Sommer, Viren, Migräne, Genöle

Die Blognachbarin La Mère Griotte hat eine Corona-Kategorie, die „Striche an der Zellenwand“ heißt.

Versuchen wir’s mal … statt Strichen einige Beobachtungen. Immerhin hat das Stadtarchiv irgendwann letzten Sommer angefragt, ob sie meine Corona-Postings archivieren dürfen. Seitdem nichts mehr gehört, eine queere Lesung steht auch noch aus.

Diese Stoffmaske in den Farben der asexuellen Flagge ist mittlerweile a) ausgewaschen und b) in Innenräumen nicht mehr als alleiniger Mund-Nasen-Schutz zulässig.

Zu Afghanistan fehlen die Worte. Ich bereue, dass ich am Samstag die Mahnwache bei uns auf dem Marktplatz nicht unterstützt habe, aber ich war nach vier Stunden auf Arbeit platt. Der erste Tag mit nur minimalem Schädelzwicken statt mühsam beherrschtem Migräneanfall seit Mittwoch — und dann bitte früh aufstehen, und da ist noch die Deadline für den Lektoratsjob … Ich hätte mich erkundigen können, weshalb die Menschen dort sich um die afghanische Flagge sammelten. Habe ich nicht. Self care oder Egoismus? Beides? Am Ende egal. Ich war nicht dort.

Überhaupt. Migräne haben macht keinen Spaß. Dieses Jahr war wohl nicht nur für mich sehr lästig, kopfschmerztechnisch. Viele schlecht bezähmbare Anfälle mit Tendenz zu 72 statt 30 Stunden Dauer. Ich schiebe es auf’s Wetter. In diesem Zusammenhang: Als Vollzeitkraft hätte ich mehr Fehltage. So öttle ich halt an Migränetagen zumeist im Homeoffice vor mich hin, arbeite weniger als erhofft, aber nicht nichts, fühle mich wie ein Zombie und hoffe, dass das Triptan wirkt und dann noch den Anfall tatsächlich kupiert, damit ich nicht am Morgen drauf wieder mit Schmerzen aufwache. (Klappt dieses Jahr selten.)

Und die Hormone. Derletzt hatten wir es im Laden davon, ob und wie sich die Covid-Vakzinen sich auf Menschen mit Gebärmutter auswirken. Ich habe nachschaut, das Gezicke mit den längeren Zyklen ging bereits vorher los, und auch die Migräneattacken haben nichts damit zu tun. Eventuell kratze ich an den Wechseljahren? Meine Haut ist jedenfalls nicht so schlecht, als dass ich es auf die Schilddrüse schieben könnte.

Jedenfalls: Ruhiges Hochdruckwetter, das wär es seit März gewesen …

Im Laden nur noch erfreulich selten Diskussionen darüber, ob Masken was bringen. Obwohl letzten Sommer weniger beschlagene Brillen waren. Die Chefin sagt, dass wir im Backoffice keine tragen brauchen, wenn wir geimpft sind, ich lasse meine trotzdem auf. Luft kriege ich so oder so.

Ob das Plexiglas dann noch sein muss, frage ich mich allerdings. Das hätte ich lieber los als die Masken. Dem allgemeinen Lautstärkepegel täte eine Deinstallation sehr gut. Nicht nur für schwerhörige Menschen sind diese doofen Scheiben eine Qual. Mich stören sie auch an schmerzfreien Tagen beim Zuhören, weil ich die Kollegin zwei Kassen weiter besser höre als mein direktes Gegenüber.

Die gefühlt meiste Zeit im Laden geht dafür drauf, dass wir aus Eintragungen in Impfpässen QR-Codes zaubern. In diesem Zusammenhang könnte ich den Betriebsarzt einer großen Fleischerei in der Nähe schütteln: Mies kopierte Formulare für die zumeist nicht staatsbürgerlich-deutschen Beschäftigten statt Impfpass oder wenigstens den farbigen Originalen aus den Impfzentren, dann nur eine Impfung eingetragen, aber kein Hinweis, dass Genesene nur eine brauchen. Und so weiter. Und das für Menschen, die schlecht Deutsch sprechen und wo du dann mit Dolmetscher erfährst, dass die bei der Fleischerei mit dem großen Ausbruch arbeiten. (Welcher von den Läden, die da mit unterbezahlten, teils wohl nicht krankenversicherten osteuropäischen Kräften Fleisch produzieren, hatte keinen Ausbruch?) Und wir als Personal und Erfüllungsgehilfinnen von Ärzteschaft und/oder Bürokratie stehen da und sind in der Pflicht, die Impfnachweise auf Stichhaltigkeit und Fälschungen etc. zu prüfen. Was machst du dann mit diesen Wischs, die ein Arzt aus Sonstwo unterschrieben und abgestempelt hat?

Jedenfalls: Ich kaufe sowieso nur noch etwa einmal im Monat totes Viehzeug, und dann geht auch Bio. Das entsprechende Protein lässt sich prima durch Linsen, Bohnen und vor allem Kichererbsen zufüttern.

Einen amerikanischen Impfnachweis von einer Wirtschaftsflüchtigen auf Heimaturlaub hatte ich auch schon in der Hand. Der war im Grunde auch ein Wisch, genauso gräßlich leicht zu fälschen wie die kopierten Zettel von dem Betriebsarzt von dem Betrieb, der namenlos bleiben soll. Diese massenhaft vorkopierten Wischs hatten wenigstens teilweise einen Chargenaufkleber statt handschriftlicher Notizen.

Schreibtechnisch ist der August für den Arsch gewesen, die Corona-Verarbeit-Seifenoper dümpelt vor sich hin.

Ich sollte wohl auch mehr Werbung für das Sachbuch machen, aber Facebook ertrage ich nur in moderaten Dosen, die restlichen Social Media dürften nicht besser sein, was den Umgangston anbelangt, und fressen sehr wahrscheinlich Energie, die ich nicht habe.

Und kaum ist das Energielevel aus dem „nicht mies genug für eine Depressions-Diagnose, aber auch nicht gut“-Tief einigermaßen draußen, geht’s los mit dem kack Schädelweh. Heute hat es wieder angefangen.

An Kopfschmerztagen frage ich mich übrigens oft, wie und wann ich überhaupt irgendwas gebacken kriege.