Wie logisch ist es eigentlich, dass eine Figur mit weiblichen Pronomen von sich sagt, sie sei froh, kein Mädchen zu sein? (Band 1, Seite 271 in der Printausgabe.)
Wieso nehmen sogar viele Frauen immer noch an, feminin/weiblich sei nicht so gut wie männlich? Schlechter bewertet mag etwas sein, aber macht das etwas an sich schlechter?
Wieso ist „kreischt wie ein Mädchen“ eine Beleidigung? Wieso verwenden Frauen*, die fiktionale Texte schreiben, derlei Vergleiche? Und wieso lassen wir uns das durchgehen?
Wie logisch ist es eigentlich, dass in einer Welt, in der Leute zaubern können, immer Männer an der Macht sind?
Wieso sollte eine Frau, die zaubern kann, sich von einem Mann, der es nicht kann, irgendetwas sagen lassen? Würde es in einer solchen Welt sexualisierte Gewalt geben, und wenn ja, wie sähe sie aus? Wer würde wem warum auf der Straße anzügliche Sprüche hinterherrufen?
Wieso sollte es in einer Welt, die eine Heilerzunft/-gilde/-weißichwas hat, nicht möglich sein, die Verwandtschaft von Personen festzustellen? Braucht es in einer solchen Welt Frauen, die unberührt in die Ehe gehen? Müsste überhaupt irgendwer in die Ehe gehen? Wie würde sich Prostitution in einer solchen Welt darstellen, und wäre „Hure“ eine Beleidigung?
Wie funktioniert Schwulenhass, wenn er nicht auf Frauenverachtung basiert? Kann eine solches Konstrukt dann überhaupt existieren?*
Fragen über Fragen.
Es ist bezeichnend, dass viele sich solche Fragen gar nicht stellen. Dass ich mich jahrelang als Feministin bezeichnet habe und trotzdem nicht auf die Idee kam, solche Fragen zu stellen. Dass ich 2009 eine fiktive Landkarte zeichnete und automatisch annahm, dass das alles Königreiche sind.
Manchmal finde ich es erschreckend, wie sehr wir alle in unseren Denkmustern gefangen sind. Sogar solche, die sich gern als freie Denker*innen gerieren.
*Das mit der Homophobie geht im Übrigen schon, aber ich musste erst recherchieren und dann nachdenken. Ergebnisse hoffentlich 2016 in Romanform.
Ja. Interessante und wichtige Gedanken, Carmilla!
Ich denke in letzter Zeit selbst immer öfter über solche Fragen nach, nicht zuletzt dank deiner Blogposts.
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Guten Tag,
Ich verfolge Ihren Blog erst seit Kurzem. Ich bin begeistert von Ihrer Herangehensweise an bestimmte Themen, Erzählstrukturen, etc.
Die Welt, die ich für mein Romanprojekt konzipiert habe, war selbst vor über zehn Jahren, als ich sie – damals noch Schülerin – für Comickurzgeschichten entworfen habe, frei von den üblichen Gender-Klischees, mit denen ich nichts anfangen kann. Zwar beherrsche ich die angemessene Schreibweise – * oder ähnliches – noch nicht, aber da werde ich mich rein arbeiten.
Die Fragen sind durchaus berechtigt. Warum sollten in Fantasy-Welten immer dieselben Voraussetzungen herrschen wie in der unseren im Mittelalter? Was bei „Das Lied von Eis und Feuer“ insofern passt, als alles auf der Zeit der Rosenkriege basiert, wirkt bei der „Gilwenzeit“-Reihe ein wenig fehl am Platze.
In meiner Welt spielt es keine Rolle, ob jemand männlich oder weiblich ist, weil die bei uns jahrtausendealte Ungleichbehandlung nie stattgefunden hat. Ebenso ist es uninteressant, wen oder ob überhaupt man jemanden liebt oder sich von jemandem sexuell angezogen fühlt, ob man monogam/-amor oder polygam/-amor ist. Einzelne Gesellschaften haben striktere Normen, etwa eine traditionell vorgesehene Pflicht, sich mindestens einmal erfolgreich fortzupflanzen – allerdings nur alle 10-15 Jahre, sobald das Weibchen fruchtbar ist, das dann ein Männchen aussucht – aber das sind Ausnahmen. Momentan überlege ich noch an Begriffen, die weltintern die unzähligen romantischen und sexuellen Orientierungen bezeichnen, da ich die hiesigen Labels vermeiden will. „Männerliebender“ beispielsweise?
Interessant ist die Frage nach Begriffen wie „Königreich“, „Grafschaft“, etc. Wie löst man das? Vermeiden? Oder einen neuen Begriff dafür finden? Ich meine, wenn man davon ausgeht, dass es nicht vom Geschlecht abhängt, wer den Thron besteigt oder die Regent*innenschaft [war das korrekt angewendet?] antritt?
Ich denke, je mehr Werke existieren, die von tradierten Vorstellungen und Konzepten abweichen und alternative Gesellschafts- bzw. Beziehungsmodelle vorstellen, desto mehr Leute beginnen, diese zu hinterfragen. Eine gute Revolution ist eine, die langsam vonstatten geht. Denn nur dann können sich Veränderungen in den Köpfen der Leute wirklich fest verankern.
Ich bin Ihnen dankbar für Ihre Blogs und freue mich auf die Lektüre von Albensilber.
Mit freundlichen Grüßen,
DasTenna
Hallo, dann hoffe ich, dass die Lektüre Ihren Gefallen findet. Ansonsten – ja, das * ist korrekt gesetzt und es ist schwierig, innerhalb dieser deutschen Sprache Wörter zu finden, die neutral sind. Ich gebe zu, dass ich bislang noch nicht versucht habe, Fürsten-, Herzogtümer, Königreiche und Grafschaften auf einen anderen Stand zu bringen. Da ich eher alternativhistorisch arbeite und mit gegebenen Sprachen zurechtkomme, hat die Faulheit gesiegt …
Aber ich habe hoffentlich noch viel Zeit, andere Welten zu bauen und mir da was zu überlegen. Ihrem Weltenbau und der Wörterfindung viel Erfolg!
Ja, das kenn ich: Hab auch mal zu einer Dame, die sich über die fehlende weibliche Form in einem Formular beschwerte, nein, regelrecht empörte, gesagt, dass mich das nicht störe, ich sei schließlich Sprachökonom. ;)
Danke, Ihnen auch :)
In einem Fall hab ich es in meiner Welt leicht: Eine Republik ist neutral. Aber mit den Grafschaften, Herzogtümern und Königreichen … Hm … Schwierig, schwierig. Vielleicht mal schauen, wie das in anderen Sprachen gelöst ist und sich da Anreize holen?
Englisch und Französisch fallen flach, Latein ist so naja, Arabisch hat eine komplett andere Struktur (andere Vokale/lange Vokale/Konsonantdopplungen einfügen … klänge schräg, wäre möglich *kopfkratz*). Mehr gibt mein Regal an Wörterbüchern nicht her.
Ich bin morgen wieder in der Institutsbibliothek. Da stehen mir Wörterbücher u.a. für Tschechisch und andere slawische Sprachen zur Verfügung – unser letzter Lehrstuhlinhaber war Slowake und hatte gute und langjährige Kontakte in den osteuropäischen Raum, vor allem nach Bulgarien.
In der lateinischen Sprache gibt es leider ebenfalls deutliche Unterscheidungen zwischen männlichen und weiblichen Formen, jedoch das Imperium – bei uns ja gemeinhin mit „Kaiserreich“ übersetzt, eigentlich Kaisertum, Oberbefehl, Macht, etc. – oder Regnum – Königtum/Königsherrschaft – wären beide grammatikalisch gesehen neutral. Der Begriff Principatus ist zwar grammatikalisch männlich, bedeutet aber übersetzt „erste Stelle“ bzw. „höchste Stelle“ bzw. „Kaiserwürde“. Der Princeps (eine weibliche Entsprechung gibt es im lateinischen nicht) ist aber im Grunde nichts anderes als der Fürst; das Prinzipat also der Vorsitz resp. die fürstliche Macht. Daraus ließe sich vielleicht was machen.
Comté (Grafschaft, von comte, männlich), royaume (Königreich, von roi, männlich), principaute (Fürstentum, von prince, männlich) heißt es im Französischen. Sämtliche weiblichen Formen sind von den männlichen abgeleitet. Ausnahme ist souverain = (fürstlicher) Herrscher, das hat keine weibliche Form, ebenso wenig potentat. Ist deprimierend :/
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