Ich stehe mit der Rechtschreibung auf Kriegsfuß.
Nicht, weil ich Probleme mit dem ß hätte oder „rau“ partout nicht ohne h schreiben möchte, sondern weil ich viel weniger schöne lange Wörter zur Verfügung habe, als ich gern hätte. Ehrlich, gefühlte achtzig Prozent der Anmerkungen meiner Lektorin bei Albenbrut machten sich über Konstruktionen her wie „hindurchblicken“, „sich hochmühen“ oder „hinterhersehen“.
Diese Wörter stehen nicht im Duden. ICH WEISS.
Meiner Meinung ist das aber kein Grund, sie nicht in ungetrennter Form zu verwenden.
Erstens sollten die meisten Personen, die der deutschen Sprache halbwegs mächtig sein, in der Lage sein, derartige Konstruktionen zu verstehen, da auch „Binnenschiffahrtskapitänskajüte“ eine im Deutschen völlig legitime Konstruktion darstellt, die ich bestimmt nicht im Duden finden kann.
Das ist eine andere Wortart, klar. Aber halten wir fest, dass das Deutsche den geschätzten Leser*innen einiges abverlangt in Hinsicht Wortlänge.
Zweitens gibt es die latente Möglichkeit, etwas misszuverstehen. „hinterher sehen“ heißt potentiell etwas anderes als „hinterhersehen“. Im ersten Fall kann ich „jemanden/etwas hinterher sehen“ oder „wir werden hinterher sehen, ob“ oder „jemandem hinterher sehen“. Aber im zweiten Fall geht nur „jemandem hinterhersehen“.
Drittens: Deutsch ist nicht Englisch, verflucht noch mal.
Schlimm genug, dass ich auf der Straße regelmäßig mit falschen Apostrophen konfrontiert werde, die von über dem großen Teich importiert sind. „Montag’s“. Aua. Aber die Verursacher*innen haben in der Regel wenigstens die plausible und verständliche Erklärung, dass sie nicht so gut Deutsch können. Außerdem kriegt deutsche Software es auch nicht hin, dieses C von jenem Ç zu unterscheiden, oder ein ‚ auf ein C zu setzen. Etc. Ganz zu schweigen davon, dass viel zu selten auch von Menschen mit Abi gefragt wird, wie sich ein Wort aus einer Fremdsprache ausspricht, und irgendein Murks fabriziert wird. Ich sage mal beispielhaft „Przkewalski“.
Das Leerzeichen bei Verben wurde hingegen nicht durch Personen verursacht, die wenig Deutsch können, sondern durch Menschen, denen ich unterstellen möchte, dass sie den Unterschied zwischen Deutsch und Englisch kennen.
Das Englisch benutzt wenig Wortfügungen, aber das ist auch nicht schlimm, weil das Englische beim Sprechen die Wörter zusammenklebt. Dadurch ergibt sich ein anderer Sprachrhythmus als im Deutschen. Wenn ich aber im Deutschen „hinterher sehen“ lese, dann stolpere ich über die Aussprache, weil es zwei davon gibt – einmal mit Pause vor „sehen“, einmal ohne. Das ist ähnlich verwirrend, wie wenn ich WEG schreibe, weil mir dann der Hinweis fehlt, ob es „weg“ oder „Weg“ heißt.
Falls es irgendwem entgangen sein sollte, arbeitet fiktionales Erzählen gelegentlich mit Rhythmus. Es gibt einen Grund, warum ich meine erzählenden Texte vor Veröffentlichung laut lese, weil ich nur dadurch feststellen kann, ob das Ding zu gehetzt, zu getragen, zu langweilig, zu kompliziert etc. klingt. Das System ist noch nicht vollkommen perfektioniert, so wie ich auch keine perfekte Autorin bin, aber die Texte lesen sich hinterher trotzdem angenehmer als vorher.
Fazit
Die meisten Leser*innen sind durchaus in der Lage, ein Verb wie „hinunterrutschen“ als verständliches Wort zu identifizieren. Wieso zum Henker sollte ich also ein Leerzeichen machen, wenn es mir den Rhythmus verdirbt?
Ganz Ihrer Meinung. Sprache ist eben auch etwas, das man sinnlich erfährt, und „sich hochmühen“ fühlt sich für mich anders an als „sich hoch mühen“. Wenn ich übersetze, lese ich mir den Text am Ende auch immer laut vor, um zu sehen, ob er „fließt“, ob er Rhythmus hat, ob der Rhythmus der Intention des Autors entspricht und nicht holprig oder gekünstelt klingt.
Da muss ich dir vollumfänglich zustimmen.
Danke.