Die alljährliche Aufstellung, falls wer noch Impulse abseits der Auslagen in großen Buchläden sucht.

Pirate Aba: The Wandering Inn 1 & 2 — The Wandering Inn ist eine Webserie, die noch nicht beendet wurde. Die fertigen Staffeln gibt es auch als E-Bücher, was nett ist, wenn eine nicht am leuchtenden Bildschirm lesen möchte. Die Grundidee ist genial: Eine Gruppe Magier holt Menschen aus der uns bekannten Welt in eine Welt voller Level. Und so wird Erin, die Protagonistin, einfach nur dadurch [Innkeeper Level 1], indem sie in einem verlassenen Wirtshaus die Tische abwischt. Nebenbei gibt es noch Skills/besondere Fähigkeiten zu erwerben. Der erste Teil liest sich locker weg, obwohl er zwischen mehreren Ich-Erzählstandpunkten und mehr oder weniger Allwissender Perspektive hin und her schwankt. Bei Teil 2 stört mich die Serien- und Compterspieltendenz zu noch größeren und gemeineren Schurken/Gefahren, die ohne schönes Foreshadowing auftauchen, außerdem schwankt die Autorin zwischen teilweise extemer Ernsthaftigkeit und dann wieder völliger Albernheit. Nichts gegen Comic Relief, aber so ein bisschen sollte es dann doch zusammenpassen. Daher Teil 2 nicht beendet, obwohl die Antinium das interessanteste „Volk“ sind, das mit seit Langem in der Fantasy begegnet ist.
Diverse/Unbekannt, herausgegeben und übersetzt von Rudolf Simek et al.: Sagas aus der Vorzeit – Von Wikingern, Berserkern, Untoten und Trollen, Band 1: Heldensagas und Band 2: Wikingersagas. — Eine Übersetzung altnordischer Sagas, die vom 12. bis zum 14. Jahrhundert enstanden sind. Mit Unterbrechungen gut lesbar.
Dass altnordische Helden sich einen Namen mit Plünderungen und Kriegen gegen andere Kleinkönige machen und häufig unter dramatischen Umständen sterben, weil sie sich zwischen zwei Verpflichtungen aufreiben, passt nicht zum heutigen Bild von Heldentum. Als Zeitzeugnisse und Hinweise auf die damalige Mentalität (und darauf, was im skandinavischen Hochmittelalter als eine gute Geschichte galt), sind die Heldensagas äußerst interessant. Für Suspense taugen sie in der Postmoderne kaum — am Ende sind alle tot. Diesbezüglich am spannendsten ist die Völsungensaga, und deren Ende war mir leider bereits bekannt. Ansonsten: Hätten Sie’s gewusst? Siegfried der Drachentöter hat dunkle Locken und starke Wangenknochen. Und über Ivar „den Knochenlosen“ darf zumindest als Sagafigur spekuliert werden, ob er ein Ace war.
Jennifer Hauff: Verschnitt — Medizinthriller. Ein alternder Medizinprofessor leidet unter seltsamen Krankheitszeichen. Ein Grund für ihn, seine Forschungen weiter zu forcieren: Geschlecht sei reine Erziehungssache. Das will er mit „Vereindeutigungs“-Operationen und Hormongaben an Kindern mit Intersexualität beweisen. Eine OP-Assistentin kreidet ihm den Verlust ihrer geliebten Schwester an — vergiftet sie ihn? Und wieso hat der Bruder der OP-Assistentin noch eine Rechnung mit ihr und dem Prof offen? Die drei Fäden sind dicht verwoben, bis zum spannenden und nicht vorhersehbaren Schluss.
Wendelgard von Staden: Nacht über dem Tal. Eine Jugend in Deutschland — Autobiographie einer Landadeligen von quasi gleich um die Ecke, oder, um mit den Worten meiner Mutter zu sprechen: „Hast du gewusst, dass in Vaihingen ein KZ war?“ (Vahingen/Enz, und ja, das wusste ich schon vorher, man begegnet auf dem Weg zum Bahnhof den Wegweisern zur Gedenkstätte). Sprachlich schlicht, aber nachdrücklich berichtet die Autorin von 1940 bis 1946. (Siehe auch zugehöriger Blogpost.)
Mithu Sanyal: Identitti — ein Roman über Identitäten und Rassismus mit einem Klecks Phantastik. So saugeil, dass ich nur wortlos und begeistert mit den Armen rudern kann. Das Buch ist mit Post-its versorgt und wird sicher noch einmal gelesen — wozu ich als Erwachsene sonst selten den Drang verspüre.
Christian von Aster: Die wahrhaft unglaublichen Abenteuer des jüdischen Meisterdetektivs Shylock Holmes und seines Assistenden Dr. Wa’tsun — eine Conan-Doyle-Pastiche, die es nur für die Startnext-Finanzierenden gab. Äußerst unterhaltsam, dabei lebensklug und mit mehr Überraschungen, als ein Kampfkrake Arme hat.
Saxo Grammaticus: Gesta danorum/Die Geschichte der Dänen — was auf dem Titel steht. Übersetzt von Paul Herrmann und Carl Knabe. Im zweiten Anlauf diesen eher unübersichtlichen und schwerfällig erzählten Mix aus Mythologie, Sagastoffen und etwas echter Geschichtsschreibung geschafft. Aber was will eine von einem mittelalterlichen Mönch, der schon in der Einleitung schreibt, dass er eigentlich keinen Bock drauf hat, weil er so was nicht kann? Notiert unter Zeugs, das der damalige Bischof wohl besser an wen anders delegiert hätte.
Joanne M. Harris: Runemarks — dystopische Fantasy. Wir sind in England, fünfhundert Jahre nach Ragnarök. Eine neue Gesellschaft hat sich aus den Ruinen der Neuzeit erhoben, das Technologielevel ist etwa auf dem Stand unseres 17. Jahrhunderts. Die vierzehnjährige Maddy ist mit einer „Runemark“ geboren und hat einen guten Draht zu Magie und Übernatürlichem, weshalb sie den restlichen Dorfbewohnenden suspekt ist. Und dem „Order“ sowieso. Dessen nummerierte Agenten vertreten die neue Staatsreligion. Dazu noch ist Maddy mit dem Landstreicher Old One-Eye befreundet. Als der beschließt, mit Maddys Hilfe den Schatz unter einem Hügel im Umkreis des Dorfes zu heben, kommt es zu einer Konfrontation zwischen alten und neuen Gottheiten — Ragnarök ist vielleicht noch lange nicht zu Ende.
Spannend und wendungsreich nutzt die Autorin Ideen aus der nordischen Mythologie. Gute Unterhaltung, die aber bei mir keinen nachhaltigen philosophischen Eindruck hinterließ.
Patrick Geary: Europäische Völker im Mittelalter. Zur Legende vom Werden der Nationen — ein Sachbuch, das enthält, was draufsteht. Der Autor, ein Historiker für Spätantike und frühes Mittelalter, untersucht den Begriff des „Volks“ von Herodot bis Karl dem Großen. Und stellt fest, dass sich unter dem gleichen Namen (wie „Franken“) über die Zeit verschiedenste Konzepte und Menschen verbergen. Falls also wieder irgendwer behauptet, dass „die Deutschen“ seit Jahrhunderten, wenn nicht seit der Antike irgendwie die gleichen Menschen mit den gleichen Idealen sind: Dieser Text beweist das Gegenteil.
Bevor die Quellen editiert werden konnten, musste man einen Kanon jener überlieferten Aufzeichnungen erstellen, die tatsächlich als Quellen deutscher Geschichte gelten konnten. Das heißt, man musste definieren, was „Deutschland“ in der Vergangenheit bedeutete, und diese Vergangenheit als Vor- und Frühgeschichte deklarieren. Die Herausgeber der Monumenta erfüllten diese Aufgabe, indem sie sämtliche Texte aus oder über Regionen erfassten, in denen germanisch sprechende Völker gesiedelt oder geherrscht hatten.
Es hätte somit auch anders ausgehen können mit dem Deutschtum …
Ben Aaronovitch: What Abigail Did That Summer — Urbane Fantasy, Kurzroman. Hier channelt der Autor auf sehr sympathische Weise eine dreizehnjährige, nerdige „mixed-race“ Besserwisserin und schickt sie mit sprechenden Füchsen auf die Suche nach einigen vermissten Teenagern. Wie alles von Ben Aaronovitch spannend, unterhaltsam, mit unaufgeregter LGBTIA+-Repräsentation und auf eine angenehme Weise die Sehgewohnheiten hinterfragend.
Johannes Kram: Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber … — das Sachbuch beschäftigt sich damit, wie Schwulen- und Homosexuellenfeindlichkeit im 21. Jahrhundert aussieht, und wie sie sich in der Frage „Was wollt ihr denn noch alles?“ manifestiert. Als sei es der Job sexueller Minderheiten, für jeden Klecks menschenwürdiger Behandlung dankbar zu sein.
Anja Bagus: Die Zeitarbeiterin — episodenhaft erzählter Roman um eine Studentin, die aus Geldnot bei einer Zeitarbeitsfirma anheuert und dadurch den merkwürdigsten Menschen begegnet. Außer ihrem einen Kollegen, den findet sie vielleicht etwas zu gut.
Diese autobiographisch angehauchte Erzählung ist leider viel zu schnell rum, denn Mia und ihre Kolleg*innen sind zumindest mir sehr ans Herz gewachsen, von denen hätte ich noch fünfzig Seiten mehr vertragen.
Isa Theobald: Anouk 2 – Sterben bringt Glück. — Zweiter Teil der Urban-Fantasy-Serie um Anouk, Sukkubus und Vollstreckerin des Kuratoriums. Zwischen dem unvermeidbaren Haufen Sexszenen drückt Isa Theobald gehörig aufs Tempo und schafft einen Pageturner mit interessantem Weltenbau und einem Haufen sympathischer, aber teilweise undurchsichtiger Figuren. Es lohnt also, den etwas holprigeren ersten Teil der Serie zu lesen. Der ist, wie bereits erwähnt, ebenfalls zum Wegsuchten, aber die Exposition hat eine kleine Lücke.
Bernhard Stäber: Wächter der Weltenschlange – Midgards Schild. — Zweiter Teil der letztes Jahr begonnenen Urban-Fantasy-Duologie. Wir folgen Malin und Rune, die den letzten Nachkommen der Weltenschlangen zum Nordkap bringen müssen. Dabei werden sie weiterhin von drei Disen verfolgt, die den Weltenbrand zu verhindern suchen. Außerdem ist noch mindestens eine weitere Partei an dieser Reise interessiert.
Mit diesem Buch hat die Duologie einen würdigen und sehr stäber-esken Abschluss bekommen: Wer offene Fragen nicht mag und gern romantische Klischees bedient sieht, wird mit dem Text nicht glücklich. Alle anderen erleben einen zauberhaften Streifzug durch die Mythen und Sagen der Norweger und Saami und müssen sich Fragen nach Schicksal, Vorbestimmung und freien Entscheidungen stellen.
Anette Juretzki: Sternenbrand (1: Blind und 2: Blau) — Space Opera in zwei Teilen. Dass mir Deutschsprachiges begegnet, das wie Albenbrut aus Platznot in zwei Teilen erscheint, kommt auch selten vor. In Sternenbrand treffen wir eine Söldnercrew auf der Suche nach Hinweisen auf den Verbleib der rätselhaften „Phantome“, die vor hundertfünfzig Jahren beinahe die Galaxis verwüstet hätten.
Neben einer verwickelten Liebes-Dreiecksgeschichte um drei männliche Wesen serviert die Autorin einen schönen Weltenbau und einige Wendungen, die ich so nicht erwartet hätte. Grundsätzlich ist es aber noch M/M bzw. „Gay“, daher für Menschen nicht zu empfehlen, die ihre SF lieber ohne viel Liebesgeschichte haben.
N. K. Jemisin: The City We Became — der Auftakt zu einer neuen phantastischen Serie, wobei ein Argument zu führen wäre, dass es sich um Horrorliteratur im besten Sinne handelt. Diesmal entführt uns N. K. Jemisin ins heutige New York City. Das wird gerade zu einer eigenständigen Entität und sucht Avatare. Doch eigenständige Städte bedrohen ihre Gegenstücke in den Paralleluniversen, daher fährt die „Frau in Weiß“ ihre Tentakel aus, um die Stadtwerdung zu verhindern …
Ganz wie bei dieser Schrifstellerin zu erwarten, treffen wir hier keine einfache Urban Fantasy mit den üblichen Versatzstücken wie Werwesen, Blutsauger*innen und dämonischer Unterwelt, sondern ein Problem auf einer weit kosmischeren Skala mit einigen Lovecraft-Anleihen. Wobei sie hier beweist, dass, egal wie schräg die nicht-euklidische Geometrie wird, die ganz normalen menschlichen Abgründe weitaus gruseliger sind.
Dana Brandt: Die Hüterin – Scheiß auf Schicksal — Urbane Fantasy. Eine junge Frau in wirtschaftlichen Nöten findet einen Ring, der sie zur Hüterin der Magie Europas macht. Und hat erst mal keine Lust auf diese Halluzination …
Neben einer erfrischend fluchenden Heldin, die keine sein will, und einigen wirklich charmanten Nebenfiguren (unter anderem Bäume, die beim Kartenspiel schummeln), treffen wir auf einen interessanten Weltenbau. Sich erneuernde Magie, Zaubereibegabte, die mit den Magiewesen im Clinch liegen und alles tun würden, um die neue Hüterin klein zu halten … Wer keinen allzu großen Wert auf wenig Flüche und makellose Grammatik legt, ist hier sehr gut unterhalten.
Lee Bardugo: Shadow and Bone, Siege and Storm, Ruin and Rising (erste GrishaVerse-Trilogie) — Lee Bardugo sagt von sich selbst, dass sie „Tsarpunk“ (im Vergleich zu Steampunk) verfasst hätte, was ungefähr passt. Wir treffen russische Einflüsse (von der Gesellschaft bis zu einigen Märchen-, Geschichten- und historischen Anleihen wie Rasputin) in einer einnehmenden High-Fantasy-Welt, in die einst ein mächtiger Grisha (Zauberer) ein Loch aus Dunkelheit gerissen hat. Dort vernichten drachenartige Wesen jedes Leben, und der Riss breitet sich zudem immer weiter aus.
Hoffnung auf ein Ende dieser Plage keimt im Zarenhaus auf, als sich die junge Soldatin Alina als Sonnenbeschwörerin herausstellt. Sie wird aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen und soll nun im Palast der Grisha ihre Kunst perfektionieren. Doch so einfach ist das alles nicht, denn sowohl der oberste Grisha als auch ein undurchsichtiger Priester am Zarenhof haben eigene Pläne.
Die Trilogie liest sich dank eines meisterhaft gesetzten Tempos und konstant gehaltener Spannung ratzfatz weg. Obwohl es „Young Adult“ ist, sind die moralischen Fragen, vor denen Alina steht, alterslos.
H. P. Lovecraft: diverse Versuche mit Kurzgeschichten und Schatten über Innsmouth (nicht beendet). — Eventuell bekomme ich noch raus, was außer dem Konzept von kosmischen Tentakelpriestern an Lovecraft so toll sein soll. Die Weite des Weltalls find ich offenbar nicht gruselig genug. Und über den aus jeder Zeile tropfenden Mittelschicht-Chauvinismus mit extra viel Rassismus kann ich mich zwar gruseln, aber ich habe das genug in live (siehe AfD-Wahlplakate), und so schön ist die Sprache dann doch nicht, dass ich darüber hinwegsehen kann.
Mary Renault: The Charioteer — schwules Coming-of-Age im Weltkrieg. The Charioteer ist ein Klassiker der schwulen Literatur und erstmals 1953 erschienen. Wir treffen den kriegsversehrten Laurie, der sich in einen Kriegsdienstverweigerer verliebt, der im Militärkrankenhaus Pflege-Ersatzdienst ableistet. Nebenbei trifft Laurie einen alten Schulkameraden wieder, für den er vor Jahren geschwärmt hatte. Wen Laurie hinterher abkriegt, wird nicht verraten, aber es gibt ein Happy End — eine Seltenheit für schwule Literatur aus der Zeit.
Der Roman hätte ein typisches Melodrama von einer Dreiecksgeschichte werden können, aber dafür setzt Mary Renault die Akzente zu dezidiert auf die Frage nach Identität und Community. Eine gemeinsame Verfolgung und/oder eine gemeinsame Marginalisierung wirft uns mit allerlei Menschen in eine Gruppe, mit denen wir sonst keine Gemeinsamkeiten haben. Egal um welche Minderheit es sich handelt. Inwieweit muss/will eins solidarisch sein? Muss ich diese Leute mögen? Muss ich mich zuerst als Teil der Minderheit verstehen und dann als etwas anderes? Und was unterscheidet eine beliebige ausgegrenzte Gruppe von einer Community? Diese Fragen sind, wie sich zeigt, zeitlos. (Referenz auch dazu die Talk-Serie Community, quo vadis? von 100 % Mensch.)
Ria Winter: Der Feuervogel von Istradar — Slavic Fantasy. Eine Diebin mit Meinungen zur Politik und eine Palastwächterin in Istradar begegnen sich, als die Diebin versucht, im Palast etwas zu stehlen. Der berühmte Feuervogel von Istradar ist jedoch schon Monate vor dem Einbruch aus der Schatzkammer verschwunden. Weil die Wächterin meint, dass die Diebin etwas darüber weiß, spioniert sie ihr hinterher. Aber der Feuervogel ist unauffindbar und die politsche Lage spitzt sich zu — ohne Feuervogel keine Allianz mit dem Zaren. Damit ist Istradar von einem Krieg bedroht. Nebenbei kommen sich die beiden Frauen langsam näher.
Der Roman ist spannend und liest sich schnell. Neben dem überzeugenden Weltenbau, der mit seinen slawischen Einflüssen für die hier stilbildende angloamerikanische Fantasy eher rar ist, bestechen vor allem die liebenswerten, runden Nebenfiguren und die zahlreichen hübschen Wendungen.
Christian von Aster und Holger Much: Das Koboltikum — Illustrierte phantastische Anthologie. Christian von Aster hat hier einige Kurzgeschichten und Balladen über Kobolde versammelt. Die sind oft schräg — sonst wäre es nicht von Aster — manchmal fies, manchmal komisch und manchmal liebenswert. Dazu hat Holger Much die Kobolde, wie immer detailverliebt und zauberhaft, illustriert.
Alice Oseman: Loveless — Coming-of-age/Young Adult. Die achtzehnjährige Georgia ist zum Schulabschluss noch ungeküsst und will im ersten Semester an der Uni dringend etwas daran ändern. Schließlich möchte sie nicht Loveless sein — ohne Liebe. Dazu bittet sie ihre feierfreudige Mitbewohnerin Rooney um Rat. Alles gerät außer Kontrolle, als Rooney auffällt, dass Georgias bester Kumpel in sie verliebt ist, und Georgia ermuntert, da etwas draus zu machen.
Es folgt eine asexuelle Selbstfindung mit Irrungen fast Shakespear’schem Ausmaßes, viel Humor, klugen Gedanken über die Liebe und einem völlig unromantischem Happy End, das ich totzdem zum Seufzen schön finde. Der Stil ist locker-flockig, Oseman beherrscht ihre Spannungsbögen, und zeichnet außerdem liebevoll runde Figuren, die ich einfach umarmen will.
Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Menschheit — kongeniale Aufbereitung der Menschheitsgeschichte. Von der Sprache über die Religion zum Ackerbau bis zum Kapitalismus: Harari zeigt Entwicklungen auf, die mein Geschichtsunterricht nie so thematisiert hat und befragt moderne Mythen auf ihren Gehalt. Was bietet eigentlich der Monotheismus für Vorteile, wenn Sie ihn nicht als gläubige Person verteidigen? Sind Nationalstaaten wirklich eine Errungenschaft, wie ich es noch in den späten 1990ern gelernt habe? (Siehe auch Geary oben.) Wie groß ist der Unterschied zwischen Religionen und Ideologien tatsächlich? Warum funktionieren Staaten heute anders als Imperien im Altertum? Ist ein naturnahes Leben in einem Stammesverband wirklich gewaltloser und erstrebenswert? Etc.
Wir reden noch immer von „ursprünglichen“ Kulturen, aber wenn wir mit „ursprünglich“ etwas meinen, das sich unabhängig entwickelt hat, uralte regionale Traditionen verkörpert und nicht von außen beeinflusst wurde, dann gibt es das heute nicht mehr. In den vergangenen Jahrhunderten haben sich sämtliche Kulturen unter einer Flut globaler Einflüsse bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Askin-Hayat Dogan und Sarah Stoffers (Hg.): Urban Fantasy going queer — Kurzgeschichtensammlung. Die Herausgebenden baten 23 offen queere Schreibende deutschsprachiger Fantasy um eine Kurzgeschichte. Urban sollte es sein, und am besten noch aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreifen. Daher dreht sich in dem Sammelband nicht alles um Queerness. Was der Qualität der Geschichten aber keinen Abbruch tut. Zwischen klassischen Werwolf-Krimis und richtig originellem Zeug, mal mit gutem, mal mit fiesem Ende bewegen sich sehr unterhaltsame und oft nachdenkliche Geschichten.
Kübra Gümsay: Sprache und Sein — ein Versuch, die Grenzen der Sprache auszuloten. Was bedeuten bestimmte Perspektiven? Wo errichtet die Sprache der Mehrheit Wände für Minderheiten? Wo hindert uns Sprache am Sein, wo ermöglicht sie es erst? Was bedeutet es, durch Sprache in eine Objektposition gedrängt zu sein? Und wie erreichen wir, dass alle frei sprechen können?
Ein kluger Text über Ausgrenzung und Teilhabe, den ich nur weiterempfehlen kann. Und den ich wahrscheinlich des Öfteren zitierenn werde, denn auch an pointierter Formulierkunst mangelt es keineswegs.
… und wie immer kam dazu ein Haufen Fanfiction. Manche davon sehr klug. Hauptsächlich diente selbige Lektüre der Realitätsflucht in den stimmungsmäßig miesen Phasen: Kein Corona, wenig Heten, Happy End garantiert.
Ansonsten ist einiges angefangen, aber noch nicht fertig. Im Gegensatz zu 2021. Guten Rutsch also.