So. Anlassbezogen mehr Politik.

Ich bin ja auch nicht so glücklich mit allem. Oder, um ein Politikteil von Zeit Online zu paraphrasieren: Wenn du einen Haufen Steuern zahlst, sollte wenigstens die Verwaltung funktionieren und beispielsweise genug Betreungs- und Lehrkräfte in halbwegs intakten Schulen vorhanden sein.
Ein paar Sachen sind da sicher das Wohlstands-Paradox: Je mehr verschiedene Pflegezuschüsse o. ä. es gibt, desto eher brauchst du eine Sozialarbeiterin im Gesundheitsamt, die den Leuten sagt, welches Formular sie wann ausfüllen sollen/dürfen. Je mehr Straßen du hast, desto mehr musst du investieren, um sie befahrbar zu halten. Insofern sollte jede neue Straße gut bedacht sein und öffentliche Gebäude könnte eins vielleicht so bauen, dass sie gut zu pflegen und sanieren sind? (Guckt das hiesige brutalistische Rathaus an. Hmm.)
Wo die andere Kohle hinfließt – hm. Meine Heimatstadt hat zum Beispiel 1,4 Millionen Euro für eine unausgegorene Kunstsache rausgeballert, die m. E. besser in einen neuen Aufzug in der kombinierten Musikschule/Stadtbibliothek geflossen wären und so was.
Die Bundesregierung legt übrigens regelmäßig Subventionsberichte vor. (Achtung, das Dokument von 2021-24 ist ein großes PDF.) Über die Höhe und den Grund einzelner Posten ließe sich sicherlich streiten, vor allem, wenn gefühlt wenig bei rumkommt. (Forschungsgelder für die Automobilbranche zum Beispiel: Abgasskandal bei VW. E-Autos kommen nicht so in die Pötte, wie sie es optimalerweise täten. Auch Herr Spahns Maskendeals lassen sich da aus 2021 finden.)
Jedenfalls. In manchen Teilen der Bevölkerung herrscht irgendwie das Gefühl vor dass „alle“ (sic!) oder auf jeden Fall zu viele Steuern im Ausland landen, oder auf jeden Fall, dass alle anderen mehr Vorteile haben als eins selbst, obwohl sie diese Vorteile nicht verdienen.
Da hat dann der rechte Populismus einen echt klasse Job abgeliefert. Der Job ist in dem Fall, Linien zu ziehen.
Was im Fall von Migration Linien sind wie zwischen „echten“ Deutschen, Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft, erwünschten und unerwünschten Zugewanderten ohne Staatsbürgerschaft. Drei Linien, deren Definition sich übrigens jederzeit verschieben lässt, sobald sie mal gezogen wurden. Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft kann ich einen Pass entziehen, auch wenn sich das eigentlich nicht gehört. Vor allem, weil „straffällig“ ein extrem dehnbarer Begriff ist.
Sobald das durch ist, wackelt auch die Grenze zwischen „echten“ und „unechten“ Deutschen. Sind Deutsche islamischen oder jüdischen Glaubens deutsch genug? Warum trägt die Ehefrau dieses Erwerbsunfähigen eigentlich Hijab? Ist die integriert und verdient das Paar dann, Kindergeld zu beziehen? Was ist mit kritischen Stimmen? Sind die aufrechte Deutsche genug? (Die DDR hat gern Kunstschaffende ausgebürgert.) Was ist mit Menschen, die behindert sind/werden? Mit Arbeitslosen, die gefühlt zu faul sind, um zu arbeiten? Mit trans Personen, die die Linie zwischen Männern und Frauen gefährden? Sind die es wert, in diesem Land leben zu dürfen? Und wenn ja, welche Rechte gestehen wir ihnen zu?
Genauso die Linie zwischen Erwerbslosen, die es würdig sind, unterstützt zu werden, und solchen, die es nicht sind: Sobald ich eine Linie gezogen habe, die suggeriert, dass eine Gruppe weniger wert ist, kann ich die Torpfosten versetzen. Bis halt alle Erwerbs- und Wohnungslosen zum Beispiel im Arbeitshaus landen. (Idee u. a. aus dem kolonialen England. Null von Zehn, do not recommend, siehe Charles Dickens.)
Insofern mag ich das Narrativ von „Arbeit muss sich wieder lohnen“ nicht so gern. Wenn die Kohle aus dem Vollzeitjob nicht zum Leben reicht, sollte ich mich vielleicht eher fragen, ob der Mindestlohn zu knapp bemessen ist oder die Mieten völlig überteuert sind, anstatt Erwerbslose zu bashen?
Aber auf angeblichen „Sozialschmarotzern“ rumzuhacken, ist viel einfacher und entmenschlicht sie noch.
Und sobald ich dieses Narrativ aufnehme, haben die Rechten gewonnen. Das wissen die Leute Rechts außen, aber die anderen merken es immer zu spät.