
Grundlagen der Physik via geralt, Pixabay. In einer Box, in der die Freisetzung von Gift dem Zufall überlassen ist, weiß eins nicht, ob die Katze darin tot oder lebendig ist, bis eins die Box öffnet.
So, eine Kollegin hat nach trockenem Husten am Wochenende Fieber entwickelt und ist zwei Wochen krankgeschrieben. Ein Test wurde nicht angeordnet, weil sie keinen Kontakt zu nachweislich mit SARS-CoV-2 Infizierten hatte. Obwohl sie in einer Apotheke arbeitet, wo es, sagen wir mal, vielleicht nicht ganz uninteressant wäre zu wissen, ob wir ohnehin meist angeschlagene Patient:innen gefährden.
Das mit dem Kontakt ist insofern eine Milchmädchenrechnung, da das Robert-Koch-Institut davon ausgeht, dass die tatsächliche Fallzahl die gemeldeten Fälle um mindestens 4,5- bis 11-fach übersteigt. Wo diese Fälle rumspringen ist, wie es so schön auf Englisch heißt, „anyone’s guess“ — kann eins nur raten. Gehen die noch arbeiten? Sitzen die schniefend mit mir im Bus? Keine Ahnung.
Logisch könnte die Kollegin auch eine Grippe haben, die Symptome ähneln dem, was ich vor drei Wochen hatte, nur heftiger.
Das, worunter die Kollegin leidet, ist also gleichzeitig Schrödingers Corona und Schrödingers Virusgrippe. Solange wir die Kiste nicht öffnen, wissen wir es nicht. Ohne Test keine Statistik.
Für mich ändert sich vorläufig wenig: Der Spuckschutz wirkt in beide Richtungen. Ich rücke den Leutchen weiterhin nicht zu sehr auf den Pelz, und die sind glücklicherweise meist unter 15 Minuten in meiner Nähe.
Trotzdem hat die Nachricht uns alle heute beim Arbeiten irritiert. Die Kollegin mit der immunsupprimierten Mutter, die mit dem Ehemann bei der Feuerwehr, usw.
Nach der Schicht kaum konzentrationsfähig.
… Nebenher Leute, die sich um Sinn und Unsinn von Seuchen in einer WhatsApp-Gruppe streiten und darüber entzweien. Als wäre dem Phänomen Existenz an sich irgendein höherer Sinn abzugewinnen. Die Nornen haben die Stäbe geworfen (hören Sie den Zufall klappern?), irgendwer hat vielleicht deswegen einen Kampf mit den Jöten verloren. Frau Hels Rechen hat dieses Jahr feinere Zinken. (Oder wie auch immer eins es sonst betrachten mag.)
Nicht, dass jeder Todesfall nicht einer zu viel wäre. Ich richte mich auf unangenehme und traurige Nachrichten ein. (Und höre Musik dazu.)
Was wir als Einzelne und als Gesellschaft aus Seuchen und Naturkatastrophen machen, wo wir Sinn und Unsinn finden, ist wie immer unser Ding und keiner höheren Macht anzulasten. Schade nur, dass manche nichts Besseres zu tun haben, als Schuldschieberei und (Sozial-)Darminismus zu betreiben.
Dass die nicht alle mit Symptomen testen, kann ich einerseits verstehen, andererseits finde ich es angesichts der hohen Ansteckungsgefahr reichlich paradox. Hat das vielleicht mit dem systemrelevanten Job zu tun?
Ich drücke in jedem Fall die Daumen, dass es sich nicht als Corona herausstellt, und wünsche der Kollegin gute Besserung.
… die haben einfach nicht genug Tests oder Testkapazitäten, würde ich behaupten. Und „systemrelevanter Job“ zählt wohl als Argument nicht.
Die Zahl der nachgewiesenen Neuinfektionen in der Stadt ist von Sonntag auf Montag Null, wir werden sehen, ob das hält.
Wäre zu hoffen.
Ja, die Schuldschieberei ist schlimm. Sozial-Darwinismus sowieso. (Auch eine meiner Kolleginnen ist positiv getestet worden, aber wir hatten nach ihrem Urlaub keinen Kontakt mehr. )
Pingback: Katze tot/Fragezeichen/Systemrelevanz | Carmilla DeWinter