#BloGeHa: „Genderisierung“ für Dummies

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Sarah Maria rief zum Bloggen gegen den Hass auf. Weil ich schon viel rumgewettert habe über Repäsentation und hier besser über das „jüdisch-christliche Abendland“ gelästert wird als ich es jemals könnte (1), werde ich mich meinem Beinahe-Spezialgebiet Feminismus zuwenden.

 

Es gibt ein Positionspapier der Pegida …

Da wollte ich ein paar Punkte näher betrachten (gefunden hier):

10. PEGIDA ist FÜR den Widerstand gegen eine frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!

12. PEGIDA ist FÜR sexuelle Selbstbestimmung!

Also, die bösen Muslime sind frauenfeindlich, weil ihre Frauen im Schleier rumlaufen müssen und grundsätzlich zwangsverheiratet werden. Deswegen ist Pegida für sexuelle Selbstbestimmung.

Feminist*innen sind auch für sexuelle Selbstbestimmung. Denn die Kurzfassung von Feminismus geht nach Caitlin Moran so: Du bist feministisch, wenn du eine Vagina hast und selbst darüber bestimmen möchtest, was du damit tust.

 

Soweit finden wir keinen Widerspruch.

Irgendwann ist den Feminist*innen aber aufgefallen, dass es in der deutschen Sprache ein generisches Maskulinum gibt. Das bedeutet: Wenn 99 Frauen* in einem Raum sind um einen Vortrag zu hören, und ein Mann* dazukommt, dann sind das alles „Zuhörer“, und nicht mehr „Zuhörerinnen“, weil der eine Mann* ist offensichtlich wichtiger als die 99 Frauen*.

Zugegeben, das Gesetz sieht das heutzutage in Deutschland nicht mehr so, aber das war mal anders.

Jedenfalls finden es die meisten Feminist*innen ungerecht, dass jeder Mann* sich darüber empören darf, wenn wer „Zuhörerin“ zu ihm sagt, aber dass Frauen* geschmeichelt sein sollen, wenn sie „Zuhörer“ sein dürfen.

Das ist schon seltsam, nicht wahr?

Tatsächlich begreifen das nicht alle, das mit dem generischen Maskulinum.

Kleine Kinder können das beispielsweise nicht verstehen. Wenn eins denen sagt, „wir gehen zum Bäcker“, dann stellen sie sich einen Mann in einem weißen Kittel und Bäckermütze vor, nehmen das also wörtlich. Sie kommen gar nicht auf die Idee, dass auch Bäckerinnen mitgemeint sein könnten, obwohl daheim immer die Mama den Kuchen bäckt. (2)

Und ganz ehrlich: Wenn ich sage, „da haben sich Autoren getroffen“, und die geschätzten Leser*innen schließen die Augen und stellen sich selbige „Autoren“ um einen Tisch versammelt vor: Wie viele Frauen oder Personen nicht-binären Genders sitzen vor dem inneren Auge am Tisch?

In unserem Inneren sind viele von uns noch kleine Kinder.

Deswegen hängt für Feminist*innen die sexuelle Selbstbestimmung und die Sache mit den Lücken oder Sternchen zusammen. Diese schrechlichen Stilmittel, die unsere schöne deutsche Sprache so verunstalten. (3)

17. PEGIDA ist GEGEN dieses wahnwitzige “Gender Mainstreaming”, auch oft “Genderisierung” genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache! 

 

Aber jetzt kommt der Witz:

Wenn eins denkt, dass „Mann=wichtiger“, dann ist es nicht mehr weit hin zu „Mann=Bestimmer über Frauen“.

Und deswegen kriegt eins wahrscheinlich mehr sexuelle Selbstbestimmung, wenn diese böse, böse Lücke sich ausbreitet.

Wir fassen also zusammen: Pegida ist für sexuelle Selbstbestimmung, aber bloß nicht zu viel, sonst werden die Weiber frech und verlangen, dass mann tatsächlich sein (Sprach-)Verhalten ändert.

Und jetzt spekuliere ich: Also, die Frauen sollen heiraten dürfen, wen sie möchten. Aber sie sollen bitteschön heiraten, und zwar einen Mann, und mit dem viele blonde Kinder zeugen, deren Anzahl dann das sogenannte Abendland vor dem Untergang retten wird.

 

Was will eins darauf noch antworten?

Dazu möchte ich Terry Pratchett paraphrasieren: Traue keinen mit zu vielen Ausrufezeichen. (4)

 

 

(1) Auch wenn es nicht korrekt ist, dass die Christ*innen den römischen Staat an die Wand gefahren haben. Weiterlesen: Peter Heather, „Der Untergang des römischen Weltreichs“

(2) Schnerring, Verlan: „Die Rosa-Hellblau-Falle. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees“

(3) Das ist alles eine Frage der Gewöhnung, ehrlich. Ich wundere mich mittlerweile immer über Sachtexte ohne Binnen-I, _, * oder Ähnliches. Es sage keiner*r, ich lerne nicht dazu.

(4) Prattchett: „Maskerade“, deutsch: „Mummenschanz“

11 Gedanken zu „#BloGeHa: „Genderisierung“ für Dummies

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  2. Wow, toller Beitrag und sehr interessant!

    Da ich mich auch irgendwo für feministisch halte und das nicht nur weil ich im Vaginabesitz bin, finde ich den Beitrag besonders gut!

    (Im französischen ist es übrigens immer noch so, dass bei einer anwesenden männlichen Person, alles männlich gemacht wird…)

    • Danke.
      Es gibt einen Haufen Sprachen mit generischem Maskulinum. Unter anderem Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Arabisch. Im Englischen hat sich die weibliche Form nunmehr ganz verabschiedet, während es in Deutschland Bewegungen gibt, alles gendergerechter zu machen. Ich weiß noch, wie damals über die Einführung des Binnen-Is in offiziellen Kontexten gewettert wurde …
      Ob es in anderen Ländern Versuche von behördlicher Seite gibt, da was zu ändern? Keine Ahnung.

      • Ich weiß noch, wie ich bei meinem vorigen Arbeitgeber hartnäckig das Binnen-I verwendet habe und mich dafür bespötteln lassen musste…das mit dem Unterstrich würde mein jetziger Arbeitgeber gar nicht kapieren. Man diskutiert dort noch über die Frauenquote.

        • Ich muss beim Arbeitgeber nicht so viel schreiben, aber wenn mal ein Protokoll fällig ist oder Ähnliches, dann konsequent mit Unterstrich oder Sternchen. Noch wurde das nicht kommentiert.

  3. Danke dir für den Text. Ich bin froh, dass du bei der Blogparade dabei bist. <3

    Und by the way: Deinen "Abendland – jüdisch-christlich" Text finde ich ebenfalls großartig!

    Liebe Grüße,
    Sarah

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