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Noch scheint kein Blick ins Buch möglich, also folgt hinter dem Cut die ausführliche Leseprobe, Seiten circa 1 bis 15
Tankred fühlte sich immer noch wacklig auf den Beinen, als er und Alea aufstanden. Zugegeben hatte Alea sein Bestes getan, mit den wenigen Heilzaubern, die er zustande brachte, und Tankreds Hintern schmerzte nur noch ein bisschen. Doch die Wirtin sah ihn schief an, als er die Treppe hinunter in die Gaststube stakste, also ahnte sie wohl, was er und Alea in der Nacht miteinander getrieben hatten.
Glücklicherweise hatte sie außer ihnen beiden und Guntrun keine Gäste, die Zeugen von Tankreds Schande –
Wieso Schande?, fragte Alea über das Blutglas.
Hitze kroch in Tankreds Wangen, und er rieb an dem Opalamulett auf seiner Stirn. Ohne dieses blöde Ding hätte er sich selbst heilen können. Wäre es dir nicht peinlich?
Hmm, machte Alea, würdigte Tankred aber dann das ganze Frühstück über keines Blickes. Dafür grinste Guntrun wie eine Katze, die Sahne aus der Küche gestohlen hatte. Tankred gab sich Mühe, Letzteres nicht zu beachten.
Somit sprachen sie alle drei nur das Notwendigste, während sie zusammenpackten und ihre Flucht nach Norden fortsetzten. Erst, als sie einen menschenleeren Abschnitt auf der schmalen Straße durch die Berge erreichten, trieb Guntrun ihr Pony neben Tankreds. „Ich hätt‘ gar nicht fragen brauchen. Damals.“
Oh, bei den Göttern, warum musste sie ausgerechnet das Thema ansprechen, das zu den Unannehmlichkeiten der letzten zwei Wochen geführt hatte? Sicher waren Tankred und sein Liebster jetzt einen Schritt weiter, aber Tankred spürte, wie Alea, der voraus ritt, sich verspannte, seine Schultern zurücknahm, als bereitete er sich auf einen Angriff vor. Tankred wollte ihn verteidigen, doch mit einen erneuten Streit wäre nichts gewonnen.
„Aber“, fuhr Guntrun fort, bevor Tankred sich einen Vortrag zurechtlegen konnte „ihr seid eben nicht so, wie man es erwartet.“
„Ich wusste nicht, dass man überhaupt etwas erwartet“, log er. Sechs Jahre unter Ritter Ingfrieds tadelnden Blicken hatten ihm einen guten Eindruck verschafft.
Sie rutschte im Sattel hin und her und sah dann zu Boden. „Na. Was man eben so über Männer sagt, die sich nicht wie richtige Männer benehmen. Dass die gar keine Frau suchen, sondern einen, der es ihnen von hinten besorgt.“
„Aha“, machte Tankred. Das war nicht neu, und die Beleidigungen dazu auch nicht. Schwester. Tucke. Kissenbeißer. Verkehrtrum. – Aber was war dann Tankred? Halb verbogen? Und was war mit Heilika? Gab es die überhaupt, wenn sie in gar keine Richtung zeigte? – „Solche wie Alea und ich.“
„Eben nicht. Ich mein …“ Guntrun wedelte mit einer Hand, als hoffte sie, er würde das verstehen.
Tankred hob die Brauen.
„Keiner würde euch nachsagen, dass ihr euch nicht wie Kerle verhaltet.“
„Soll ich mich jetzt geschmeichelt fühlen?“
Guntrun zog die Nase hoch. „Du machst das absichtlich. Damit ich mir blöd vorkomme.“
Da mochte Tankred nicht widersprechen, also neigte er nur den Kopf. Vorne hatte Alea sich beruhigt und hörte zu. „Wir sind zwei Männer. Es ergibt keinen Sinn, danach zu fragen, welcher von uns die Frau ist. Es sei denn, du wolltest einen von uns verachten.“ Tankred blinzelte. Deswegen war Alea vorhin so still gewesen, nicht wahr? Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, schob er hinterher, „Außerdem bist du eine Frau.“
Guntrun machte ein nachdenkliches Geräusch.
Schwierig zu erklären. Wenn Tankred nur Beleidigungen hatte, um jemanden wie ihn und Alea von denen zu trennen, die die Beleidigungen erfunden hatten … ihm fehlten Wörter. Glücklicherweise brütete Guntrun über seiner Erklärung und schwieg, bis sie mittags haltmachten.
xxx
Wie erwartet waren Heilika und Ingfried geritten, als wären die Druden hinter ihnen her.
In Regenau, nach einundhalb Regentagen, vier Pferdetauschen und einer durchwachten Nacht, bestimmte Ingfried sie gleich zum Schloss, ohne wenigstens eine Pause beim Kloster einzulegen, wo sie sich hätten frisch machen können. Ihre Pferde und Kleider starrten gleichermaßen vor Matsch. Ingfried hatte sich nicht mit einer Kapuze aufgehalten, also klebten die langen graubraunen Haare in Strähnen an seinem Kopf, und selbst vor Heilikas halbwegs wohlwollendem Auge sah er einem Herumtreiber ähnlicher als einem Ritter.
Dementsprechend behandelten die Wächter sie mit weniger Ehrerbietung als erwartet, und verwiesen sie zunächst an ihren Vorgesetzten.
„Seine Gnaden ist beim Mittagessen“, sagte der Hauptmann. „Ihr werdet Euch gedulden müssen. Ehrwürdiger Ritter.“
Ingfried schnaufte.
„Ach, bitte.“ Heilika neigte den Kopf zur Seite und klimperte mit den Wimpern. Der Mantel verbarg ihre Figur, und ihre kurzen Haare steckten unter ihrer Kapuze; ideale Bedingungen also. „Wir sind seit gestern früh unterwegs und haben vertrauliche Nachrichten. Wollt Ihr nicht wenigstens einen Boten zum Herzog schicken?“
Der Wächter glotzte sie an. Heilika tat ihr Bestes, hoffnungsvoll dreinzuschauen. „Ähm. Sicherlich, mein Fräu– äh. Ehrwürdiger Knappe.“
„Vielen Dank“, flötete sie, und schenkte ihm ein Lächeln. „Wo finden wir die Ställe?“
Ingfried musterte sie über den Widerrist seines Pferdes, als sie endlich in einem Boxengang standen, und schien darüber zu vergessen, das Pferd zu striegeln.
„Was schaut Ihr so?“
„Ich wusste nicht, dass du das kannst.“
Täuschte Heilika sich, oder keimte da Hoffnung? „Es war ungemütlich. Die Viecher hatten schlechte Laune.“
„Und das heißt?“
„Manchmal ist mein Stolz nicht so wichtig. Und am Ende ist der Wächter noch viel blöder als ich, wenn er auf diese Kleinmädchenmasche hereinfällt.“ Sie wandte sich wieder ihrem Striegel zu und strich die Haare heraus, die in den Borsten hängen geblieben waren.
„Du könntest also die ganze Zeit so liebreizend sein.“
Heilika zog die Nase hoch. Wie erwartet. „Könnte ich. Aber mit Liebreiz fängt man eitle Tölpel, keine Schwarzkünstler.“
Der Herzog empfing Heilika und Ingfried, wie das letzte Mal auch, in seinem Arbeitszimmer. „Ich hoffe, Ihr bringt wirklich wichtige Nachrichten“, sagte Notker. „Ich verzichte dafür auf Erdbeerkrapfen zum Nachtisch.“
Ingfried setzte ihm auseinander, wie sie zu dem Schluss gekommen waren, dass Aleas ehemaliger Meister sich mit Herzog Seyfrieds Einverständnis in Vithergen aufhielt. Eine solche Bedrohung rechtfertigte sowohl den Verzicht auf Schlaf wie auch den auf Erdbeerkrapfen.
Herzog Notker runzelte abwechselnd die Stirn oder schien seine Freude kaum unterdrücken zu können. Immerhin wäre Seyfried nach einer Verschwörung mit einem Schwarzkünstler politisch am Ende, einer anderen Familie würde die Herzogswürde zuerkannt, und Notker hatte eine hübsche Tochter im heiratsfähigen Alter.
„Eure zwei entlaufenen Knappen scheinen einen Riecher für Ärger zu haben“, sagte er schließlich. „Rufen wir also den König von seinem eigenen Mittagstisch.“
König Reinmar allerdings ließ am Sprechstein nicht so lange auf sich warten wie Herzog Notker, und schien sehr viel weniger erfreut, die Nachrichten zu hören. Seinen Brauen nach zu urteilen, braute sich ein Sturm zusammen. „Dieser Meister Orso wurde also von niemandem ausdrücklich erwähnt?“
Ingfried senkte den Kopf. „Nicht namentlich, Eure Königliche Hoheit. Dazu waren Tankred und das Mädchen zu gerissen.“
„Und wir vermuten, dass Seyfried – oder Orso – wegen irgendetwas über diese Guntrun verärgert war, und sie deshalb an Sklavenhändler verkauft hat.“
„Ja, Eure Königliche Hoheit. Das Mädchen sprach wiederholt von einem gewissen Meister, an dem sie sich rächen wollte.“
„Wir haben also keine zuverlässigen Beweise.“
Ingfried seufzte, und Heilika wollte die Augen verdrehen. Wozu hatte der König denn Ermittler losgeschickt, wenn er nun ihren Schlussfolgerungen nicht traute?
„Ich würde mir den Unmut der Herzöge zuziehen, oder sogar eine Vertrauensfrage, sollte ich ohne Grund mit ein paar Hundert Rittern in Vithergen einfallen.“ Eine Weile sah der König einen Punkt hinter seinem Sprechstein an. „Ihr beide reitet in Verkleidung nach Vithergen und sam- melt Hinweise. Denkt Euch eine Geschichte aus. Weder Seyfried noch das Kloster dort sollen davon erfahren – falls Orso in Vithergen ist, beobachtet er vermutlich die Ritter. Wenn Ihr Beweise findet, kommt Ihr zurück nach Regenau und benutzt diesen Sprechstein, um mir zu berichten. Dann können wir weitersehen.“
Ingfried murmelte eine Zustimmung.
„Verzeiht, Eure Königliche Hoheit …“, sagte Heilika. „Was ist mit Tankred und Alea?“
Die rechte Oberlippe des Königs zuckte. „Die beiden haben mich einmal zu oft geärgert. Wenn möglich, nehmt sie fest. Ansonsten …“, Reinmar zuckte mit den Achseln, „bin ich nicht böse, wenn sie nicht überleben.“
Heilika atmete einmal tief durch. Natürlich hatte der König, von außen betrachtet, recht. Eidbruch. Verrat. Flucht vor dem Gericht und eine um ein Haar zerstörte Burgmauer. Aber … nichts aber. Er würde nicht zuhören. „Ich verstehe, mein König.“
Das Angebot eines Zimmers für die Nacht, hatte der Ritter, im Gegensatz zu einer Unterbringung der Pferde, ausgeschlagen, also gingen Ingfried und Heilika nach der Audienz zu Fuß zum Kloster. Schlammiges Wasser lief aus den nicht gepflasterten Gassen in Rinnsalen über die Straße dem Fluss zu. Unterwegs schwieg Ingfried, was Heilika nur gelegen kam. Die Worte des Königs hallten in ihrem Kopf und übertönten sogar das Platschen ihrer Stiefel auf dem nassen Kopfsteinpflaster. Reinmar hatte keinen ausdrücklichen Befehl gegeben, Tankred oder Alea zu töten, denn das wäre rechtswidrig gewesen, doch die beiden hatten Verbrechen begangen, auf die der Tod stand, und Alea hatte bislang jede Nachsicht ausgenutzt. Wer mochte es dem König übel nehmen, wenn er auf eine Gerichtsverhandlung lieber verzichten wollte? Vorerst jedoch galt, dass man die beiden, wenn möglich, festnehmen sollte. Eine dehnbare Formulierung, und sicherlich nur deswegen so schlampig, weil sie Reinmar mit diesen Neuigkeiten überrumpelt hatten.
„Meint Ihr nicht auch, dass der König seine Rachegelüste vergessen wird, sobald er sich beruhigt hat?“, fragte Heilika schließlich.
Ingfried starrte sie an. Vielleicht bildete sie es sich nur ein, aber die Schatten um seine Augen schienen tiefer als vor ihrem Gespräch mit dem König. Als wäre Ingfried von Geistern verfolgt.
Was er wohl Tankred an den Hals gewünscht hatte, das ihn sich jetzt so schuldig fühlen ließ?
xxx
Am nächsten Tag überquerten Tankred, Guntrun und Alea irgendwo in den Breitblickbergen die Grenze zwischen dem Gebiet der Reiterhorden und dem Großfürstentum Bohdanau, ohne einem Menschen zu begegnen, der sich dafür interessiert hätte. Dank des Regenwetters arbeiteten keine Bauern auf den Feldern im Tal, und die Senner auf den Almen hatten sich in ihre Hütten verkrochen. Selbst das Geläut der Kuhglocken klang schwermütig.
Weil Alea sich in den letzten Jahren alle Mühe gegeben hatte, das Danauische wieder zu verlernen, führte er sie um sämtliche Siedlungen herum. Tankred stellte glücklicherweise keine Fragen und war zufrieden, die erstaunlich grüne Landschaft zu bewundern, bis sie am zweiten Mittag auf den Galfluss trafen.
Vom Regen braune Brühe, breit genug für zwei Lastkähne, wälzte sich Richtung nördliches Grasland.
„In Regenau gibt es eine Brücke“, sagte Tankred.
„Ingfried wird nach Regenau geritten sein.“ Nach den Ereignissen vor drei Tagen würde Alea seine gesamten Ersparnisse darauf verwetten. „Flussabwärts gibt es Fähren.“
„Bist du sicher?“ Und damit meine ich nicht die Fähren.
Alea wollte „nein“ sagen, doch Tankreds Sicherheit wog ein bisschen Unwohlsein bei Weitem auf. „In Regenau wimmelt es von Zauberern. Außerdem ist es ein Umweg.“
Tankred seufzte, widersprach aber nicht. „Was ist mit dem hier?“ Er tappte sich an die Stirn.
„Lass mich etwas versuchen.“ Alea dachte seit Tagen über das Siegel an dem Opal nach, darüber, welche Sorte Opfer es bei seiner Erschaffung verlangt haben könnte, und wie man es am besten zerstörte. „Du musst mir sagen, was du siehst“, wandte Alea sich an Guntrun. Er berührte das Amulett, um ein Siegel hinzuzufügen. Nachdem er seit Monaten seinen Ohrstecker erfolgreich verbarg, klappten zumindest derlei Tarnzauber auf Anhieb.
„Hm.“ Guntrun legte den Kopf schräg. „Also, es ist weg, aber nicht ganz. Wenn ich so mache“, sie kniff die Augen zusammen, „und den Baum da anschaue, dann kann ich es noch sehen. Aber es flackert.“
„Ein Übersieh-mich-Siegel“, meinte Tankred. „Wenn jemand nicht weiß, wonach er sucht, dann wird er es nicht finden.“
Bis zum Abend folgten sie der Straße nach Norden, die sie in die Stadt Droswieg führte, wo es eine Fähre nach Friedlant, zum gegenüberliegenden Marktflecken, gab.
In einem heruntergekommenen Gasthof in der Vorstadt mietete Alea zwei Zimmer für sie.
Beim Abendessen, das aus einer weißgrauen Mehlsuppe mit ein paar Erbsen und Zwiebelstücken bestand, rührte Guntrun lange in ihrer Schale herum. „Du bist so geizig.“
„Ich muss haushalten.“ Außerdem hatte Alea ihr schon Unappetitlicheres vorgesetzt, das sie gegessen hatte. „Wir brauchen Geld für die Fähre, und sobald wir in Friedlant sind, ist es mit den kostenlosen Übernachtungen vorbei.“
Guntrun zog den Rotz hoch.
Die Seemark hatte reiche Böden und war dementsprechend dicht besiedelt. Sie würden nicht mehr einfach so auf freiem Feld ein Lager aufschlagen können, ohne unangenehm aufzufallen.
„Wisst ihr schon, was ihr den Grenzern erzählen wollt?“
„Wir besprechen das nachher. Oben.“
Also kam Guntrun mit ihnen aufs Zimmer. Sie beobachtete unbewegt, wie Alea mögliche Zuhörer aussperrte, in Tankred jedoch rumorte eine Mischung aus Neid und Schuldgefühlen, sodass Alea der Magen aus Mitleid schmerzte.
Irgendwann finde ich schon einen Weg, um es dir abzunehmen. Alea zog Tankred neben sich aufs Bett, und strich ihm über den Rücken.
Erstaunlicherweise machte Guntrun keinen anzüglichen Witz, sondern setzte sich einfach auf den Nachttisch. „Also gut. Und was wollt ihr ihnen nun erzählen?
„Du bist meine kleine Schwester“, sagte Tankred.
Guntrun riss die Augen auf. „Ist vermutlich besser, als wenn ich deine Braut sein muss.“
„Das denke ich auch.“
Alea nickte dazu. Die beiden schienen nicht dafür geschaffen, sich gegenseitig schöne Augen zu machen.
„Und weil du ein verwöhnter, aufsässiger Fratz bist“, fuhr Tankred fort, „bist du abgehauen. Der Vater hatte eine gute Partie aufgetan, aber der Herr ist Witwer und über dreißig …“
Guntrun zog die Nase hoch. „Ich geh davon aus, dass ihr irgendwas durchscheinen lassen wollt, dass ich vorher schon unanständig war und der Vater mich deswegen erpressen kann? Sonst würde er mich nicht an den Meistbietenden verschachern.“
„So ungefähr.“
„Gut. Und bevor ich heiraten musste, hab ich die Beine in die Hand genommen. Ihr habt mich hier eingeholt, weil mir das Geld ausgegangen ist und ich mir eine Stelle suchen musste.“
Tankred lächelte. „Als was hast du gearbeitet?“
„Schankmädchen.“
„Genau das Richtige für deinen guten Ruf“, bemerkte Alea.
„Du hast ja keine Ahnung von meinem Ruf.“ Guntrun grinste. „Wir müssen die Tätowierung zuschmieren. Ich sag euch was, ich geh morgen früh einen Topf Schminke kaufen, und dann kleistern wir Alea zu. Und ihr zwei könnt unmöglich als Tankred und Alea unterwegs sein. Ihr braucht andere Namen, und du brauchst eine andere Haarfarbe.“
Für den kleinen Topf, den Guntrun schließlich anschleppte, hätte Alea drei Einzelzimmer im besten Haus der Stadt bekommen können.
„So viel zu Geiz, hm?“
Guntrun stemmte die Arme in die Seite und funkelte ihn an. „Du bist so … so ein Kerl!“, sagte sie. „Es gibt Schminke, die kann man sehen, und welche, die fällt nicht auf. Das hier ist dasselbe Zeug, das die Herzogin benutzt. Krümelt nicht, setzt sich nicht in Falten, macht keine Striemen wenn man schwitzt, und deckt trotzdem erstklassig.“
Wie konnte irgendwer überhaupt so viele Gedanken an Schminke verschwenden? Alea nickte. „Und du bist sicher, dass du den Rest nicht behalten willst?“
„Oh … die ist viel zu dunkel für mich, du Spatzenhirn.“
„Also dann gib her.“
„Nix da. Das mach ich.“
Neben Guntrun öffnete Tankred den Mund. Eifersüchtig.
Alea grinste ihn an. Jetzt weißt du endlich, wie es mir am Anfang gegangen ist, als sie dir nicht von der Seite weichen wollte.
Guntrun schüttelte den Kopf und befahl Tankred mit einer ausladenden Geste zur Tür. „Du sattelst die Pferde und zahlst unten, dann können wir raus, ohne dass der Wirt Aleas Tarnung sieht.“
Tankred zögerte; Alea musste sich bemühen, nicht zu feixen.
„Ich will nichts von ihm, ehrlich“, ergänzte Guntrun. „Und ihr zwei habt keine Ahnung von Schminke, oder?“
„Nein.“ Tankreds Wangen glühten. Guntrun scheuchte ihn mit einer Handbewegung aus dem Zimmer, nahm ein Tuch, wischte sich die Finger ab und tupfte dann auf Aleas Nase herum. „Erst muss man das Fett runterholen.“ Sie betrachtete das Tuch. „Wieso kriegst du nie Pickel bei so einer Haut?“
Alea zuckte die Achseln. „Zauberei.“
„Manchmal könnt ich schon neidisch werden.“ Seufzend entkorkte Guntrun das Gefäß mit der Schminke und holte einen Finger davon heraus. Sie zog ihre Stirn in Falten, als wollte sie ein Hühnchen fachgerecht zerlegen.
Alea zwang sich, nicht zurückzuweichen und schloss die Augen.
Zuerst klopfte Guntrun größere Mengen der Paste auf die Tätowierung. „So deckt es besser“, kommentierte sie und verteilte dann eine dünne Schicht auf seinem ganzen Gesicht, bis in den Haaransatz und auf den Hals. Vorsichtig, aber kräftig und schnell genug, dass er sich nicht nach Hintergedanken fragen musste. „Fertig! Und jetzt bloß nicht kratzen.“
Alea sah sie an und klopfte sich mit der Faust an die Brust. „Ich schwöre.“
Einen Augenblick lang musterte Guntrun ihn ungewöhnlich ernsthaft, bevor sie in ein Grinsen ausbrach. „Du solltest einen Stock mitnehmen. Um deine Verehrerinnen zu verjagen.“
Bitte was? Alea hob eine Braue.
Guntrun zog den Rotz hoch. „Du würdest dir doch nicht die Haare scheren und dich nicht hinter dieser ganzen Farbe verstecken, wenn du nicht wüsstest, wie gut du aussiehst.“
Unten im Stall vergaß Tankred, dass er eigentlich Hufe auskratzen sollte. Hat sie recht?
Alea schickte ihm ein Achselzucken. Abschreckung bleibt Abschreckung. Gründe waren zweitrangig.
Tankred gab nach, starrte ihn aber ausgiebig an, als sie in den Stall kamen. „Dich erkennt bestimmt keiner wieder.“
„Ist das gut oder schlecht?“
„Gut, in dem Fall.“ Tankred schien kurz mit sich zu kämpfen. Aber ich hab dich anders lieber.
Alea nickte. Damit waren sie schon zu zweit.
An der Fähre warteten bereits zwei Dutzend Fußgänger darauf, übergesetzt zu werden. Getreu ihrer Rolle schmollte Guntrun mit hochgerecktem Kinn, was Tankred, nach Aleas Mithilfe jetzt mit roten Haaren, zum Anlass nahm, sich über seine Schwester bei ihrem Vordermann, einem Seilmacher, zu beklagen. Der hatte eine fünfzehnjährige Tochter daheim, und die folgende Plauderei vertrieb zumindest Tankred die Wartezeit.
Nach den letzten trüben Tagen strahlte heute die Sonne von einem blauen Himmel, und erinnerte einen daran, dass bald Mittsommer war. Auf Aleas Kopfhaut kribbelte der Schweiß, genauso wie in seinem Nacken und an seinem Hals. Er hob die Hand, um –
Guntrun trat ihm vors Schienbein.
Alea zog den Kopf ein. Richtig. Schminke. Nicht kratzen.
Endlich legte der Fährkahn von drüben an. Zwei Wandergesellen und eine Handvoll Krämer drängelten sich zwischen Gruppen rotwangiger friedländischer Hausfrauen vorbei, bis außer der Besatzung nur noch zwei Ritter vom Sonnenorden an Deck standen.
Alea warf Tankred einen fragenden Blick zu, doch der schüttelte den Kopf. Die beiden kenne ich genauso wenig, wie die in Bernwalde.
Beide konnten es kräftemäßig nicht ganz mit Alea aufnehmen, und schienen außerdem einen Großteil ihrer Aufmerksamkeit an die Grenzsiegel zu verschwenden. Durchaus sinnvoll bei so einem viel benutzten Übergang – fast alle Ausländer hatten eine schwache Begabung und irgendwelche Amulette am Leib. Aleas drei Täuschungszauber würden in der Masse untergehen.
Die beiden Ritter befragten eingehend jeden, der das Schiff betreten wollte, und kassierten Zoll von den Händlern.
Tankred blieb kaum Zeit, überhaupt ihre erfundenen Namen zu nennen, bevor das Misstrauen siegte.
„Ihr seid aus Vithergen.“ Einer der Ritter studierte Alea eingehend.
„Gebore in Finisterra“, behauptete Alea mit übertrieben rollendem R und fehlerhafter Grammatik. Die Sprache der westlichen Inseln war dem Centerrischen sehr ähnlich, die Leute dort würde das Friedländische auf ähnliche Weise zum Verzweifeln bringen. „Dort geb wenig Arbeit per …“, Alea wedelte mit der Hand, was hoffentlich südländisch temperamentvoll wirkte, „für Unbegabte.“
Die Oberlippe des Ritters zuckte, wahrscheinlich hielt er Alea wegen des Akzents für minderbemittelt.
„Er arbeitet als Leibwächter. Mein Vater hat ihn angestellt, um mich zu begleiten“, sagte Tankred.
Der Ritter schnaubte. „Mag sein. Wieso habt ihr keinen Geleitbrief?“
(…)