadtwerdung zu verhindern …

Ganz wie bei dieser Schrifstellerin zu erwarten, treffen wir hier keine einfache Urban Fantasy mit den üblichen Versatzstücken wie Werwesen, Blutsauger*innen und dämonischer Unterwelt, sondern ein Problem auf einer weit kosmischeren Skala mit einigen Lovecraft-Anleihen. Wobei sie hier beweist, dass, egal wie schräg die nicht-euklidische Geometrie wird, die ganz normalen menschlichen Abgründe weitaus gruseliger sind.


Dana Brandt: Die Hüterin – Scheiß auf Schicksal — Urbane Fantasy. Eine junge Frau in wirtschaftlichen Nöten findet einen Ring, der sie zur Hüterin der Magie Europas macht. Und hat erst mal keine Lust auf diese Halluzination …

Neben einer erfrischend fluchenden Heldin, die keine sein will, und einigen wirklich charmanten Nebenfiguren (unter anderem Bäume, die beim Kartenspiel schummeln), treffen wir auf einen interessanten Weltenbau. Sich erneuernde Magie, Zaubereibegabte, die mit den Magiewesen im Clinch liegen und alles tun würden, um die neue Hüterin klein zu halten … Wer keinen allzu großen Wert auf wenig Flüche und makellose Grammatik legt, ist hier sehr gut unterhalten.


Lee Bardugo: Shadow and Bone, Siege and Storm, Ruin and Rising (erste GrishaVerse-Trilogie) — Lee Bardugo sagt von sich selbst, dass sie „Tsarpunk“ (im Vergleich zu Steampunk) verfasst hätte, was ungefähr passt. Wir treffen russische Einflüsse (von der Gesellschaft bis zu einigen Märchen-, Geschichten- und historischen Anleihen wie Rasputin) in einer einnehmenden High-Fantasy-Welt, in die einst ein mächtiger Grisha (Zauberer) ein Loch aus Dunkelheit gerissen hat. Dort vernichten drachenartige Wesen jedes Leben, und der Riss breitet sich zudem immer weiter aus.

Hoffnung auf ein Ende dieser Plage keimt im Zarenhaus auf, als sich die junge Soldatin Alina als Sonnenbeschwörerin herausstellt. Sie wird aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und soll nun im Palast der Grisha ihre Kunst perfektionieren. Doch so einfach ist das alles nicht, denn sowohl der oberste Grisha als auch ein undurchsichtiger Priester am Zarenhof haben eigene Pläne.

Die Trilogie liest sich dank eines meisterhaft gesetzten Tempos und konstant gehaltener Spannung ratzfatz weg. Obwohl es „Young Adult“ ist, sind die moralischen Fragen, vor denen Alina steht, alterslos.


H. P. Lovecraft: diverse Versuche mit Kurzgeschichten und Schatten über Innsmouth (nicht beendet). — Eventuell bekomme ich noch raus, was außer dem Konzept von kosmischen Tentakelpriestern an Lovecraft so toll sein soll. Die Weite des Weltalls find ich offenbar nicht gruselig genug. Und über den aus jeder Zeile tropfenden Mittelschicht-Chauvinismus mit extra viel Rassismus kann ich mich zwar gruseln, aber ich habe das genug in live (siehe AfD-Wahlplakate), und so schön ist die Sprache dann doch nicht, dass ich darüber hinwegsehen kann.


Mary Renault: The Charioteer — schwules Coming-of-Age im Weltkrieg. The Charioteer ist ein Klassiker der schwulen Literatur und erstmals 1953 erschienen. Wir treffen den kriegsversehrten Laurie, der sich in einen Kriegsdienstverweigerer verliebt, der im Militärkrankenhaus Pflege-Ersatzdienst ableistet. Nebenbei trifft Laurie einen alten Schulkameraden wieder, für den er vor Jahren geschwärmt hatte. Wen Laurie hinterher abkriegt, wird nicht verraten, aber es gibt ein Happy End — eine Seltenheit für schwule Literatur aus der Zeit.

Der Roman hätte ein typisches Melodrama von einer Dreiecksgeschichte werden können, aber dafür setzt Mary Renault die Akzente zu dezidiert auf die Frage nach Identität und Community. Eine gemeinsame Verfolgung und/oder eine gemeinsame Marginalisierung wirft uns mit allerlei Menschen in eine Gruppe, mit denen wir sonst keine Gemeinsamkeiten haben. Egal um welche Minderheit es sich handelt. Inwieweit muss/will eins solidarisch sein? Muss ich diese Leute mögen? Muss ich mich zuerst als Teil der Minderheit verstehen und dann als etwas anderes? Und was unterscheidet eine beliebige ausgegrenzte Gruppe von einer Community? Diese Fragen sind, wie sich zeigt, zeitlos. (Referenz auch dazu die Talk-Serie Community, quo vadis? von 100 % Mensch.)


Ria Winter: Der Feuervogel von Istradar — Slavic Fantasy. Eine Diebin mit Meinungen zur Politik und eine Palastwächterin in Istradar begegnen sich, als die Diebin versucht, im Palast etwas zu stehlen. Der berühmte Feuervogel von Istradar ist jedoch schon Monate vor dem Einbruch aus der Schatzkammer verschwunden. Weil die Wächterin meint, dass die Diebin etwas darüber weiß, spioniert sie ihr hinterher. Aber der Feuervogel ist unauffindbar und die politsche Lage spitzt sich zu — ohne Feuervogel keine Allianz mit dem Zaren. Damit ist Istradar von einem Krieg bedroht. Nebenbei kommen sich die beiden Frauen langsam näher.

Der Roman ist spannend und liest sich schnell. Neben dem überzeugenden Weltenbau, der mit seinen slawischen Einflüssen für die hier stilbildende angloamerikanische Fantasy eher rar ist, bestechen vor allem die liebenswerten, runden Nebenfiguren und die zahlreichen hübschen Wendungen.


Christian von Aster und Holger Much: Das Koboltikum — Illustrierte phantastische Anthologie. Christian von Aster hat hier einige Kurzgeschichten und Balladen über Kobolde versammelt. Die sind oft schräg — sonst wäre es nicht von Aster — manchmal fies, manchmal komisch und manchmal liebenswert. Dazu hat Holger Much die Kobolde, wie immer detailverliebt und zauberhaft, illustriert.


Alice Oseman: Loveless — Coming-of-age/Young Adult. Die achtzehnjährige Georgia ist zum Schulabschluss noch ungeküsst und will im ersten Semester an der Uni dringend etwas daran ändern. Schließlich möchte sie nicht Loveless sein — ohne Liebe. Dazu bittet sie ihre feierfreudige Mitbewohnerin Rooney um Rat. Alles gerät außer Kontrolle, als Rooney auffällt, dass Georgias bester Kumpel in sie verliebt ist, und Georgia ermuntert, da etwas draus zu machen.

Es folgt eine asexuelle Selbstfindung mit Irrungen fast Shakespear’schem Ausmaßes, viel Humor, klugen Gedanken über die Liebe und einem völlig unromantischem Happy End, das ich totzdem zum Seufzen schön finde. Der Stil ist locker-flockig, Oseman beherrscht ihre Spannungsbögen, und zeichnet außerdem liebevoll runde Figuren, die ich einfach umarmen will.


Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit — kongeniale Aufbereitung der Menschheitsgeschichte. Von der Sprache über die Religion zum Ackerbau bis zum Kapitalismus: Harari zeigt Entwicklungen auf, die mein Geschichtsunterricht nie so thematisiert hat und befragt moderne Mythen auf ihren Gehalt. Was bietet eigentlich der Monotheismus für Vorteile, wenn Sie ihn nicht als gläubige Person verteidigen? Sind Nationalstaaten wirklich eine Errungenschaft, wie ich es noch in den späten 1990ern gelernt habe? (Siehe auch Geary oben.) Wie groß ist der Unterschied zwischen Religionen und Ideologien tatsächlich? Warum funktionieren Staaten heute anders als Imperien im Altertum? Ist ein naturnahes Leben in einem Stammesverband wirklich gewaltloser und erstrebenswert? Etc.

Wir reden noch immer von „ursprünglichen“ Kulturen, aber wenn wir mit „ursprünglich“ etwas meinen, das sich unabhängig entwickelt hat, uralte regionale Traditionen verkörpert und nicht von außen beeinflusst wurde, dann gibt es das heute nicht mehr. In den vergangenen Jahrhunderten haben sich sämtliche Kulturen unter einer Flut globaler Einflüsse bis zur Unkenntlichkeit verändert.


Askin-Hayat Dogan und Sarah Stoffers (Hg.): Urban Fantasy going queer — Kurzgeschichtensammlung. Die Herausgebenden baten 23 offen queere Schreibende deutschsprachiger Fantasy um eine Kurzgeschichte. Urban sollte es sein, und am besten noch aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreifen. Daher dreht sich in dem Sammelband nicht alles um Queerness. Was der Qualität der Geschichten aber keinen Abbruch tut. Zwischen klassischen Werwolf-Krimis und richtig originellem Zeug, mal mit gutem, mal mit fiesem Ende bewegen sich sehr unterhaltsame und oft nachdenkliche Geschichten.


Kübra Gümsay: Sprache und Sein — ein Versuch, die Grenzen der Sprache auszuloten. Was bedeuten bestimmte Perspektiven? Wo errichtet die Sprache der Mehrheit Wände für Minderheiten? Wo hindert uns Sprache am Sein, wo ermöglicht sie es erst? Was bedeutet es, durch Sprache in eine Objektposition gedrängt zu sein? Und wie erreichen wir, dass alle frei sprechen können?

Ein kluger Text über Ausgrenzung und Teilhabe, den ich nur weiterempfehlen kann. Und den ich wahrscheinlich des Öfteren zitierenn werde, denn auch an pointierter Formulierkunst mangelt es keineswegs.


… und wie immer kam dazu ein Haufen Fanfiction. Manche davon sehr klug. Hauptsächlich diente selbige Lektüre der Realitätsflucht in den stimmungsmäßig miesen Phasen: Kein Corona, wenig Heten, Happy End garantiert.

Ansonsten ist einiges angefangen, aber noch nicht fertig. Im Gegensatz zu 2021. Guten Rutsch also.

 

Loki, oder: vom Queerbaiting

 

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Sieht nicht aus wie in der Serie: Loki aus einem isländischen Manuskript, 18. Jahrhundert

In meiner Nische des Internets schlugen die Wellen hoch, als im Trailer für die Marvel-Miniserie Loki (bei Disney+) ein Steckbrief der namensgebenden Hauptfigur zu sehen war. Darin stand: „Gender: Fluid.“

Endlich versprache die Oberen bei Disney genau die Diversität, die seit dem Mittelalter Kanon ist! Der echte Loki Laufeyason ist ja mindestens die Mutter eines Pferdes mit acht Beinen und war laut Vorwürfen seitens Odin Allvaters als Amme tätig.

Selbstverständlich bin ich mir bewusst, dass der Marvel-Loki nicht mit einer Gottheit identisch ist, der diverse heidnische Menschen Alkoholika opfern. Trotzdem mag ich die Marvel-Figur (und FrostIron-Fanfiction ist sowieso seit 2012 mein Kryptonit), weshalb ich Geld für ein Abo ausgab, um die Serie anzuschauen.

Da ich niemanden mit meiner Meinung spoilern möchte und ich außerdem eine CN: Genozid, Suizidversuch habe, bei Interesse bitte hinter dem Link weiterlesen. Weiterlesen

Gelesen 2020 – zweites Halbjahr

bucheulen

Weiterhin viel gelesen, da viel weniger Termine. Weil blöderweise das beste Suchtmittel des Jahres von einem Mann stammt (hust, Ben Aaronovitch, hust) war das mit den ausgewogenen Quellen zumindest bei der ernsthaften Literatur nicht zu machen. Glücklicherweise ist ja die meiste Fanfiction von Frauen verursacht und hat einen erhöhten Anteil an Buchstabensuppen-Autor*innen, sodass ich mir ingesamt zumindest im Bereich Gender keine Gedanken machen muss.

Fiktionales

Diverse: Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Apostelgeschichte. Übersetzung von Martin Luther, 1998 sprachlich leicht modernisiert.

Ich hatte einen Rappel und dachte, wenn ich schon am Christentum rumkrittle, dann muss ich auch wissen, was ich da bekrittele. Und nicht nur ausgewählte Zitate. Matthäus wirkt ein wenig konfus. Markus dagegen kommt — bis auf die Sache mit der Auferstehung — sehr journalistisch rüber und ergibt insgesamt mehr Sinn. Anscheinend sind hier alle Widersprüchlichkeiten in Jesu Predigten geschickt rauseditiert worden. (So es diesen Jesus überhaupt gab und da nicht einfach eine Bande Endzeit-Propheten ihren Gründungsmythos in dieser Figur geschaffen hat.) Lukas hat einen Hang zur Fabulierlust, dass es eine Freude ist, wenn eine denn das nicht alles glauben muss, was er schon in der Einleitung an Garn zusammenspinnt über Maria, Elisabeth, Johannes den Täufer und allerlei mehr. Johannes versucht sich in Evangelium und Apostelgeschichte gefühlt an einem stilistischen Mittelding zwischen Markus und Lukas.

Jedenfalls spricht mich diese zweitausend Jahre alte Endzeitstimmung mit ihren für mich teils widersprüchlichen Forderungen nicht so richtig an. Soll ich nun vor allem Gott und meine Nächsten lieben, Gott dienen oder an an ihn glauben? Ist das alles eins, oder wie? Die Annahme, dass der Mensch von Grund auf schlecht ist, das ist auch nicht so mein Ding. Vgl. dazu Good Omens: Menschen sind vor allem von Grund auf Menschen. Ethisch gesehen sind in den Predigten ein paar sinnvolle und nachdenkenswerte Sachen dabei, die den Erfolg der ganzen Angelegenheit erklären (plus die geile Geschichte dazu, die damals in bekannte mythologische Kerben schlug). Nicht zuletzt die wichtigste Sache überhaupt — Nächstenliebe ist, konsequent durchgezogen, wie der Kant’sche Imperativ, extrem schwer umzusetzen. Und am Ende das einzig Wichtige, zumindest was den Rest der Menschheit angeht. Prosozial zu handeln und tatsächlich die gesamte Menschheit als die Sozietät anzuerkennen, für die gehandelt werden muss? Wer kriegt das schon hin? Aber es lohnt den Versuch. Anscheinend gibt es Menschen, die sich das mit der Rücksicht erst überlegen, wenn sie annehmen, dass ihnen irgendwer über die Schulter schaut und sie am Schluss belohnt oder bestraft. (Nennt sich autoritäre Erziehung?)

Dafür, dass das Christentum befreien soll, benutzt der Religionsstifter aber sehr oft Gleichnisse mit „Knechten“ (Sklaven), die offenbar auf ihre Befreiung im Himmelreich warten müssen. Bzw. sind sie dann ja freiwillig Knechte Gottes? Fragen über Fragen.

Jesus war offenbar Kind seiner Zeit. Damals war eine Welt ohne Sklavenhaltung schlicht undenkbar, und die längste Zeit der historischen Aufzeichnungen haben Menschen andere Menschen versklavt.  Einen theologischen Überbau zum Kant’schen Imperativ benötige ich nicht. Typen, die sagen, dass es nur eine Wahrheit und eine Interpretation gibt? Kann ich nicht brauchen. Und Leute, die mir einen Mythos als historische Wahrheit verkaufen wollen, auch nicht.

Stephan Grundy: Attila’s Treasure und Rhinegold — historische Fantasy. Attila’s Treasure ist uns als Wodans Fluch hier bei meinen Zusammenschrieben schon begegnet. Der junge Hagan (später Hagen von Tronje im Nibelungenlied) kommt als Friedgeisel an den Hof von Attila dem Hunnen und schließt eine Freundschaft, die ihn in einen Loyalitätskonflikt treibt. Die queeren Zwischentöne sind eine sehr geile Zugabe. Rhinegold zeichnet den Sagenkreis um das Rheingold und die Wölsungen als Fantasy-Roman nach. Das ist äußerst prächtig erzählt (und sehr lang).

Grundy verdient auch Anerkennung, weil er die gesellschaftlichen Verpflichtungen der Figuren nachvollziehbar macht. Was aus der nordischen und mittelhochdeutschen Dichtung so bei oberflächlichem Medienkonsum hängenbleibt, erlaubt ja kaum, die Motivationen der Figuren zu verstehen. Gebrochene Verlobungen, die aus gekränkter Stammesehre zum Krieg führen könnten? Kämpfe, denen die Helden der Völkerwanderungszeit nicht aus dem Weg gehen, statt Kompromisse zu suchen? Ein Leben, in dem man an einem Tag eine Edelfrau und am nächsten eine Sklavin sein kann, wenn sich das Kriegsglück wendet? Hier wird die vom Tod eines Otters in Gang gesetzte Handlung in all ihrer Unausweichlichkeit verständlich. Die Figuren können nicht aus ihrer Haut und ihrer Kultur, da braucht Wodan/Odin gar nicht so viel zu beeinflussen. Die Geschichte zeigt daher auch, dass jegliche Romantisierung der germanischen Stämme keinerlei historische Grundlage hat, und dass die individuelle Ehre zwar sehr nett sein kann, die Familienehre aber mitunter sehr tödlich.

Ben Aaronovitch: Die Flüsse von London, Schwarzer Mond über Soho, Ein Wispern unter Baker Street, Der böse Ort und Fingerhut-Sommer. Dazu vier ergänzende Graphic Novels — Urban-Fantasy-Krimis. Von der besten Alphaleserin der Welt empfohlen und ausgeliehen bekommen und nunmehr ebenfalls angefixt. Aaronovitch erzählt sehr witzig und mit einem genauen Auge für all die Dinge, über die sich die britische Gesellschaft in die Taschen lügt, von Constable Peter Grant. Der junge Polizist trifft eines Tages einen Geist, der einen Mord beobachtet hat. In der Folge wird Peter dem einzigen bekannten Magie Praktizierenden Englands — Detective Chief Inspector Nightingale — als Zauberlehrling zugeteilt. Wie Peter damit umgeht und dabei sein Noch-Nicht-Können kreativ gegen magische Kriminelle einsicht, ist prachtvoll zu lesen und daher für alle empfehlenswert, die keine Angst vor graphisch beschriebenen Leichen haben. Bonuspunkte für einen angenehm ausgewogenen Cast, was Geschlecht, sexuelle Orientierung und Hautfarben angeht, und für die Übersetzung, der man die englische Satzstrukturen nicht mehr auf den ersten Blick anmerkt.

Jodi Taylor: Doktor Maxwells chaotischer Zeitkompass — Zeitreise-SF. Zweiter Teil der im Frühjahr angefangenen Reihe. Wie immer galoppieren wir in einem Affenzahn die Geschichte rauf und runter und sind dabei nicht besonders tiefschürfend, aber mit viel Action unterhalten.

Akram El-Bahay: Bücherkrieg. Die Bibliothek der flüsternden Schatten 3 — Epic Fantasy nach fast wörtlicher Interpretation. Die ersten beiden Bände habe ich schon 2018 ausgeliehen bekommen, es fehlte noch der dritte und letzte Teil. Die Trilogie hat einen würdigen Abschluss erhalten, der mit dem einen oder anderen schönen Haken aufwartet.

Ben Aaronovitch: Geister auf der Metropolitan Line, Der Galgen von Tyburn, Detective Stories, Cry Fox, Water Weed, Die Glocke von Whitechapel — Krimi-Fantasy als Roman oder Graphic Novel. Mit der Glocke von Whitechapel hat die erste Staffel der Buchserie einen fulminanten Abschluss erhalten. Runtergesuchtet, daher habe ich sicher die meisten Zwischentöne verpasst. Weitergesuchtet habe ich mit Der Oktobermann — m. E. etwas zu kurz geraten, weshalb der neue Ich-Erzähler, Kriminalkommisar Tobias Winter, etwas flach bleibt. Aber in Deutschland wird die magische Verbrecherjagd jedenfalls behördlich besser organisiert als in London. Danach den ersten Band der zweiten Staffel (False Value), in dem Computing und Geister eine unheilige Allianz eingehen, und die Kurzgeschichtensammlung Tales from the Folly.

Ben Aaronovitch hat das Serien-Erzählen an Dr. Who geübt, das merkt das geneigte Publikum, und deswegen habe ich auch von „Staffeln“ geschrieben. Kaum hat eine „Cliffhanger“ gesagt, ist schon der nächste da. Neben äußerst liebenswerten Figuren, die oft nirgends so richtig dazugehören, finden wir eine äußerst reiche Fantasy-Welt, die einige Rätsel übrig lässt. Wieso altert Nightingale rückwärts? Warum zum Henker sind da sprechende Füchse unterwegs? Warum haben die Nazis die Genii Locorum der meisten deutschen Flüsse getötet? Und so weiter.

Luci van Org: Geschichten von Yggdrasil — Nordische Sagen neu erzählt. Und zwar so richtig neu. Keine schwülstige Ausformulierung des eddischen Materials, sondern mit der van Org’schen typischen Herangehensweise, also mit Humor und einem Sinn für Zwischentöne und Hintergründiges. Sodass Odin schon mal auf den Deckel bekommt, wenn er Freya Vorschriften machen will. Das ist oft liebenswert und eröffnet auf jeden Fall neue Blickwinkel, statt die x-te „Odin ist weise, Loki ist boshaft und Frigg eine duldsame Ehefrau“-Version zu bieten. Nicht alle van Org’schen Interpretationen decken sich mit meinen Eindrücken des Materials. Aber das ist halt mit guter Dichtung so: Hält ewig und bedeutet für alle ein bisschen was Unterschiedliches. Und das geilste ist: Poesie muss gar nicht nur eine Sache bedeuten! Wenn ich eine andere Meinung über Odin oder eine andere Gottheit habe, oder wenn Mythologie-Noobs Thor tatsächlich für Lokis Bruder halten: Was soll’s? Die halten das aus.

Isa Theobald: Anouk – Ein toter Djinn kommt selten allein — Urban Fantasy um einen schlagkräftigen Sukkubus. Wer Gewalt und expiziten Sex abkann, ist mit dieser Mischung aus Buffy, Lucifer und Dresden Files sehr rasant unterhalten, und dass hier weibliche Selbstbestimmung und Freundschaft statt der ewigen romantischen Liebe gefeiert wird, tut nebenbei auch gut.

Tracey Lindberg: Birdie — Zeitgenössischer Roman mit etwas magischem Realismus. (Was nur beweist, dass die Linie zwischen Gerne-Literatur und dem, das der Feuilleton feiert, sehr schmal sein kann.) Birdie ist eine junge Frau von der Kelly Lake Cree Nation in Kanada. Wir treffen sie zuerst, als sie in Lolas Bäckerei anheuert, nachdem sie sich selbst aus „der Anstalt“ entlassen hat. Nach und nach offenbaren sich dem Publikum ihre zahlreichen Verletzungen. Als sie selbst begreift, wie innerlich zerrissen sie ist, legt sie sich ins Bett, um eine Seelenreise durch ihr Leben zu beginnen. Begleitet wird sie in diesen schwierigen Wochen von Lola, ihrer Tante Val und ihrer Cousine Freda.

Der Roman erfordert auf dem ersten Drittel durch die zahlreichen Zeitsprünge ein bisschen Aufmerksamkeit. Eine auffindbare Content Notice würde manchen Menschen wahrscheinlich etwas Sicherheit geben. Gelohnt hat sich das Lesen auf jeden Fall. Lindberg erzählt spannend, obwohl an äußerer Handlung kaum etwas passiert, und sie lotet mit viel Mitgefühl Macht und Grenzen weiblicher Solidarität aus.

Die Fanfiction war wie immer sehr zahlreich. Fandoms: eine Prise Lucifer (TV-Serie), ein bisschen Jonathan Strange & Mr. Norrell (angefixt von der Serie, ich fand das Buch wesentlich weniger mitreißend), einiges an Rivers of London, und Unmengen Good Omens jeglichen Mediums. Die eigene Kontribution beschränkt sich auf eine kurze Good-Omens-Fiktion und etwa 5000 Wörter im James-Bond-Universum, die seit fast dreit Jahren auf der Festplatte lagerten.

Sachtext(e)

Angela Chen: Ace. Ausführliche Besprechung ist bereits erschienen.

Für den Beruf gelesen (Auswahl):

Martina Bilke: Auf einem Baum ein Kuckuck — Zeitgenössischer Roman. Habe nur die Korrektur gemacht, aber diese Geschichte der deutschstämmigen Ánaca aus Caracas, die ihrer früh verstorbenen Mutter und den Lücken in der Biographie der Großmutter hinterherforscht, ist eine Wucht zu lesen und kommt daher mit Empfehlung.

„Beim Märtyrer“, oder: kurzer Blick auf ein phantastisches Symbol

Weil ich grade wegen des neuen Lockdowns noch sprachlos bin und angesichts von Anschlägen und der Wahl in den USA sowieso nur hilflos mit den Armen rudere: Ein Posting über einen Fantasy-Fluch. Immerhin benutze ich selbst gern „zum Henker“.

Im September habe ich mir innerhalb von zwei Abenden „Carnival Row“ gesuchtet. Das ist eine Amazon-Serie mit derzeit einer Staffel, die acht Folgen hat. (Nur auf Englisch geschaut, bitte verzeihen Sie eventuelle Fehlübersetzungen.)

Interessierte sollten über 16 sein, graphische, aber realistische Gewaltdarstellungen, Leichen und Sexszenen abkönnen. In jeder Folge ungefähr zwei, was wohl eher ein Verkaufsargument sein soll als tatsächlich dem Plot dient. Dem hätten die gewonnenen Minuten zur Figurenschärfung durchaus gutgetan.

Die Prämisse ist folgende: Vor nur einigen Jahrzehnten wurde der Kontinent Tirnanoc von den Menschen entdeckt. Dort leben in diversen Staaten Fabelwesen. Unter anderem Zentauren, Faune, und die mit Libellenflügeln ausgestatteten Elfen.

Wie das halt so bei „Neuentdeckungen“ ist, ziehen die Menschen los, um sich Tirnanoc untertan zu machen. Vor allem beteiligt sind die großen Staaten „The Burgue“ (wie die gleichnamige Stadt) und „The Pact“/der Pakt. Aus dem Wettlauf um Kolonien zieht sich The Burgue nach einem grausamen Krieg zurück. Da der Pakt offenbar grausamer mit den Feen-Untergebenen umgeht als The Burgue, fliehen die Feen in großer Zahl in diesen London nachempfundenen Stadtstaat.

Mich interessiert hier aber weniger die etwas plakative, aber wirksame Prämisse der Serie noch der hübsch aufgebaute Kriminalfall, der die Handlung so richtig ins Rollen bringt, sondern die Gottheit, in deren Namen The Burgue flucht: „Beim Märtyrer.“ „Beim gehängten Märtyrer.“ „God’s Noose — Gottes Galgenschlinge.“

Eine Bilderfolge aus der Serie ist hier: https://imgur.com/gallery/FrNKBtE

Irgendwann vor 600 bis 700 Jahren ist da ein „Märtyrer“ namens Hosea erhängt worden. Ob er ein Prophet war, wissen wir nicht, dürfen es aber annehmen.

Und daher ist das religiöse Symbol dieser Stadt ein halbnackter Mann, der an einer Schlinge von einem Galgen baumelt. Religiöse Menschen tragen kleinere Schlingen, Mönche einen dicken Galgenstrick um den Hals. Religiös bewegte malen sich eine Schlinge auf die Brust.

Das ist nicht nur auf den ersten Blick ein wenig verstörend.

Was es damit eindrücklich schafft, ist die Wirkung des Kreuzes als religiöses Symbol in dessen Anfangszeit nachzubilden. Wir erinnern uns: Die frühen Christ*innen haben sich ein Folter- und Hinrichtungsinstrument als Symbol ausgesucht. Damals so verstörend wie heute ein Galgen oder eine Guillotine wäre.

Das ist für viele von uns Nachgeborenen trotz diverser Historienfilme kaum noch nachzuvollziehen. Ich habe keine Ahnung, ob und welche religiöse Intention seitens des Drehbuchautors dahintersteckt, aber zumindest die erste Schockwirkung dürfte eine ähnliche sein wie sie damals das Christentum verursachte. Und selbst wenn nur die das Ziel war, muss ich da echt für diese Wirkung mit einfachen Mitteln den Hut ziehen.

Bildchen wie so häufig: Clker-Free-Vector-Images from Pixabay

Gelesen: „Ace“ von Angela Chen

Vor einem guten Monat erschien auf Englisch ein Buch von Angela Chen namens „Ace – What Asexuality Reveals About Desire, Society and the Meaning of Sex“ (Beacon Press Boston, ISBN 978-0-8070-1379-3).

Da ich mir ja zur Aufgabe gemacht habe, beim Thema Asexualität wenigstens halbwegs auf de aktuellen Stand zu sein, habe ich es gekauft, und als Abschluss der Ace Week für euch eine Meinung dazu verfasst.

Wobei ich sagen muss, dass mich sonst das Cover mit diesen Flecken (Buntpapierfetzen wie früher im Kunstunterricht?) ein wenig abgeschreckt hätte. Mit dem Inhalt hat es jedenfalls erst nach einer Pause zum Nachdenken zu tun.

Kurze Inhaltsübersicht

Der Text liest sich sehr flüssig. Ausgehend von eigenen Erfahrungen hat Angela Chen einige Dutzend andere Aces interviewt und deren Geschichten in Fragestellungen an die US-Gesellschaft verwandelt:

Schadet die allgemeine Erwartung, dass Männer immer super versessen auf Sex seien, genau dieser Personengruppe?

Hat uns die sexuelle Befreiung uns wirklich freier gemacht?

Inwieweit haben wir Überschneidungen mit Vorurteilen gegenüber rassifizierten Menschen, Menschen mit BeHinderung, und religiösen Stereotypen?

Was bedeutet eigentlich „romantisch“? Wo ist die Grenze zwischen Romanzen und Frenudschaft? Und wieso ist Sex ein Maßstab bei der Bewertung, wie wichtig eine Beziehung sein darf?

Was ist „compulsory sexuality“ (Sexnormativität) und was ist hermeneutische Ungerechtigkeit? Wie verhindern unsere Vorstellungen von Sex und dem, was Menschen wollen, dass Menschen eben nicht das tun (oder lassen), was sie möchten?

Das alles bereitet Chen informativ und verständlich auf.

Sehr tröstlich ist auch die Einflechtung der verschiedenen Lebensgeschichten. Obwohl ich genug Aces kenne, tut es immens gut, ein paar Fragen und Probleme gespiegelt zu sehen, die ich auch schon hatte.

Mehr Kompendium als Erleuchtung

Der Witz ist, dass ich dieses Buch nicht unbedingt gebraucht hätte, und da werden manche ähnlich empfinden. Was Angela Chen zusammengetragen hat, wissen halbwegs aufmerksame Beobachtende der asexy Blogosphäre schon.

Ich selbst fand also in dem Buch sehr wenig neue Anstöße, sondern eher eine Zusammenfassung von klugen Gedanken, die ich bei oder dank der Asexual Agenda schon gelesen habe. Damit will ich Angela Chens Fähigkeit, pointierte Fragen zu stellen und Dinge zu beobachten, gar nicht in Abrede stellen. Es wird Menschen im asexuellen Spektrum geben, die diese Diskussionen nicht so genau mitverfolgt haben oder viel später dazugestoßen sind, und die dieses Buch dann umso mehr schätzen werden. Außerdem hat eine gedruckte, zitierfähige Zusammenfassung von Online-Diskussionen immensen Wert.

Was ist eigentlich die Zielgruppe?

Einerseits steht das erklärte Ziel des Buchs schon auf dem Cover: Wie können die Lebensgeschichten asexueller Menschen helfen, besser zu verstehen, wie die westlichen Gesellschaften in Bezug auf Sex ticken? Was können wir alle gewinnen, wenn wir Dinge aus einer asexuellen Perspektive betrachten?

Das heißt, die Zielgruppe sind vornehmlich Menschen, die sich nicht als ace begreifen.

Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob es gelungen ist, diese Zielgruppe anzusprechen.

Was es aber zu tun scheint, und da sind Sara von the notes which do not fit und ich einer Meinung mit diversen Menschen, die bei Amazon Rezensionen hinterlassen haben: Es ist hilfreich für unentschlossene Menschen und solche, die ein nagendes Unbehagen mit den Erwartungen spüren, die uns die Sexnormativität aufbürdet.

Brauche ich das?

Kommt drauf an.

Wer sowieso schon alles zum Thema gelesen hat und sich mit der eigenen Selbstbeschreibung als ace wohlfühlt, braucht es nicht unbedingt und folge weiterhin den relevanten Blogs.

Wer einen kurzen und knackigen Einstieg in die aktuellen Debatten sucht, ist hier genau richtig.

Ebenfalls sehr sinnvoll erscheint es für jene, die überlegen, ob sie sich ins asexuelle Spektrum verorten sollen oder wollen. Wir finden hier all die Selbstzweifel und Einwände, die in dieser Findungsphase am drängendsten sind.

Insofern hat Angela Chen auf jeden Fall etwas getan, das mich das Hütchen lüpfen lässt: Ein Ratgeberbuch verfasst, ohne einen einzigen Ratschlag zu verteilen.

Eine etwas andere Meinung zum Thema hat Ace Admiral.

Crosspost bei carmilladewinter.com, aktivista.net und Amazon.

Gelesen 2020 – Erstes Halbjahr

bucheulen

Lockdown-bedingt habe ich mehr gelesen als erwartet, daher eine Teilung zur hoffentlich besseren Übersicht.

G. K. Chesterton: The man who was Thursday — gelesen im englischen Original. Leicht absurder Roman mit für mich enttäuschend christlich-moralisierendem Ende, aber damit hätte ich bei Chesterton wohl rechnen müssen. Inhalt: Ein Poet, der aus Hass auf die Anarchisten (die waren zum Entstehungszeitpunkt 1908 ein echter politischer Aufreger) Polizist geworden ist, kann sich zu einer geheimen Versammlung von Anarchisten schleichen. Dort lässt er sich zu „Thursday“ wählen, einem von sieben Vertretern im Hohen Anarchistenrat. Ein Verwirrspiel mit zahlreichen Maskeraden entspinnt sich bis zum erwähnten Vollwertkost-Ende. Trotzdem: Das mehr als 100 Jahre alte Englisch liest sich flüssig, der Autor wartet mit einigen sehr eindrücklichen Sprachbildern auf, und der Weisheit: Die einzig mögliche Rebellion gegen die Rebellion ist die Vernunft.

Jeanette Winterson: Frankissstein — „Eine Liebesgeschichte“ steht als Untertitel drunter. Ry Shelley, trans Mann und Arzt, trifft Victor Stein, der an künstlicher Intelligenz forscht. Und parallel dazu (und 200 Jahre vorher) schreibt Mary Shelley „Frankenstein“. (Siehe 2019.) Man weiß nicht so recht, wo der Traum anfängt und die Realität aufhört, und dass die Autorin auf Anführungszeichen verzichtet, ist dann so konsequent wie hinderlich.

Irgendwie soll es wohl darum gehen, was Intelligenz ohne Körper und Körper ohne Intelligenz bedeuten, und dass das größte Monster immer noch der Mensch ist. (Und Byron ein Arschloch war.) Gefühlt ist das alles aber trotz seiner teils schönen, beißenden Ironie etwas verzettelt, nur bei Kenntnis aller Anspielungen zu genießen und mit Symbolen überladen. Keine niedrigschwellige Herangehensweise ans Thema. BoobBooks haben eine etwas andere Meinung dazu. Dass die dortige Autorin Mary Shelleys Ich-Perspektive feiert, ich die aber als normal hinnehme, zeigt vielleicht, dass ich von meinem Fanfiction- und eher frauenlastigen Fantasy-Konsum nachhaltig positiv verdorben verdorben bin.

Oscar Wilde: The Importance of Being Ernest — Theaterstück. Oscar Wilde zieht die Oberflächlichkeit seiner Figuren in voller Konsequenz durch und schafft es trotzdem, Einsichten in die englische „bessere Gesellschaft“ im Besonderen und die Menschheit im Allgemeinen auf eine extrem komische Art zu präsentieren. The truth is rarely pure and never simple. („Die Wahrheit ist selten rein und niemals einfach.“ Passt.)

Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandschaften — Roman von 1809. Ein verheiratetes Paar reicher Leute, zwei „Störfaktoren“, in die sie sich jeweils verlieben. Eigentlich könnte man sich unter der Hand oder mit einer Scheidung einigen und zu zwei Pärchen neu sortieren. Aber die Entstehungszeit macht den vier (wie auch Effi Briest) zu schaffen. Also sind am Ende die „unkeuscheren“ beiden (sie haben sich geküsst) tot, außerdem muss ein Kind ertrinken. Es endet mit der Verklärung einer toten jungen Frau zur Wallfahrtsheiligen. Ob die beiden Überlebenden noch zueinander finden, bleibt offen.

Aus Lektorinnensicht hätte ich Herrn von Goethe einige ominöse Tagebucheinträge gekürzt und ihn gebeten, sich das mit dem Gleichnis aus der Chemie noch mal zu überlegen, zumal er es nicht bis zum Ende durchhält. Ansonsten ist der Roman auch formal seiner Entstehungszeit verhaftet, ergeht sich also schwelgerisch in Landschaftsbeschreibungen, Abendunterhaltungen und allerlei mehr. Nichts für Ungeduldige. Wer mit dem Thema etwas anfangen kann und nicht lieber auf moderne Texte zum Thema Polyamorie setzt, bekommt ein romantisches Melodrama und Sittenbild des frühen 19. Jahrhunderts.

Unbekannt: Die Götterlieder der Älteren Edda (einmal übertragen von Wilhelm Jordan, 1889, einmal von Arnulf Krause, 2001) und Die Heldenlieder der Älteren Edda (übertragen von Arnulf Krause, 2001) — Altnordische Mythologie, und daher aus Prinzip so cool wie fesselnd. Statt Simrock gelesen, bzw. zusätzlich. Dabei ist der Krause einfacher zu lesen und die Anmerkungen sind auch für Uneingeweihte aufschlussreich. Außerdem wirft er nicht nach Gutdünken Strophen raus bzw. sortiert welche vom einen Text in den anderen wie Wilhelm Jordan. Sprachlich ist der Jordan etwas beeindruckender, weil er penibel auf den Stabreim achtet, und mit dessen Beherrschung der Autor denn auch im Vorwort angibt.

Roman Rausch: Die letzte Jüdin von Würzburg — Historischer Roman. Passend zu Corona, denn wir treffen Jaelle, die Anfang 1349 knapp dem Pogrom in Straßburg entkommt und sich nach Würzburg begibt, um dort nach Verwandtschaft zu suchen. Als junger Mann verkleidet kommt sie mit Michael de Leone in Kontakt, einem wichtigen Beamten. Als Schreiber soll sie in dessen Haus für den Würzburger Rabbi spionieren, denn die Pest breitet sich in Süddeutschland aus, und es gehen Gerüchte um, dass die Juden die Brunnen vergiften würden. Was planen der Fürstbischof und der Stadtrat deswegen zu unternehmen?

Obwohl ich dank etwas Geschichtskunde, zumal mit Würzburg-Erfahrung, genau weiß, wo mal das jüdische Viertel war (heute steht die Marienkappelle drauf) und bereits diesbezüglich recherchiert hatte, bleibt der Roman bis zur letzten Seite fesselnd. Ein von mir bemerkter Missgriff ist eine Vokalisierung von JHWH, die man einer jüdischen Figur nicht unterjubeln sollte. Jüdische Lesende dürften daher noch über mehr Dinge stolpern, die nicht passen. (Merke: Sensitivity Reading ist nützlich.)

Wir stellen angesichts der Corona-Krise fest (gerade ist April 2020), dass das mit dem Rassismus noch nicht durch ist, auch wenn noch nirgends die Bewohner:innen einer Chinatown niedergemetzelt wurden. Und Verschwörungstheorien feiern auch seit dem Mittelalter fröhliche Urständ. Wo früher Juden die Brunnen vergifteten oder Hexen das Vieh krank machten, will heute offenbar eine ominöse Verschwörung Menschen per Impfung Chips unterjubeln. (Dass kleine Spendenaffären ans Licht kommen, tausende Verschwörer aber allesamt die Klappe eisern halten, egal, ob es um Impfungen, Chemtrails oder sonst was geht und es einen Sauhaufen Kohle zu verdienen gäbe, wenn sie damit an die Öffentlichkeit gingen — Leute. Logik. Wo ist eure?)

Klopapier hingegen scheint der neue Fetisch gegen Viren zu sein. Ansonsten sollten wir uns wohl nicht zu sehr über den Aberglauben der Altvorderen und die Menschen auf dem Wildtiermarkt in Wuhan erheben. Nur weil die einen an Tigerpenisse und Schuppentierreste glauben und Teile meiner Kundschaft an Belladonna in zwölf mal 50’000facher Verdünnung, heißt nicht, dass nicht beides Zauberei ist. (Ich hab nix gegen Zauberei. Ich hab nur was dagegen, wenn jemand behauptet, es sei Naturwissenschaft. Und Tiere dafür töten … meh. Da die meisten nicht wie Thors Ziegen einfach nach der Mahlzeit wieder aufstehen, sollten man meiner Meinung nach echt zweimal überlegen, ob und wofür man Tiere tötet.)

Isa Theobald, Christian von Aster und Cora Linez: Tintenphönix — wunderschön illuminierter Text bzw. Bilderbuch für ausgewachsene und größtenteils ausgewachsene Menschen. Isa Theobald und Christian von Aster setzen sich jeweils auf ihre Art mit dem Leben und Erzählen von Lebensgeschichte auseinander. Sehr berührend und eine Einladung zum Erzählen und Erzählenlassen, bevor es zu spät ist.

Christian von Aster und benSwerk: Felix oder: Früher hießen Tauben anders — eine wie gehabt eigenwillig-sympathisch illustrierte Geschichte über Felix, der wie eine Taube aussieht, aber in Wahrheit eine Fledermaus ist. Und ein Plädoyer auf die Selbstbestimmung, denn: Wenn man erst einmal wusste, wer oder was man war, dann war man das. Ohne dass irgendjemand drüber abstimmen musste.

Ein Satz, den gewisse Kreise durchaus mal verinnerlichen könnten. (Oder: Wie wäre es mal, nicht über die Pronomen einer trans Person zu diskutieren? Oder ob sich irgendwer „queer“ nennen darf, oder … ?) Die Person, die das ausgelesene Buch zum siebten Geburtstag erhielt, hatte jedenfalls einige gute Fragen diesbezüglich.

Bernhard Stäber: Wächter der Weltenschlange I — Jörmungands Erbe — Urbane Phantastik. Der 15-jährige Rune kentert mit seinem Ruderboot auf einem norwegischen See und wird von dessen Geist, Nyk, vor dem Ertrinken gerettet. Allerdings zu einem Preis: Die Schlange im See hat ein einziges Ei gelegt, und er muss es zum Eismeer bringen, sonst stirbt er. Blöderweise sind drei Disen, weibliche Schutzgeister von Midgard, hinter dem Ei her, denn sie behaupten, es sei Jörmungands Erbe, der Ragnarök mit auslösen wird. In die Auseinandersetzung wird die Hauptfigur, Runes ältere Schwester Malin, mit hineingezogen, aber wir müssen bis zum Ende des ersten Bands warten, um zu erfahren, warum sie mehr Seiten erhält als ihr Bruder.

Auch ansonsten wartet der Text mit einem Haufen schöner Haken, brillianter Einfälle und einer glaubwürdigen Figurenzeichnung zweier mutterloser Jugendlicher auf. Aber dass Bernd Stäber Jugendliche ohne Süßholzraspel kann, hat er schon mit Feuermuse bewiesen. Ich freue mich auf die Fortsetzung. Einziger Haken, außer dass es die Serie noch nicht fertig zu kaufen gibt: Ein paar Zeichenfehler, die meinereiner sofort ins Auge sprangen, weil ich für so was bezahlt werde, dem Restpublikum aber nicht auffallen dürften.

Günter Huth: Der Schoppenfetzer und die Silvanerleiche — Würzburger Lokalkrimi. Der Aufbau ist ordentlich und hält die Spannung bis zum Schluss, der Stil liest sich äußerst flüssig. Im Vergleich zu Claudia Konrads hiesigen Lokalkrimis vermisse ich ein wenig, dass man den Dialogen „des Frängische“ nicht anmerkt. In den Dialogen ist kein einziges „fei/frei“! Eine Romanze ist allerdings angenehm abwesend. Ansonsten: Wäre ich Krimi-Fan, würde ich den nächsten Band auch lesen wollen.

Tina Skupin: Valkyrie — Zurück ins Jetzt — Urbane Fantasy. Der Weltenbau geht davon aus, dass alle Gestalten der nordischen Mythologie und skandinavischen Volkssagen „norsische Völker“ sind, die einst über die Menschen herrschten. So auch die Walküre Frida, unsere Ich-Erzählerin. Nachdem sie für ihren Herrn und Gebieter Odin einen Stamm Varäger/Werwölfe verflucht hat, fällt sie in Ohnmacht und wacht tausend Jahre später wieder auf, im Umland des heutigen Stockholm. Asgard ist nirgends zu finden, dafür leben die Norsen jetzt verborgen unter den Menschen. Auf der Suche nach einem Weg zurück nach Asgard stolpert Frida von einem Missgeschick ins nächste.

Ein wenig hätte die Autorin aus Fridas Kulturfremdheit mehr Humor generieren können als aus den zahlreichen popkulturellen Anspielungen, und manchmal fehlte mir der Suspense, der entsteht, wenn ich eindeutig mehr weiß als die Hauptfigur. Ansonsten  besticht der Weltenbau mit seiner Originalität, die vielen Figuren sind trotzdem vielschichtig, die Wendungen wissen in ihrer Unvorhersehbarkeit zu gefallen, und die Auflösung ist schlicht, aber es wird genial davon abgelenkt. Ich bin eindeutig gespannt, was weiter passiert.

Jodi Taylor: Miss Maxwells kurioses Zeitarchiv — Zeitreise-SF. In einer nicht näher bezifferten, aber nicht allzu weit entfernten Zukunft wird die Archäologin „Max“ Maxwell von einem speziellen und gut verborgenen Institut engagiert, um historische Fakten per (gut geheim gehaltener) Zeitreise zu verifizieren. Logischerweise haben einige Menschen im Institut mehr Geheimnisse als andere, außerdem gibt es wohl Konkurrenz aus der Zukunft, die sich einen Dreck um die oberste Regel schert: Verändere niemals die Zeitlinie. (Die nächstwichtige Regel lautet: Hole die Batterie aus dem Rauchmelder, damit das ständige Gepiepse nicht alle nervt.)

Jodi Taylor hat hier ein solide konstruiertes Rätsel aufgebaut, dessen Lösung noch zwei Bände dauert. Hinter all den romantischen Verwirrungen und einer unnötig detaillierten Sexszene tritt der eigentliche Weltenbau leider etwas zurück. Amerika hat seine Grenzen dichtgemacht. Faschisten wurden gewaltsam aus Cardiff vertrieben. Was da wohl passiert ist seit heute? Viel Tiefgang darf eins hier jedenfalls nicht erwarten, dafür wie gesagt gute Unterhaltung.

Isa Theobald und David Gray: Requiem für Miss Artemisia Jones — Horrorkomödie. Die jungfräuliche Bibliothekarin Artemisia Jones wird auf einen einsamen Adelssitz gelockt, wo sie vorgeblich die Bibliothek ordnen soll. Tatsächlich aber braucht eine Bande Satanisten sie als Opfer. Satan, der Jungfrauenopfer sonst reichlich dröge findet, wird von seinen Finsterlingen darauf aufmerksam gemacht, dass diesmal ein „potentiell nerviges irdisches Phänomen“ daraus entstehen könnte. Er und seine beste Freundin Asrael, der Todesengel, beschließen, die Gentlemansatanisten mit ihrer Anwesenheit zu beehren.

Trotz aller ekligen Todesarten und abscheulichen Menschen besticht dieses Buch mit einigen wunderbaren Einsichten: Es gibt nichts besseres, als mit einer sozusagen charaktermäßigen Faulheit gesegnet zu sein. Wer faul ist, der ist nämlich auch gelassen (…). Und vor eurer Gelassenheit hat der Alte so richtig Angst. Die passt ihm nicht, weil gelassene Wesen sich nämlich hin und wieder Zeit zum Nachdenken nehmen und seinem Bluff (…) auf die Schliche kommen könnten.

Dieses Zitat gilt übrigens nicht nur für die Kirche, sondern auch für alle anderen, die hoffen, dass eins in blinder Panik ihre hasserfüllten Parolen nachplappert.

Dazu detailverliebte Schilderungen englischer Landhäuser, okkulter Bücher und einer Hölle, wie Sie sie noch nicht gesehen haben. Ein wenig erinnert das alles an Good Omens, auch vom Tonfall her, ist aber weniger jugendfreundlich. In einem Rutsch weggelesen. Ich freue mich auf die Fortsetzung.

Claudia Speer: Der Normanne und die belagerte Stadt — historischer Roman, dritter in der Reihe, die ich Anfang letzten Jahres las. Der Humor ist hier etwas zurückgeschraubt, im Vergleich zu den Vorgängern. Dafür wuchern Ränke und Intrigen aus jeder Ecke, während Guy of Gisborne, sein Knappe Jakob und die schöne Heilerin Miriam versuchen, das Schwert Excalibur zu Richard Löwenherz zu tragen, damit Guy endlich nach England heimkehren darf.

Auch aufmerksamere Lesende als ich dürften sich in den verschiedenen Fäden verheddern und einige Überraschungen erleben — ich brauchte vor dem letzten Drittel eine Pause, weil mir das zwischendrin echt zu anstrengend wurde. Andere dürfte es eher dazu verleiten, den Roman durchzusuchten.

Neben einigen übriggebliebenen Kommafehlern finden wir hier ein Sittengemälde, das wohl allen Mittelalter-Romantiker*innen die Sehnsucht nach der guten alten Zeit austreiben dürfte.

Joachim Sohn: Sunnie & Pollis Meistererzählungen: Band 1: Aufregung in Dampfstadt — absurde Katzendetektivkomödie mit Steampunkiger SF-Note. Ausführliche Rezension in einem eigenen Artikel.

Christian von Aster mit benSwerk: Der Wasserspeier Fledermeier — illustriertes Buch nicht nur für Kinder. Wie immer gewohnt herzig, und wie immer nicht für Menschen illustriert, die es zuckrig mögen. Über das Angsthaben und das Mitfühlen mit Menschen, die anders aussehen als du.

Christian von Aster: Boar Boys — illustrierte Erzählung über einen Haufen krimineller Leprechauns. Ausgeliehen bei DasNixblix, die das Crowdfunding unterstützte und daher an eins der limitierten Exemplare gelangte.  Trotz oder wegen der Panzerfäuste eine wunderschöne und saukomische Ode an die Freundschaft.

Oscar Wilde: The Happy Prince and other stories — Kurzgeschichten, wie der Titel schon sagt. Ein Mix aus Erbaulichem, Traurigem und Gesellschaftskritik. (Nicht, dass die Kritisierten in den Geschichten etwas lernen würden, aber das ist ja leider öfter der Fall, vor allem im realen Leben.) Schönes Englisch mit exzellent ausgeführten allwissenden Erzählenden, wie von Wilde gewohnt.

Queer*Welten, Ausgabe 1/2020 — ein neues Magazin über Queerfeminismus und spekulative Fiktion bzw. phantastische Literatur. Die erste Ausgabe lässt sich mit drei Kurzgeschichten, sehr amüsanter Lyrik und einem Aufsatz über Rassismus bei Tolkien sehr gut an, sodass ich mir sicher die nächste Ausgabe ebenfalls gönnen werde.

Franz Kafka: Die Verwandlung — phantastische Erzählung. Aus mir nicht bekannten Gründen ist Kafka in der Schule genauso an mir vorbeigegangen wie Herrmann Hesse. Diese Erzählung über einen jungen Mann, der eines Morgens als riesiges „Ungeziefer“ aufwacht (wir müssen uns wohl eine Art Assel oder Tausendfüßler vorstellen), gefällt mir bis auf ihr Ende ausnehmend gut. Laut Nachwort war Franz Kafka mit dem Ende ebenfalls nicht zufrieden, aber er hatte wohl kein ordentliches Lektorat, das ihm da unter die Arme greifen konnte.

Diese Geschichte, in der sich immer weiter herausstellt, wie sehr die restliche Familie den Gregor Samsa ausgenutzt hat und wie sie darauf reagiert, dass er auf einmal nicht mehr nützlich ist, kann als Parabel auf allerlei gelesen werden, ob es nun ein Minderheitendasein an sich ist oder auch ganz schlicht darauf, wie eine Familie mit einer Suchterkrankung oder einer Depression umgeht. Weniger als die zahlreichen Beinchen des Gregor Samsa jagt die aus allen Löchern sickernde Lieblosigkeit in dieser Wohnung mir Schauer über den Rücken.

 

 

Sachtexte/Biographien (Auswahl):

Anna Wimschneider: Herbstmilch — Autobiographie. Eindringlich trotz oder wegen der einfachen Sprache. Gedanken dazu anderorts.

Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. — Das feminisische Grundlagenwerk. Enthält mir insgesamt zu viel Psychoanalyse, ansonsten aber einige nachdrückliche und vor allem sehr kluge Einsichten in die hiesige Gesellschaftsordnung.

Andreas Mang: Aufgeklärtes Heidentum — eine kritische Betrachtung der Begriffe Religion, Gott, Glaube und von allerlei mehr. Erste, noch selbstverlegte Ausgabe. Fazit: Über die Natur von Gottheiten lässt sich trefflich streiten, insofern unterlässt eins das besser. Es hat dadurch schon genug Glaubenskriege gegeben. Die Orthodoxie, also den Glauben wichtiger als die Befolgung der Rituale zu finden, ist übrigens eine Erfindung des Monotheismus. Und: Selbst Odin hätte wohl Probleme mit Nazidenke. (Immerhin ist sein Pferd das Kind seines Blutsbruders.) Und Hitler war schwammig evangelisch und fand Heidentum abgeschmackt.

Anne Otto: Woher kommt der Hass? Über die psychologischen Hintergründe von Rechtsruck und Rassismus. — Eine Tour de Force durch Erkenntnisse zu autoritärem Denken, wie Staat und neoliberale Wirtschaft es befördern (Agenda 2010, irgendwer?), die Medien mit der Suche nach Empörungs-Likes die Sache nicht besser machen, und wo sich alle an die eigene Nase fassen müssen. Keine seelische Streicheleinheit, wie lieb und gut die Lesenden doch sind. Dafür extrem klug. Notiz: Ein zweites Mal lesen und dann ein eigenes Posting dazu.

 

Beruflich gelesen:

Kirsten Klein: Jaspers Lächeln — Psychothriller mit Heidelberg als Kulisse. Wer auf Thriller steht, findet hier Hochspannung ohne großen Ekelfaktor.

(Die anderen Texte sind für das zweite Halbjahr geplant. Nicht nur wegen Corona.)

Dazu wie immer unglaublich viel Fanfiction.

 

Kater auf Lachgas

Im Zuge des Drachennestfestes, das aus der Corona-Not geboren wurde, gewann ich den ersten Band von Joachim Sohns Sunnie & Pollis Meistererzählungen: Aufregung in Dampfstadt.

Ich versprach, einen eigenen Artikel mit Rezension zu schreiben — und das ist auch nötig, denn das Buch spottet jeder Beschreibung, die sich auf drei Absätze beschränken will.

Zunächst muss ich eine Warnung aussprechen: Dies ist ein illustriertes Buch für Menschen, die lange Sätze verstehen und seltenere Wörter mit den zugehörigen Anspielungen kennen. Also eher nicht für Kinder unter 12 und mehr so Geburtsdatum vor 1995. Lassen Sie sich von den putzigen Katern mit den schrägen Outfits auf dem Cover nicht täuschen.

Worum geht’s?

Die Kater Sunnie (Brille, schwarz-weiß gefleckt) und Polli (getigert, mit Schirmmütze) werden von dem schwarzen Kater Kiri O’City (mit Zylinder) genötigt, nach Dampfstadt zu reisen, um dort ein seltsames Phänomen aufzuklären.

Schon bei der ersten Begegnung mit Menschen aus Dampfstadt fällt ihnen auf, dass die alle so blöd grinsen. Sie vermuten eine Überdosis Lachgas. Und das scheint ihnen ein viel größeres Problem als dasjenige, das der Bürgermeister ihnen schildert. Obwohl der Bürgermeister und Kiri O’City ein straffes Programm für sie zusammengestellt haben, das ihnen bei der Lösung des bürgermeisterlichen Problems behilflich sein soll — unter anderem sollen sie eine Talkshow aufhübschen — machen sie sich an die Lösung des tatsächlichen Rätsels. Und helfen gleichzeitig einem TV-Laufburschen in Liebesnöten.

Und, wie ist es so?

In kurz: Sehr, sehr Meta, vor allem, was Medien und Konsum angeht. Und, wie schon im Klappentext steht: „Nicht für Klimawandelleugner geeignet!“

Was man bekommt:

Dampfbetriebene Science Fantasy.

Das Buch besteht den Bechdel-Test nicht (nur eine einzige ausführlichere Frauenrolle, die auch noch hinterher eine Typen abbekommt), aber die Holmes-und-Watson-ähnliche Symbiose der beiden Kater, die gefühlt nur pro forma Pronomen haben, entschädigt dafür.

Ein Paar Meisterdetektive, die selten mit- aber nie ohneeinander können. Und die trotz ihrer extrem schrägen Logik Fälle lösen.

Polli stieß diese Aufdringlichkeit übel auf, aber als tüchtiger Meisterdetektiv inspizierte er die Grinserei natürlich genau, indem er abwechselnd schnell das eine, dann das andere Auge zukniff, um nicht beim Beobachten durch das Gegenüber ertappt zu werden. Wie konnte dieser ihm so schon nachweisen, mit welchem Auge er ihn tatsächlich gerade ansah?

Insgesamt ein Plädoyer dafür, die richtigen Fragen zu stellen und sich ein bisschen über alltäglich Geglaubtes zu wundern.

Eine Detektivgeschichte mit einer halben Auflösung — welche Ursache das bürgermeisterliche Problem hat, bleibt vorerst offen. Dafür finden sich massenweise doppelte Böden, die für mich ein paar (nicht zu viele) Seiten mehr vertragen hätten, damit das Miträtseln für die geneigten Krimifans ein bisschen ertragreicher ist.

Ich bin mir im Übrigen sicher, dass ich nicht alle dieser doppelten Böden gefunden habe.

Selbige doppelte Böden und Erzählerkommentare von der Meta-Ebene machen eine Menge Spaß, vorausgesetzt, man kann so was ab. Wer sich schon am Anfang fragt, warum die beiden Kater in einer Spirale nach Hause wandern und Kiri O’City unvermittelt in HipHop-Moves ausbricht, hat keinen Spaß an der Geschichte.

Für Experimentierfreudige mit etwas Küchenerfahrung gibt es außerdem ein Rezept für eine Süßspeise zum Nachkochen.